ZASTROW-Interview für den „Deutschlandfunk

Berlin (pressrelations) –

ZASTROW-Interview für den „Deutschlandfunk“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende HOLGER ZASTROW gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTOPH HEINEMANN:

Frage: Wenn man über Geschichtsstoff spricht, ist in der Regel Abstraktes gemeint. Es gibt aber auch den wirklichen: etwa Helmut Kohls Strickjacke, oder Joschka Fischers Turnschuhe, beide zu besichtigen im Haus der Geschichte in Bonn. Gestern gab es dort einen Neuzugang. Dirk Niebel hat seine Fallschirmjägermütze abgegeben. Auch als Entwicklungshilfeminister hatte Niebel die Kopfbedeckung getragen, die er einst bei einem Einzelkämpferlehrgang der Bundeswehr erwarb. Niebel ist einer von vier Bewerbern für drei Beisitzer-Plätze im FDP-Präsidium. Darüber wird abgestimmt beim Parteitag, zu dem sich die Liberalen heute Abend und am Wochenende in Berlin versammeln. Die übrigen sind die Politiker Daniel Bahr, der Bundesgesundheitsminister also, Wolfgang Kubicki, Fraktionschef in Kiel, und Jörg-Uwe Hahn, und der ist als Wahlkämpfer quasi unantastbar, der hessische Minister. Bleiben also Bahr, Kubicki und Niebel. Selbes Spiel bei der Wahl der stellvertretenden Parteichefs, drei Posten und folgende vier Bewerberinnen und Bewerber: Birgit Homburger, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der frühere Generalsekretär Christian Lindner und der Landeschef in Sachsen, Holger Zastrow. Guten Morgen.

ZASTROW: Guten Morgen, Herr Heinemann!

Frage: Herr Zastrow, bleiben wir mal kurz bei der historischen Gewichtung. Passt Dirk Niebels Mütze zu Helmut Kohls Strickjacke oder zu Joschka Fischers Turnschuhen? Ist das sozusagen die gleiche historische Kleidergröße?

ZASTROW: Da fragen Sie mich jetzt ein bisschen viel. Das müssen natürlich die Historiker, die ihn gebeten haben, dass die Mütze ins Museum kommt, einschätzen können. Aber ja, wenn die meinen, das ist so, dann ist es halt so, und offensichtlich ist die Regierungsarbeit von Dirk Niebel gar nicht so schlecht.

Frage: Ich frage Sie ja als Parteifreund.

ZASTROW: Na ja, man wird das alles nicht überbewerten. Da halte ich mich mal lieber zurück.

Frage: Wäre Hans-Dietrich Genschers gelber Pullover nicht die bessere liberale Ergänzung?

ZASTROW: Ist der noch gar nicht im Museum?

Frage: Weiß ich nicht. Glaube ich nicht! Er trägt ihn ja noch.

ZASTROW: Ja, aber er hat ja viele, und ich glaube, dass der gelbe Pullover von Hans-Dietrich Genscher ein ganz starkes Symbol ist, gerade für uns in Ostdeutschland natürlich, weil wir mit Hans-Dietrich Genscher auch die friedliche Revolution, die erfolgreiche Wende natürlich verbinden. Das ist schon eine Nummer größer oder zwei, drei Nummern größer.

Frage: Zwei, drei Nummern größer. – Wir achten darauf, ob er einen tragen wird beim Parteitag und kehren noch mal zurück zu Dirk Niebel und zum Jahresbeginn, nämlich zum Dreikönigstreffen in Stuttgart. Da hatte Niebel ja folgendes gesagt: „So wie jetzt kann es mit der FDP nicht weitergehen. So wie jetzt bleibt die FDP weit hinter ihren Möglichkeiten. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand meiner, unserer FDP sehe. Ich finde, wir können einfach nicht noch länger mit eigenen Entscheidungen warten.“ Da war die Führung, glaube ich, nicht sehr amüsiert. Sägt Niebel zurzeit etwas leiser an Röslers Stuhl?

