Werbebotschaften können so einfach sein: Nur freundlich lächeln. Eines der weltweit erfolgreichsten Spielzeuge, das Playmobil, feiert in der Vorweihnachtszeit große Verkaufserfolge. Seit Generationen ist die Faszination für die Klickys, wie die Figuren auch genannt werden, ungebrochen. Warum das so ist, darüber sprachen wir mit dem Freiburger Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo, der an der Uni ein Seminar anbot, in dessen thematischen Mittelpunkt „Playmobil“ stand.
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Was macht für Sie die Faszination von Playmobil aus?
Sacha Szabo: Ich kann mit einem gewissen Forscherstolz behaupten, dass ich seit dem ersten Playmobil 1974 dabei bin und mich immer noch mit einem wohligen Gefühl an meine Playmobilfiguren zurückerinnere. Das Besondere für mich war, dass Playmobil im wahrsten Sinn des Wortes mobil, wenn man so will sozio-kulturell mobil ist. Mit dem Wechsel der Kopfbedeckung konnte aus meinem Bauarbeiter ein König werden. Phantastisch!
Was ist der Unterschied zwischen Playmobil und anderem Spielzeug, wie etwa Lego?
Sacha Szabo: Playmobil hatte für mich immer schon stärkere anthropomorphe, also menschliche Züge als die meisten anderen Spielsachen. Man denke da etwa an Fischer-Technik, mit dem ich auch gerne spielte. Man konnte also eine Geschichte spielen, in der Figuren vorkamen und da ich eine ganze Kiste voller Figuren hatte, konnte die Geschichte auch entsprechend komplex werden.
Und worin unterscheiden sich Playmos von Puppen oder Plastiksoldaten?
Sacha Szabo: Wenn man die Playmobilfiguren in eine Spielzeug-Ordnung von statisch zu bewegt einreiht, dann befinden sie sich in der Mitte. Die kleinen Spielzeugsoldaten von Airfix etwa verharrten statisch in einer Position und konnten nicht verändert werden, außer man zerstörte sie. Puppen – wobei ich auch sagen kann, dass ich die Einführung der ersten Puppen für Jungs erlebte, den Big Jim – waren hingegen wieder deutlich flexibler, so dass es oft eine Kunst war, solch eine Puppe überhaupt zum Stehen zu bringen. Jetzt, wo wir darüber sprechen, fällt mir auch auf, dass diese Puppen zueinander ziemlich unkompatibel waren. Wohingegen man Playmobil durchaus mit Lego oder Fischertechnik kombinieren konnte.
Können Sie mir einmal eine Figur aus Ihrer Sicht charakterisieren?
Sacha Szabo: Die klassische Playmobilfigur, die sich mir sozusagen metonymisch für meine Kindheit eingeprägt hat, hatte ein freundliches Gesicht, einen eckigen Haarschnitt, schlichte Greifhände und einen ziemlich handschmeichlerischen Körper. Eigentlich ein sehr angenehm anzufassendes Spielzeug.
Könnte man von einer immanenten Kultur des Playmobils sprechen?
Sacha Szabo: Wenn wir einmal von der Weltoffenheit der Spielfigur ausgehen, dann könnte man das Playmobil mit einem Konkurrenzprodukt, den Playbigs, vergleichen. Diese waren – obwohl recht ähnlich – nicht so weltoffen, sie waren deutlich ausdifferenzierter und viel näher an unserer täglich erfahrbaren Wirklichkeit. Auch waren die Play-Bigs wesentlich individueller. Was wir nun sehen, ist etwas Verblüffendes. Das scheinbar unmodernere weil weniger spezialisierte Produkt verdrängt das scheinbar modernere, weil es spezialisierter und individualisierter ist. Vielleicht ein Gleichnis, das als Marketingstrategie das Zusammentreffen des Generalisten Homo sapiens mit dem Spezialisten Homo neanderthalensis nachbildet. Und das erfolgreich!
Was sind denn typische Szenen und was glauben Sie warum?
Sacha Szabo: Die Narration, also die Erzählung, die mit Playmobil möglich ist, ist schon für ein spezifisches Produkt sehr komplex. So kann ein Autounfall passieren, die Polizei kommt, dann der Krankenwagen, man muss an der Baustelle halten und wird ins Krankenhaus gebracht und alles innerhalb eines Spielzeugkosmos. Daher eignen sich Playmobils auch so gut, um Geschichten filmisch oder graphisch zu erzählen.
