Religionsgeschichte zum Anfassen: Zu Besuch bei den Mormonen in Nauvoo

Mississippi-Städtchen in Illinois war im 19. Jahrhundert die erste feste Siedlung der Mormonen

Religionsgeschichte zum Anfassen: Zu Besuch bei den Mormonen in Nauvoo

Besucher können Nauvoo am Ufer des Mississippi bequem per Pferdekutsche entdecken.

Das kleine Städtchen Nauvoo mit seinen gut 1.000 Einwohnern gehört zu den interessantesten Höhepunkten einer Reise entlang des Mississippi im US-Bundesstaat Illinois. Denn dort, wo heute zwischen grünen Wiesen und alten Bäumen zahlreiche, original erhaltene historische Gebäude aus dem 19. Jahrhundert stehen, hatte einst eine Glaubensgemeinschaft ihre erste feste Ansiedlung errichtet, die Mormonen. Auf ihrer Flucht vor Verfolgung in anderen Bundesstaaten und auf der Suche nach einem Ort, an dem sie gemeinsam leben und ihren Glauben in Frieden praktizieren konnten, kauften die Anhänger der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ im Jahr 1839 das sumpfige Stück Land am Ufer des Mississippi. Schon die indianische Urbevölkerung hatte dort gelebt und den Landstrich unter anderem Quashquema genannt. Später errichten weiße Trapper und Siedler an der Stelle einen Handelsposten, dem sie erst den Namen Venus und später Commerce gaben. Der bis heute gültige Ortsname Nauvoo geht auf die Mormonen zurück und ist die aus dem Hebräischen entlehnte Bezeichnung für „schöner Ort“.

Die Geschichte der ersten Mormonen in Nauvoo

Unter Führung von Joseph Smith jr., Gründer der Glaubensgemeinschaft und Prophet der Mormonen, legten die neuen Eigentümer das Land trocken und errichteten ihre Stadt. Auf dem Hügel darüber entstand ab 1841 der große Nauvoo Tempel. Joseph Smith arbeitete als Kaufmann und Gastwirt, wurde später auch Bürgermeister von Nauvoo und kandidierte 1844 sogar für das Amt des amerikanischen Präsidenten. Im gleichen Jahr ließ er mit Zustimmung des Stadtrates die Druckerpresse der örtlichen Zeitung Nauvoo Expositor zerstören, nachdem diese in ihrer ersten und einzigen Ausgabe kritisch über Smith und seine religiösen Ansichten berichtet hatte. Nach diesem Angriff auf die Pressefreiheit ließ ihn der Gouverneur von Illinois, Thomas Ford, verhaften und im nahegelegenen Carthage in Untersuchungshaft stecken. Als eine aufgebrachte Meute am 27. Juni 1844 das Gefängnis stürmen und Smith lynchen wollte, versuchte dieser zu fliehen, wurde dabei aber erschossen. Nach seinem Tod übernahm Brigham Young die Führung der Kirche. Es herrschte innerhalb der Gemeinschaft jedoch Uneinigkeit über die künftige Ausrichtung und einige Praktiken wie die Polygamie, weshalb sich in der Folge zahlreiche Gruppen abspalteten. Diese begleiteten Young auch nicht, als er im Februar 1846 mit einigen hundert Gefolgsleuten zum großen „Exodus“ in Richtung Westen aufbrach. Der Treck mündete im Sommer des darauffolgenden Jahres in der Gründung von Salt Lake City. Die überwiegende Mehrheit der rund 20.000 Gläubigen, die in Nauvoo und Umgebung lebten, folgte Young. Die Angehörigen von Joseph Smith jr, darunter sein ältester Sohn, Joseph Smith III., gehörte dagegen zu denen, die in Nauvoo zurückblieben. Unter seiner Führung formierten sich die meisten verbliebenen Splittergruppen zur „Reorganisierten Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ (seit 2001 „Gemeinschaft Christi“).

Viele Attraktionen für Besucher

Wer heute nach Nauvoo kommt, kann viel aus der Zeit der ersten Mormonen-Siedler entdecken. Zu den Höhepunkten gehören das frühere Wohnhaus von Joseph Smith jr., das Wirtshaus, das er einst betrieb, sowie die Gräber der Smith-Familie. Von hoher Bedeutung speziell für die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ ist der „Trail of Hope“, jene Straße, an der die Menschen, die Brigham Young nach Westen folgten, zu tausenden warteten, um den Mississippi zu überqueren. Zudem stehen zahlreiche weitere original erhaltene Häuser den Besuchern offen. Dort erfahren sie viel über Leben und Alltag der Menschen jener Zeit. In manchen Häusern kann man sogar übernachten. Die Handwerkskunst von damals wird im Family Living Center demonstriert. Ein kleines Museum ist die ehemalige Werkstatt des Waffenmachers Jonathan Browning, der unter anderem das „Harmonica Gun“ erfand. Nicht mehr original ist dagegen der Nauvoo Tempel, der prächtig auf dem Hügel über dem Städtchen thront. Bei ihm handelt es sich um den 2006 geweihten Nachbau des Originals, das durch Feuer und Sturm im 19. Jahrhundert zerstört worden war.

Einen guten Überblick zum historischen Nauvoo vermitteln die Besucherzentren sowie kostenlose Fahrten mit Pferde- oder Ochsenkarren. Die Geschichte der Mormonen in Musicalform erzählen die Aufführungen „Rendezvous in Old Nauvoo“ (täglich montags bis samstags in der Cultural Hall) sowie die Historienspiele „Nauvoo Pageant“ und „British Pageant“ im Juli und August unter freiem Himmel. Der Eintritt ist jeweils frei. Zu den Sehenswürdigkeiten Nauvoos ohne direkten Bezug zum Mormonentum gehört Baxter’s Vineyards & Winery, das älteste Weingut von Illinois (Ausschank und Probierstube sind täglich geöffnet).

Weitere Informationen zu Nauvoo gibt es beim Nauvoo Tourism Office ( www.visitnauvoo.com) sowie unter www.GreatRiverRoad-Illinois.org und www.greatriverroad-illinois.de.

Die Great River Road in Illinois präsentiert auf rund 800 Kilometern entlang des Mississippi von East Dubuque bis Cairo faszinierende alte Städte mit viel Charme und eine großartige Natur. Die Strecke gehört zu den großartigen „Scenic Byways“ Amerikas.

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