ZASTROW: Ich hoffe, dass Dirk Niebel die Konsequenzen aus dem Auftritt in Stuttgart gezogen hat, denn ich glaube, er hat gespürt, dass das nicht in Ordnung war. Mich hat das damals sehr aufgeregt. Ich bin ja auch Landespolitiker, und ich habe mich damals immer versucht in die Lage der Niedersachsen zu versetzen, die ja einen Landtagswahlkampf hatten. Ich glaube, das ist ein einmaliger Vorgang auch in der FDP gewesen, dass einem aktiv an der Front stehenden Landesverband, der versucht, seine eigenen Leistungen in die Wagschale zu werfen, so ins Handwerk gepfuscht worden ist. Ich bin nur sehr glücklich, dass die Niedersachsen es trotzdem geschafft haben, trotz des Gegenwindes, und dafür gebührt vor allem den Leuten in Hannover großer Respekt.

Frage: Das heißt, die CDU-Leihstimmen aus Niedersachsen haben Philipp Rösler etwas stabilisiert?

ZASTROW: Ach das mit den Leihstimmen. Wir haben in Deutschland schlaue Wähler und die wählen eben auch taktisch, und die Niedersachsen wussten ganz genau: Wenn Schwarz-Gelb eine Chance haben soll, wenn die Regierung weitermachen soll, dann geht das eben nur, wenn die Zweitstimme zur FDP geht, aber ganz genauso die Erststimme ja zur CDU. Das hat ja fast geklappt, die haben ja einen sensationellen Aufholprozess hinter sich gebracht. Ein Sitz war es am Ende, der gefehlt hat. Aber man hat gesehen: Schwarz-Gelb funktioniert und in Berlin könnte man sich da auch mal eine Scheibe abschneiden.

Frage: Also es funktioniert in der Opposition?

ZASTROW: Na ja, ich sage mal so: Die lagen noch wenige Monate davor 13 Prozentpunkte zurück. Am Ende war es ein Sitz. Ich glaube, das kann man dann auch nicht mehr so planen, da gehört auch ein bisschen Pech dazu. Insgesamt hat man gesehen: Wenn zwei Koalitionspartner sich gut verstehen, gut miteinander zusammenarbeiten, dann kann man es auch schaffen. Es hat nicht ganz geklappt, das ist schade, aber es ist trotzdem ein Erfolg für die Niedersachsen gewesen.

Frage: Herr Zastrow, sollte Niebel aus dem Präsidium rausfliegen?

ZASTROW: Das habe ich nicht zu entscheiden. Wir haben …

Frage: Aber Sie können eine Bewertung abgeben.

ZASTROW: Ach wissen Sie, ich bin da ein bisschen hin- und hergerissen, weil Dirk Niebel ein Kämpfer ist. Das ist jemand, der für die Partei kämpft wie kein zweiter. Das ist jemand, der Wahlkämpfe gestalten und auch gewinnen kann. Ich weiß nur nicht, ob er immer der richtige Teamplayer ist, und was wir jetzt brauchen ist: Wir müssen die Reihen hinter Philipp Rösler und Rainer Brüderle schließen. Es kann nicht mehr um persönliche Eitelkeiten gehen. Jeder, der in diesem Präsidium ist, jeder, der dort eine Funktion übernimmt, muss sich selbst in das Team einordnen können und die beiden Führungspersönlichkeiten unterstützen können. Das muss er erklären, das wird er auf dem Parteitag machen und dann vertraue ich den Delegierten, dass sie die richtige Entscheidung treffen.

Frage: Sie haben Rainer Brüderle genannt. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt in dieser Woche, Rainer Brüderle sei im Zuge des Sexismusvorwurfs gereift. Haben Sie das auch feststellen können?

