Recruiting à la regional

Personalexpertin Brigitte Herrmann verrät im Interview, warum und wie Unternehmen die besten Mitarbeiter oft vor der Haustüre finden

Recruiting à la regional

Warum tun sich Ihrer Meinung nach Unternehmen außerhalb des Einzugsgebietes großer Wirtschaftszentren schwer damit, gutes Personal zu bekommen?

Brigitte Herrmann: Seien wir ehrlich, einerseits gibt es die Landflucht der Menschen hin in die großen Ballungsgebiete schon lange. Auch weil Unternehmen in diesen Regionen mit begehrten Standortvorteilen werben. Andererseits gibt es in ländlicheren Regionen oft Werke großer überregionaler Konzerne und gegen diese „Magnete“ kommen besonders mittlere und kleinere Arbeitgeber auf den ersten Blick schwer an. Nun weiß ich aus Personalsuchprojekten aber auch, dass Menschen gerne in ihrer Heimatregion leben und arbeiten, oder nach einer Phase in der Großstadt gerne zurückkehren würden. Viele bevorzugen sogar eine ländlichere Umgebung, wenn es dort interessante Unternehmen gäbe. Und genau hier liegt das Dilemma, denn viele Menschen wissen oftmals gar nicht, welche attraktiven Arbeitgeber sich quasi direkt vor ihrer Haustür befinden. Diese Unternehmen brauchen also neue Recruiting-Konzepte, zumal Bewerber künftig immer begehrter werden und sie oftmals unter mehreren Angeboten auswählen können.

Was machen solche Unternehmen in der Regel falsch bei ihrer Personalsuche?

Brigitte Herrmann: Unternehmen agieren in ihrer Personalsuche und Auswahl allzu häufig noch wir vor 10-20 Jahren und wundern sich dann, wenn sich niemand oder die Falschen bewerben. Da hilft auch die Verbreitung einer Anzeige über bundesweite Stellenbörsen im Internet nicht wirklich weiter. Denn ein großer Suchradius führt nicht automatisch dazu, die „Richtigen“ zu finden. Wird das zum Dauerzustand, resignieren Unternehmen dann oft und verharren in einer Art Opferhaltung, nach dem Motto: „Wir haben ja alles versucht, aber aufs Land will eben niemand.“ Fakt ist aber, dass sie meist gar nicht alle möglichen Register gezogen und vor allem nicht erkannt haben, dass die richtigen Botschaften in der Personalgewinnung erfolgsentscheidend sind.

Welche Strategie wäre für Unternehmen „in der Provinz“ also die schlauere?

Brigitte Herrmann: Im Grunde ist das recht einfach: Erstmal müssen Unternehmen erkennen, dass gute Fach- und Führungskräfte mit Potenzial auch „in der Provinz“ sitzen. Die wahren Right Potentials gibt es nicht nur in den Großstädten und sie haben auch nicht immer unbedingt studiert. Das hat etwas mit der Erwartungshaltung zu tun. Dann müssen die richtigen Botschaften an potentielle Mitarbeiter formuliert werden. Zu Themen wie Unternehmenskultur, Arbeitgeberattraktivität und auch zu den Besonderheiten eines Unternehmens und der Region. Kurzum: es geht um das Entwickeln einer Arbeitgebermarke. Dafür sollte man vorher die Zielgruppe der Wunschbewerber genau unter die Lupe nehmen. Was wollen sie, was brauchen sie und was motiviert sie? Die Unternehmensbotschaften werden dann mit diesen Ergebnissen in Einklang gebracht. Auf genau diesem Weg können Unternehmen auch den starken gemeinsamen Nenner mit „Vor-Ort-Bewerbern“ nutzen, nämlich die regionale Nähe zueinander.

Bleibt die Frage, wie finden Unternehmen diese Top-Kandidaten vor Ort?

Brigitte Herrmann: Wenn ich als Unternehmen idealerweise Fachkräfte in nächster Nähe finden will, sollte ich auch genau die Medien nutzen, die die Menschen in meiner Region am besten erreichen. Also die regionale Presse, ein Radiosender vor Ort oder auch regionales Fernsehen. Genau das sind die Kanäle, mit denen ich auch „heimische“ Interessenten erreiche. Denn eine regionale Tageszeitung wird durch sämtliche Alters- und Zielgruppen hindurch genutzt – sei es in gedruckter Form oder als Internetportal, was wiederum eine größere Reichweite ermöglicht. Meine Idee wäre daher, nicht unbedingt auf eine gewohnte Stellenanzeige zu setzen, sondern in Wort und Bild positive Eindrücke zu vermitteln. Zum Beispiel zusammen mit der Zeitung ein Unternehmensporträt zu realisieren, das klar herausstellt, warum es sich lohnt, dort zu arbeiten. Ganz wichtig ist hierbei, dass darin auch glaubwürdige Statements zufriedener Mitarbeiter enthalten sind, denn das erhöht die Aufmerksamkeit und vor allem die Glaubwürdigkeit. Und gute Presse spricht sich herum. So gelingt es genau die Kandidaten zu finden, die wirklich Lust auf den Job haben, auch wenn er ein wenig ab von Schuss liegt.

Brigitte Herrmann ist Inhaberin des Beratungsunternehmens Inspirocon – Potenzialmanagement im Business. Als selbstständiger Headhunter besetzte sie 15 Jahre branchenübergreifend Spezialisten-, Leitungs- und Topmanagement-Positionen. Mit diesem Erfahrungswissen arbeitet Brigitte Herrmann seit 2004 auch als Management-Beraterin und Business Coach. Brigitte Herrmann gehört als Vortragsrednerin zu den Top 100 Excellence Speakern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im März 2016 erschien ihr neues Buch – Die Auswahl. Wie eine neue starke Recruiting-Kultur den Unternehmenserfolg bestimmt.
Infos zu Büchern und Vorträgen: www.brigitte-herrmann.de

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