RÖSLER-Interview für die „Welt“
Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der „Welt“ (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JAN DAMS:
Frage: Herr Rösler, Sie und ihre Partei, die FDP, gelten als vehemente Gegner einen Transferunion. Wie wollen Sie den Euro retten, da die bisherigen Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichen?
RÖSLER: Wir müssen das Vertrauen der Finanzmärkte in eine stabilitätsorientierte Politik in allen Mitgliedstaaten des Eurogebiets zurückgewinnen: Eine neue Stabilitätskultur, die durch Verfahren und Sanktionen auch glaubwürdig gelebt wird. Mein Vorschlag eines unabhängigen Expertenrats für europäische Stabilität zielt genau in diese Richtung.
Frage: Ein neues Gremium mehr in Europa. Was soll das bringen?
RÖSLER: Wir brauchen mehr unabhängigen Kontrolle, mehr Transparenz und konsequente Krisenvorbeugung. Prävention ist immer besser als Schadensbewältigung. Deshalb fordern wir die Aufnahme einer Schuldenbremse in die nationalen Verfassungen der Euro-Länder. Die bereits vorgesehene Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit in den Euroländern muss zu einem echten Stresstest für Wettbewerbsfähigkeit ausgebaut werden. Und wir wollen automatische Sanktionen gegen jene Länder durchsetzen, die gegen diese unabdingbare Stabilitätskultur im Eurogebiet verstoßen. Der unabhängige Stabilitätsrat soll diesen Forderungen Biss verleihen und die konsequente Umsetzung überwachen. Europa muss wirtschaftlich wettbewerbsfähig sein. Nur dann gewinnen die Märkte das Vertrauen in ein stabiles und wachstumsstarkes Eurogebiet zurück.
Frage: Welches Gremiums soll auf EU-Ebene denn dafür zuständig sein? Die nationalen Regierungen als Schuldensünder taugen dafür ja wohl kaum.
RÖSLER: Es geht in der Tat um eine unabhängige Institution. An der Spitze müssen renommierte, sachkundige Persönlichkeiten stehen, die über Erfahrung und Durchsetzungsfähigkeit verfügen – das schließt Politiker natürlich ausdrücklich nicht aus. Expertise und Unabhängigkeit aber sprechen für sich. Dieses Gremium könnte langfristig in eine Institution münden, die vergleichbar mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ist. Aber: Wir stehen hier erst am Anfang unserer Überlegungen.
Frage: Heißt das, Sie wollen den Euro-Rettungsfonds EFSF und später den ESM zu einer Art Europäische Währungsfonds (EWF) umbauen?
RÖSLER: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das keine Alternative. EFSF und ESM sind derzeit als reine Instrumente der Krisenbewältigung konzipiert. Im Gouverneursrat sind die Finanzminister vertreten, ebenso wie im ECOFIN-Rat der derzeit ja über die Stabilitätskultur wacht. Längerfristig gedacht, kann hier etwas mehr politische Unabhängigkeit helfen.
Frage: Haben Sie Ihren Vorschlag – anders als zuletzt – mit Wolfgang Schäuble abgestimmt?
RÖSLER: Im Ziel sind wir uns in der Bundesregierung einig. Davon aber mal ganz abgesehen. Mir geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften – der deutschen und auch der anderen Länder. Das ist nun einmal meine Aufgabe als Bundeswirtschaftsminister.
Frage: Sie schlagen mit Schuldenbremse und automatischen Sanktionen genau jene Maßnahmen vor, die sich die Bundeskanzlerin in Deauville von Nicolas Sarkozy hat abhandeln lassen. Warum sollten diese Forderungen – vorgetragen jetzt von Ihnen – plötzlich eine Chance haben?
RÖSLER: Europa ist heute ein ganzes Stück weiter in seinem Erkenntnisprozess. Wir haben erkennen müssen, dass immer neue Rettungsschirme allein den Vertrauensverlust der Investoren nicht stoppen konnten. Die Zukunft Europas und damit der Gemeinschaftswährung liegt in einer Stabilitätsunion. Nur damit können wir die Märkte überzeugen.
Frage: Ihre Vorschläge helfen aber allenfalls langfristig. Jetzt in der Krise bringen sie nichts.
RÖSLER: Das sehe ich anders. Sobald man sich auf sie verständigt hat, wird das ein Signal zur Vertrauensbildung sein.
Frage: Eurobonds und Transferunion, wie sie manche ihrer Kollegen in der Bundesregierung längst in Erwägung ziehen, schließen Sie also aus?
RÖSLER: Es ist nicht nur die Position der FDP, sondern der gesamten Regierung, dass wir keinen Eurobonds wollen. Eurobonds führen zu gleichen Zinssätzen in der gesamten Euro-Zone und untergraben damit die Anreize für eine solide Haushalts- und Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten. Deutschland und damit die deutschen Steuerzahler müssten höhere Zinsen zahlen. Das wäre nicht gut für Deutschland und Europa.
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