ZASTROW: Ich glaube, dass das alles nichts damit zu tun hat. Was da gelaufen ist – ich kann das bis heute nicht nachvollziehen, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen -, diese Empörungspolitik, die wir hier in Deutschland zum Teil haben, das hat doch alles mit dem normalen Leben nichts mehr zu tun. Ich glaube, dass man sehr unfair mit ihm umgegangen ist. Das ist auch alles sehr eigenartig, wie diese Vorwürfe da kommen, wann sie kommen, wer sie bringt. Ich glaube, das wissen die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch selbst zu bewerten. Rainer Brüderle ist derjenige in dem Führungsteam, der die größte Erfahrung von allen hat. Ich bin so glücklich, dass wir jetzt genau diese Lösung haben, dass wir Philipp Rösler und Rainer Brüderle vorne haben, weil ich glaube, dass genau in der Situation, in der wir sind, die beiden gemeinsam dafür garantieren können, dass wir einen Erfolg im September dann bei der Bundestagswahl haben.

Frage: Also das war kein Sexismus?

ZASTROW: Aus meiner Sicht nicht. Nein, ganz gewiss nicht.

Frage: Sie würden auch einer Journalistin sagen, Mensch, du passt gut in ein Dirndl?

ZASTROW: Jeder, der Rainer Brüderle kennt, weiß, dass er so weit weg von diesem Vorwurf ist wie kaum ein anderer. Und ansonsten diese ganzen Sprüche – ich glaube, lassen wir mal die Kirche im Dorf.

Frage: Die FDP denkt inzwischen über Lohnuntergrenzen nach. Die Zauberformel heißt da „regional unterschiedlich“ und „tariflich ausgehandelt“. Ist das Panik vor dem Wahlkampf?

ZASTROW: Ich glaube, wir müssen ein bisschen aufpassen als FDP, dass wir uns treu bleiben. Wir werden dafür gewählt, dass wir im Zweifel auch unpopuläre Antworten geben und dass wir vor allem aber nicht dem Zeitgeist hinterher rennen. Und ich habe bisher noch kein Mindestlohn- oder Lohnuntergrenzenmodell gesehen, was tatsächlich funktioniert. Das einzige, was ich gesehen habe, ist, dass uns hier eines der größten Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramme seit der Wiedervereinigung droht, vor allem auch in Ostdeutschland. Jemand, der eine gebrochene Erwerbsbiografie hat oder nicht so gut qualifiziert ist, für den wird das zum Problem, und das können wir als FDP nicht mitmachen. Ich kann nicht einfach als Liberaler, als Wirtschaftspartei Sprüche klopfen, sondern ich muss am Ende auch sagen, wie ich es ganz genau mache, und ich kenne kein Modell, was funktioniert.

Frage: Ist das größere Problem nicht ein Stundenlohn von drei Euro?

ZASTROW: Ja, das ist ein Problem. Aber wir müssen trotzdem differenzieren. Es gibt in Deutschland große Unterschiede und es gibt auch ortsübliche Löhne, die regional durchaus akzeptiert sind. Und ich kann nun mal München, Baden-Württemberg, den Schwarzwald nicht mit der Oberlausitz oder dem Erzgebirge vergleichen. Das sind ganz andere Strukturen, übrigens nicht nur, was die Verdienste betrifft, sondern auch, was die Lebenshaltungskosten betrifft. Und wenn ich das nicht ausdifferenziere, wenn ich dazu keine Antwort habe, dann bedeutet das, dass wir einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro bekommen. Das bedeutet aber, dass es am Ende im Erzgebirge oder auch an anderen Orten bestimmte Beschäftigungsverhältnisse überhaupt nicht mehr gibt.

Frage: Herr Zastrow, bis zur Lohnuntergrenze hat es in der FDP ja doch ziemlich gedauert. Ab wann wird in Ihrer Partei mal über Gehaltsobergrenzen nachgedacht?

