„Nur eine einzige Nacht erholsam schlafen“, dieser Wunsch ist gerade bei Rückenschmerzpatienten häufig. Wie sehr sich Schlaf und Schmerz gegenseitig beeinflussen, haben aktuelle Studien gezeigt, die beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim (5.-8.10.2011, Congress Center Rosengarten) vorgestellt werden. So leiden fast 60% der Patienten mit chronischem Rückenschmerz an Schlafstörungen. Selbst gesunde Menschen sind nach einer schlecht geschlafenen Nacht um rund 30% schmerzempfindlicher. Besonders schwierig wird es bei Patienten, die zusätzlich zur Schmerzkrankheit auch Depressionen haben – eine häufige Kombination. Hier bessert Schlafentzug akut die depressiven Symptome, verschlechtert aber den Schmerz.
Schlecht schlafen ist subjektiv
In Deutschland gibt es nur wenig Forschung zu Schmerz und Schlaf, obwohl die klinische Bedeutung von Schlafstörungen beim chronischen Schmerz immer wieder bestätigt wird. Studien zufolge geben fast 60% aller Rückenschmerzpatienten an, unter Einschlafschwierigkeiten, geringerer Schlafdauer, schlechterem Schaf oder Leistungseinbußen am nächsten Tag zu leiden. Erstaunlich: Objektiv gemessen sind weder die Schlafeffizienz noch die Aktivitäten während des Schlafs beeinträchtigt. „Das zeigt, wie wichtig es ist, auch die subjektive Bewertung des Schlafs einzubeziehen“, unterstreicht Prof. Dr. Stefan Lautenbacher (Physiologische Psychologie, Universität Bamberg). Neue Einsichten in den Zusammenhang zwischen Rückenschmerz und Schlaf sowie Ansätze für verbesserte Therapien erwarten die Forscher durch EEG-basierte Schlafanalyse (Polysomnographie) und bildgebende Verfahren wie die funktionelle Kernspintomographie (fMRI).
Schlechte Nacht – mehr Schmerz
Schon gesunde Menschen sind nach gestörtem Schlaf schmerzempfindlicher: Eine US-Studie an mehr als 1.000 Personen mittleren Alters belegte, dass jemand, der weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, Schmerzen am nächsten Tag um 30% schlimmer empfindet. Eine Nacht erholsamen Schlafes genügte, diese Beschwerden weitgehend zu normalisieren. Die komplexe Wirkung von Schlafentzug auf die Verarbeitung von Schmerzreizen lässt sich experimentell nachweisen. So steigert eine Verkürzung des Nachtschlafs auf vier Stunden bei gesunden Probanden die Schmerzempfindlichkeit am frühen Morgen um etwa 30%. Überraschenderweise sind jedoch die für die Schmerzverarbeitung zuständigen Hirnbereiche weniger aktiv. Die Forscher erklären diesen Widerspruch damit, dass nach Schlafentzug der Thalamus mit seiner Funktion als „Tor zum Bewusstsein“ für äußere Reize und somit auch schmerzhafte Reize unempfindlicher ist. Dass der Schmerz dennoch stärker empfunden wird, könnte an einer durch den Schlafmangel fehlerhaft gesteuerten Aufmerksamkeit liegen. Vor allem die Störung der Tiefschlafphasen ist bedeutend – also auch besonders der gestörte Schlaf chronischer Schmerzpatienten.
Schwierig: Depressionen, Schmerz und Schlaf
Depressionen bilden häufig mit Schlafstörungen und chronischem Schmerz eine unselige Trias. Der Schlaf scheint seine Erholungsfunktion verloren zu haben, sodass Schlafentzug sogar das Befinden bessert. Erste Studien haben gezeigt, dass wiederholter Schlafentzug bei schwer depressiven Patienten gut für die Stimmung war, aber die Schmerzempfindlichkeit erhöhte und schmerzhafte Stellen am Körper der Patienten vermehrte. „Für den Schmerz scheint zu gelten, dass auch ein qualitativ schlechter Schlaf, wie bei Depressionen, für das Schmerzsystem noch erholsam wirkt, obwohl er für die Stimmung schon krankmachend ist“, so Prof. Lautenbacher. Die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen, wie fragmentierter und verkürzter Schlaf die Schmerzempfindlichkeit verstärkt, sind noch weitgehend unklar. Zudem ist noch offen, von welcher Qualität Schlaf sein muss, um das Schmerzsystem zu normalisieren bzw. zu stabilisieren. Die Aufklärung dieser Mechanismen ist Gegenstand von Forschungen der kommenden Jahre im Rahmen eines europäischen Forschungsverbundes (Innovative Medicine Initiative IMI).
Kontakt
PD Dr. Walter Magerl, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim, Universität Heidelberg, Ludolf-Krehl-Str. 13-17, 68167 Mannheim.
E-Mail: walter.magerl@medma.uni-heidelberg.de
Prof. Stefan Lautenbacher, Physiologische Psychologie, Universität Bamberg, Markusplatz 3,
96045 Bamberg,
E-Mail: stefan.lautenbacher@uni-bamberg.de
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