WESTERWELLE-Interview für das „ZDF-Morgenmagazin (13.07.2011)

Berlin (pressrelations) –

WESTERWELLE-Interview für das „ZDF-Morgenmagazin“ (13.07.2011)


Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied, Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem „ZDF-Morgenmagazin“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte WULF SCHMIESE:
Frage: Wie ist es denn, mal wieder Vorsitzender zu sein?
WESTERWELLE: Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die Deutschland jetzt hier wahrnimmt mit wichtigen Entscheidungen. Wir werden am heutigen Tage darüber entscheiden, dass ein weiteres Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen wird, nämlich Südsudan. Das ist auch ein positives Ergebnis, jedenfalls bisher, auch der internationalen Arbeit, denn man darf nicht vergessen, noch vor einigen Jahren sind Millionen Menschen im Sudan umgekommen. Dass es jetzt einen friedlichen Prozess mit einer neuen Staatsgründung gegeben hat, ist auch ein wichtiger Fortschritt.
Frage: Keinen Frieden gibt es in Syrien. Da sind die Botschaften von Amerika und von Frankreich angegriffen worden. Wie wollen Sie erreichen, dass nun im Weltsicherheitsrat eine Resolution verfasst wird gegen Syrien, der auch Russland und China zustimmt?
WESTERWELLE: Zunächst einmal haben wir – und zwar vor allem durch eine Erklärung der Präsidentschaft des Sicherheitsrates – die Ausschreitungen gegen die beiden Botschaften in aller Klarheit verurteilt. Es ist die Pflicht jeder Regierung, dass die diplomatischen Vertretungen, die in einem Lande zu Gast sind, auch geschützt werden. Wir haben darüber hinaus natürlich auch mit unseren europäischen Partnern hier im Sicherheitsrat – also gemeinsam mit Frankreich, mit Großbritannien und mit Portugal – einen Resolutionsentwurf auf den Weg gebracht, um auch politisch den Druck auf das Regime in Syrien zu erhöhen. Allerdings gibt es dazu noch gewisse Widerstände, die wir noch in vielen Gesprächen überwinden müssen.
Frage: Als in Arabien die Revolution … begann, waren Sie ganz begeistert von dieser „Arabellion“ … Auf dem Perlenplatz in Bahrain … walzten saudische Panzer diese Freiheitsbewegung nieder. Nun erwägt Deutschland offenbar den Verkauf von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien. Wie passt das zusammen?
WESTERWELLE: Zunächst einmal ist es immer noch so, dass wir glücklich sind über die friedliche Revolution in Ägypten, und wir Deutsche und wir Europäer werden auch die Freiheitsbewegungen nicht nur in Ägypten weiter unterstützen. Wir haben auch, was Bahrain angeht, eine klare Sprache gewählt und klar gemacht, dass die Probleme in Bahrain durch einen Dialog in Bahrain auch gelöst werden müssen. Aber natürlich ist jedes Land anders und jede Situation ist auch differenziert zu bewerten. Ich kann nicht darüber berichten, weil diese Beratungen auch vertraulich sind, was im Bundes-Sicherheitsrat in Deutschland entschieden und auch diskutiert worden ist… Ich will nur grundsätzlich etwas zur Lage im Nahen Osten sagen: Wir haben keinen Zweifel daran gelassen, dass für uns die Sache der Menschenrechte nicht verhandelbar ist, aber wir haben stets auch unsere eigenen und die Sicherheitsinteressen unserer Verbündeten in der Region mit zu beachten. Nur so entsteht ein Gesamtbild, was außenpolitisch angemessen ist.
Frage: Sie haben sich im Weltsicherheitsrat enthalten, als es um die Frage ging, ob Soldaten in Libyen eingesetzt werden sollen… Warum sollten die anderen, ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat dafür sein, Sie aufzunehmen als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat?
WESTERWELLE: Wir haben auf einen politischen Prozess gesetzt, als es um die Frage gegangen ist, wie wir auch die Verhältnisse in Libyen verändern können. Man sieht ja, dass immer mehr Länder auch von solchen Ländern, die jetzt in Libyen bei einer militärischen Intervention mitwirken, auf diesen politischen Prozess setzen. Das war aus unserer Sicht die richtige Entscheidung, dass der politische Prozess von uns Deutschen vorangetrieben wird. Wir haben uns entschieden, dass wir nicht … mit eigenen kämpfenden Soldaten in Libyen dabei sein werden. Das haben wir wohl abgewogen, und es war ganz augenscheinlich auch die richtige Entscheidung, auf den politischen Prozess zu setzen, denn es wird in Libyen keine militärische Lösung geben. Es wird eine politische Lösung geben, und Deutschland ist nun wirklich in der Solidarität zum Beispiel in Afghanistan und in anderen Stellen der Welt engagiert.
Frage: Es wurde daran eine neue Form der deutschen Außenpolitik sichtbar, und die sieht man auch derzeit; die Kanzlerin tourt gerade durch Afrika, um Geschäfte zu machen für Deutschland, erwogen werden Panzerverkäufe an Saudi-Arabien… Man hat den Eindruck, die deutsche Außenpolitik ist diesmal mehr wirtschaftsorientiert als sie das bei früheren Regierungen war. Ist das der Fall?
WESTERWELLE: Ja, ich betrachte es auch als eine meiner Aufgaben, dass ein Exportland wie Deutschland in der Welt gut vertreten wird. Ja, es ist auch eine meiner Aufgaben und eines meiner Kernanliegen, dass für deutsche Unternehmen in der Welt die Türen geöffnet werden können. Ich werde morgen (14.07.) weiterreisen nach Kolumbien, dann weitergehen nach Mexiko. Das sind nicht nur Märkte, das sind auch Investitionsstandorte, nicht nur für große deutsche Firmen, sondern auch für den Mittelstand. Wir leben in einer globalisierten Welt, und wenn wir klug sind und unseren Wohlstand zu Hause in Deutschland auch nicht verlieren wollen, dann müssen wir rechtzeitig Partnerschaften und Freundschaften mit den neuen Kraftzentren der Welt begründen. Die Welt ist eben nicht mehr so, wie sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges gewesen ist, sondern die Welt entwickelt eine neue Architektur, eine neue globale Architektur mit neuen Kraftzentren. Deswegen ist eine Konstante meiner Außenpolitik, dass wir die bewährten Freundschaften pflegen, aber dass wir auch in einer Welt des Wandels neue Partnerschaften und Freundschaften begründen. Ausdrücklich auch auf ökonomischem Wege, denn wir haben in unserer eigenen Geschichte erlebt, dass auch durch einen Handel ein Wandel betrieben werden kann, eben zum Beispiel in Richtung Aufklärung und freiheitliche Gesellschaften.

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