ZASTROW: Ich glaube, das ist nicht Aufgabe der Politik. Sie wissen, ich bin im Osten geboren, ich habe die DDR noch miterlebt. Und wie das mit politisch festgelegten Löhnen funktioniert, haben wir gesehen.

Frage: Es gibt doch Grenzen, oder?

ZASTROW: Da ist schon mal ein System kaputt gegangen. Zu DDR-Zeiten war das ganz oft, dass in vielen Bereichen Löhne, Obergrenzen und Untergrenzen, politisch festgelegt worden sind. Das müssen am Ende die Eigentümer der Firmen selber entscheiden. Deswegen finde ich ja auch, dass man aus dem Schweizer Volksentscheid seine Lehren ziehen sollte. Das sollten die Aktionäre machen.

Frage: Kann ein System nicht auch an der Raffgier zugrunde gehen?

ZASTROW: Ja, das kann auch an der Raffgier zugrunde gehen. Das ist gar keine Frage. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Über das Thema Fairness, über das Thema Angemessenheit sollten viele in diesem Land tatsächlich nachdenken. Ich rate nur dazu, dass wir uns ein bisschen mehr um die Mitte der Gesellschaft kümmern, nicht immer nur auf die ganz Reichen und die ganz Armen schauen, sondern auf diejenigen schauen, die noch Steuern zahlen. Das sind die normalen Berufstätigen. Um die kümmert sich ja kaum noch jemand. Das muss die Aufgabe übrigens auch für die FDP sein und auch weiter bleiben, denn die erwirtschaften das, was dann so großzügig verteilt wird. Und trotzdem empfehle ich den Unternehmen, auch den großen Konzernen, vor allem den Aktionären, ihren eigenen Vorständen besser auf die Finger zu schauen.

Frage: … , sagt Holger Zastrow, der stellvertretende FDP-Vorsitzende und Landeschef der Liberalen in Sachsen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

ZASTROW: Danke schön!

Felix Metschan
Pressereferent

Freie Demokratische Partei
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ZASTROW-Interview für den ‚Deutschlandfunk‘

Berlin (pressrelations) –

ZASTROW-Interview für den „Deutschlandfunk“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und sächsische Landes- und Fraktionsvorsitzende, HOLGER ZASTROW gab dem „Deutschlandfunk“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte CHRISTIANE KAESS:

Frage: Herr Zastrow, hat Philipp Rösler den Machtkampf gewonnen?

Zastrow: Es gab keinen Machtkampf. Ich glaube, da wird auch zu viel hineininterpretiert. Wir haben mit Philipp Rösler und Rainer Brüderle ja zwei Personen bei uns an der Spitze, die in schwierigen Zeiten sich komplett ins Interesse der Partei gestellt haben. Philipp Rösler hat die Partei übernommen in einer außerordentlich schwierigen Situation. Zeitgleich hatte Rainer Brüderle das von ihm ja auch sehr geliebte Amt des Wirtschaftsministers zur Verfügung gestellt und sich in das schwierigere Amt des Fraktionsvorsitzenden begeben. Also die beiden sind frei von Eitelkeiten, die wissen schon, wann es um die Partei geht, und genau jetzt ist der Zeitpunkt, jetzt müssen alle zusammenhalten, und die machen das gut.

Frage: Sie sagen, da gab es keinen Machtkampf. Sie waren ja gestern dabei. Warum ist denn Rainer Brüderle für seine Attacken auf den Parteivorsitzenden belohnt worden mit der Spitzenkandidatur? Oder gab es auch keine Attacken?

Zastrow: Wir haben lange gestern darüber gesprochen, das haben ja auch alle mitbekommen. Es gab Präsidiumssitzungen, Bundesvorstandssitzungen so lange wie noch nie, es gab eine sehr offene, eine sehr ehrliche Aussprache, und so ist das eben manchmal. Wir sollten als FDP aufhören, unsere Politik nur anhand von Umfragen oder von manchem Zeitungskommentar auszurichten und einfach mehr miteinander sprechen.

Frage: Aber die Attacken hat es schon gegeben?

Zastrow: Ich sehe das nicht. Ich glaube, Rainer Brüderle hat auch noch mal genau erklärt, was er da am Freitag gemeint hat. Das ist ein bisschen was anderes als das, was man dann interpretiert. Ich glaube, wenn wir miteinander reden, dann verstehen wir uns auch wieder besser. Das ist in den letzten Monaten ein bisschen zu kurz gekommen. Niedersachsen hat doch gezeigt, wie man es machen muss. Die Niedersachsen sind ein tolles Team gewesen, die haben an einem Strang in eine Richtung gezogen und das muss auch für Berlin gelten. Berlin kann viel mehr von unseren erfolgreichen Ländern denken, als mancher in Berlin so denkt. Dort macht man es nämlich oft besser.

Frage: Sie haben selbst gerade gesagt, die Sitzungen gestern waren lang. Es hat auch zwei Vieraugengespräche gegeben zwischen Rösler und Brüderle, bevor man sich einigen konnte. Warum hat das alles so lang gedauert und warum waren diese zwei Vieraugengespräche nötig?

Zastrow: Wir machen uns als FDP das Leben selber schwer und zwar unnötig schwer. Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass wir uns selbst zu wenig vertrauen und dafür immer auf außen hören, was andere so über uns denken, und das ist barer Unsinn. Ich weiß, dass viele jetzt auch in Deutschland, auch die Beobachter der FDP enttäuscht sind, dass es diese Partei gibt, dass sie nicht tot ist und dass wir so ein fantastisches Wahlergebnis hatten, und das muss uns eine Lehre sein. Das, was in Niedersachsen passiert ist, dieser fantastische Erfolg, muss uns eine Lehre sein. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren, wir müssen auch irgendwo aufhören, immer nur uns mit sich selbst zu beschäftigen. Und das, was Philipp Rösler völlig richtig gemacht hat: Er hat gesagt, wir wollen nicht länger warten, wir müssen auch jetzt die Personalentscheidung treffen. Das ist genau der richtige Moment. Andere Parteien haben es auch schon getan. Er hat dazu einen sehr uneigennützigen Vorschlag gemacht und auch Wege gezeigt, Optionen dargelegt. Das haben die beiden besprochen, die beiden sind die wichtigsten Figuren in unserer Partei, und ich bin sehr froh, dass wir gestern einen Schlussstrich unter die Personaldebatte gezogen haben.

Frage: Aber, Herr Zastrow, es bleibt doch der Eindruck hängen, der Parteichef ist im Wahlkampf nicht vorzeigbar.

Zastrow: Ich weiß nicht, woher Sie den Eindruck nehmen. Wir haben andere Parteien, schauen Sie sich mal…

Frage: Warum braucht es denn einen anderen Spitzenkandidaten?

Zastrow: Fragen Sie doch die SPD, warum die das so machen? Die SPD hat ja Herrn Gabriel als Parteivorsitzenden…

Frage: Jetzt reden wir aber über die FDP.

Zastrow: Ja! Wir sind als FDP in einer außerordentlich schwierigen Situation. Ich glaube, es ist völlig richtig, das zu machen, was die FDP auch früher, vor Guido Westerwelle, oft gemacht hat, nämlich auf ein Team zu setzen. In der jetzigen schwierigen Situation finde ich es besser, anstatt alles auf eine Karte zu setzen, dass wir die Talente, die wir haben, addieren. Das wird uns eher zum Erfolg bringen, denn Rainer Brüderle und Philipp Rösler sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Während Philipp Rösler für ein modernes, offenes Deutschland steht, ist eben Rainer Brüderle jemand, der mehr das Herz anspricht auch unserer Stammwählerschaft im Mittelstand und überall dort besonders gut verankert ist. Und ich glaube, wenn wir das einfach zusammenführen, wird es für die FDP am Ende ein Erfolg sein.

Frage: Und warum sollten die beiden als Tandem jetzt besser funktionieren als vorher?

Zastrow: Wie gesagt, ich kenne aus meiner Zeit im Bundesvorstand – die ist noch nicht so sehr lange – beide als welche, die unterschiedlich sind, aber im Interesse der Partei auch persönliche Interessen immer zurückgestellt haben, und das ist genau der richtige Ansatz. Wir müssen gemeinsam kämpfen, wir müssen gemeinsam versuchen, die Partei wieder nach vorne zu bringen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dass es funktionieren kann, hat ja nicht nur Niedersachsen gezeigt, sondern auch die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen waren doch viel, viel besser als erwartet. Ich bin da sehr zuversichtlich, dass die beiden es schaffen. Übrigens stehen sie ja nicht alleine, sondern wir haben ja noch andere in der Partei, die auch ihren Beitrag leisten.

Frage: Brüderle ist Spitzenkandidat und Kopf und Gesicht, das wurde gestern gesagt, und Rösler hat gesagt, er werde das Team führen. Haben Sie denn eigentlich verstanden, wer jetzt da wen führt?

Zastrow: Wir sind ja hier bei den Liberalen und für Liberale gilt ja eins: Wir sind ja nicht so führeraffin, sondern bei uns ist das so, dass wir als FDP für unsere Werte, für unsere Haltungen gewählt werden. Die sind anders als die von anderen Parteien. Während du andere Parteien hast, wo dann alles sich hinter einem Kandidaten versammelt, passt das zu dem Freigeist, wie es ein Liberaler nun mal ist, sowieso nicht so richtig. Deswegen ist es immer wichtig, dass du wirklich die Aufgaben auch verteilst, dass jeder nach seinen Talenten das bestmögliche macht. So ein Wahlkampf muss organisiert werden, so ein Wahlkampf muss strukturiert werden, das wird Philipp Rösler jetzt machen. Und dass Rainer Brüderle als derjenige, der wirklich wie gesagt auch die Herzen anspricht, der auch motivieren kann wie kein Zweiter in unserer Partei – das hat ja jeder gesehen -, dann auch derjenige ist, der dann in der Öffentlichkeit noch mehr als bisher auftaucht, das ist völlig richtig und ich bin froh, dass die Partei die Entscheidung so getroffen hat.

Frage: Aber, Herr Zastrow, wenn das alles so harmonisch abgelaufen ist, wie Sie das jetzt darstellen, mit welcher Absicht hat denn Rösler offengelegt, dass er Brüderle den Vorsitz angeboten hat und dieser gekniffen hat?

Zastrow: Das stimmt ja so nicht. Das wird so kolportiert. Ich war in der Sitzung dabei und ich weiß sehr genau, was Philipp Rösler gesagt hat.

Frage: Was hat er denn gesagt?

Zastrow: Na ja, die internen Prozesse, die bleiben auch mal intern.

Frage: Das würde aber vielleicht zur Aufklärung beitragen.

Zastrow: Wissen Sie was? Ich glaube, ich bin froh, dass wir einen Parteichef haben und auch einen Fraktionsvorsitzenden haben, die eben nicht zu dieser Kategorie der selbstverliebten eitlen Politiker gehören, und ich finde es großartig, wenn ein Parteivorsitzender wie Philipp Rösler in einer schwierigen Phase der Partei sagt, er würde auch selbst zur Seite treten, wenn es eine andere Lösung gibt, die für die Partei erfolgversprechender ist. Wir haben das diskutiert, wir haben es überlegt, Rainer Brüderle möchte nicht Parteivorsitzender werden, …

Frage: Warum? Traut er sich den Parteivorsitz nicht zu?

Zastrow: Ich kann darüber gar nicht spekulieren. Rainer Brüderle hat als Fraktionsvorsitzender das herausragendste Amt, was ich mir nur vorstellen kann. Ich bin ja in Sachsen auch Fraktionsvorsitzender, ich weiß, was das bedeutet. Warum man dann unbedingt jedes Amt übernehmen muss, ist mir nicht ganz klar. Ich finde das genau so richtig, die machen das genau so perfekt, wie es sein muss. Und dass man aber abwägt in einer wirklich schwierigen Situation, in der ja die FDP ist, nach so einem grandiosen Wahlerfolg, wo das Tor offen ist, wo wir die Grundlage für ein erfolgreiches Jahr gelegt haben, ich wünschte mir, dass es das eigentlich auch in anderen Parteien gibt. Bei uns wurde das offen diskutiert, vielleicht ein bisschen zu spät, wir hätten es wohl schon eher machen müssen, aber jetzt ist die Entscheidung getroffen worden, und zwar einstimmig, und ich glaube, das wird ein gutes Jahr für uns.

Frage: Dirk Niebel hat gestern schon gesagt, schon die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen seien erfreulich verlaufen, ohne dass sich die Situation der Bundespartei verbessert habe. Mit welchen Querelen rechnen Sie denn noch in den nächsten Wochen, wenn da schon wieder solche Äußerungen kommen?

Zastrow: Ich denke, dass das, was wir in den letzten zwei Tagen erlebt haben, nämlich den Wahlerfolg auf der einen Seite und andererseits auch die Präsidiums- und Bundesvorstandssitzung gestern, dass das eine disziplinierende Wirkung auch für die Kritiker in unserer eigenen Partei hat. Es gab eine lange Aussprache und auch Dirk Niebel hat die Aussprache verfolgt und er weiß ganz genau, was die ganz, ganz große Mehrheit auch im Bundesvorstand über das denkt, was er getan hat. Ich bin mir sicher, dass er daraus seine Lehren ziehen muss, dass er sich einordnen wird auch in das Team, und wenn er es nicht tut, dann wird die Partei das bei den nächsten Wahlen bewerten können.

Frage: Herr Zastrow, der Wahlsieg in Niedersachsen geht auf CDU-Wähler zurück. Haben Sie Sorge, dass bei der Bundestagswahl dann der tiefe Absturz in die Realität kommt?

Zastrow: Wann hat eigentlich das letzte Mal eine Umfrage vor den Wahlen mit dem tatsächlichen Ergebnis der FDP übereingestimmt? Ich kann mich daran gar nicht mehr erinnern. Die Niedersachsen standen zu Weihnachten noch bei zwei Prozent, jetzt haben sie zehn. Ähnlich war es in Schleswig-Holstein, ähnlich war es in Nordrhein-Westfalen. Man sollte sich mal überlegen, warum das eigentlich nie funktioniert, warum alle Vorhersagen immer so falsch sind.

Frage: Also Sie hoffen, dass auch auf der Bundesebene der eine oder andere CDU-Wähler Mitleid haben wird?

Zastrow: Nein, das hat damit nichts zu tun. Wir haben in Deutschland nun mal schlaue Wähler, und Wähler wählen auch taktisch, und das ist völlig okay. Davon profitiert heute die Partei, morgen die andere. Und wenn es, wie es in Niedersachsen sehr klar war und wie ich mir vorstellen kann, dass dies auch in anderen Wahlen passieren wird, einen Lagerwahlkampf gibt, dann wissen die Wählerinnen und Wähler ganz genau, was sie tun müssen, damit das Lager eine Chance hat. Diesmal hat es uns ein bisschen geholfen, richtig; es gibt andere Fälle, wo das auch schon dem größeren Partner geholfen hat. Die Bundestagswahl ist eine andere Wahl, wir werden dort aus eigener Kraft mit Sicherheit ein Ergebnis erzielen, was uns heute noch keiner zutraut, und ich bin da wirklich optimistisch. Ich glaube, wir haben schlaue Wähler, die wissen schon, was sie wählen.

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