Wie hat sich Playmobil in Laufe der Zeit aus Ihrer Sicht verändert?
Sacha Szabo: Anfangs war die Kultur des Playmobil, wenn man die Produktdiversifizität ansieht, segmentär. Es gab den Nährstand, Bauern, den Lehrstand also Ärzte und den Wehrstand, Ritter und den König. Später kamen Frauen hinzu und noch später Kinder. Mit dem Playmobil von heute hat dieses von mir verklärte Playmobil nicht mehr viel zu tun. Das heutige Playmobil ist sehr stark ausdifferenziert in Rollen und Muster und hat viel eindeutigere Botschaften, als das Playmobil von damals. Auch ist der Rollentausch innerhalb des Playmobils nicht mehr ohne weiteres möglich. Wenn wir wollen, ist auch das Playmobil in der fortgeschrittenen Moderne angekommen mit seinem hohen Grad an Individualisierung und Spezialisierung.
Warum beschäftigen Sie sich eigentlich mit dieser Figur?
Sacha Szabo: Neben der romantisierenden Verklärung meiner Kindheitstage ist Playmobil für die Soziologie interessant, weil es einerseits Kultur bildlich darstellt und so auch eine Art Indikator für die jeweiligen gesellschaftlichen Trends ist, wobei diese auch durchaus komplementär ausfallen können, weil es vielleicht ein Bedürfnis nach festen Rollen gibt. Spannend ist ebenfalls, wie bestimmte Gesellschaften dargestellt werden, was zeichnet nun einen Bauarbeiter aus. Nimmt man Playmobil, so ist es neben der Schaufel der Bierkasten. Diese Sinndimensionen sind es, die Playmobil für unsere Forschung so spannend machen.
Und wie sieht nun diese Beschäftigung genau aus?
Sacha Szabo: Wir richten unseren Röntgenblick auf die Figur (lacht). Ernsthaft. Wir nutzen ein Verfahren, dass wir Artefakt-zentriert nennen; heißt, wir fragen uns beispielsweise, warum hat eine Playmobilfigur keine Nase. Die Antwort lautet natürlich: aus technischen Gründen. Aber darüber hinaus können wir nun spekulieren, welche Funktion die Nase hat und ob die Nase für Playmobil notwendig ist. Obwohl beim Playmobilskelett eine Nase im Schädel vorhanden ist. Scheinbar kommen Playmobils ohne olfaktorische Skills aus. Das heißt, für ihre Fortpflanzung sind vermutlich keine Pheromone notwendig. Insgesamt fällt sowieso das Fehlen der Geschlechtsorgane auf. Um dies zu klären ließen wir ein Playmobil röntgen. Ernsthaft. Auf dem Röntgenbild ist wohl eine Figur zu erkennen, aber keine identifizierbaren Geschlechtsorgane.
Glauben Sie, dass das Playmobil mehr als ein Spielzeug ist?
Sacha Szabo: Sicher ist Playmobil für meine Generation das Symbol der Kindheit. Daher wundert es, dass es kein Buch gibt mit dem Titel „Generation Playmobil“. Als solches Symbol wirkte es identitätsstiftend und nun sollten wir uns als Kulturwissenschaftler fragen, welche Identität wird denn vermittelt? Dies wollen wir in unseren Forschungen ergründen.
Hat die Playmobilfigur eine Botschaft?
Sacha Szabo: Auffällig ist für mich das Gesicht des Playmobils, das ja sogar mit in das Logo aufgenommen wurde, insofern würde ich die Botschaft mit den Worten der Pinguine aus „Madagascar“ ausdrücken und sagen: „Stur lächeln und winken“.
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Zur Person:
Dr. Sacha Szabo, (geb. 1969) studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und schloss mit dem Magister ab und promovierte anschließend über Vergnügungswelten wie Kirmes und Jahrmärkte. Aus dieser Forschung sind viele Ableger entstanden, wie etwa das aktuell erschienene Buch über den Ballermann. („Ballermann. Das Buch. Phänomen und Marke“). Es sind besonders die Alltagsgegenstände und die Alltagsphänomene die es Szabo angetan haben. So entstanden auch Arbeiten über Spielzeug, Computerspiele oder Filme. Er hatte mehrere Lehraufträge an der Universität Freiburg inne und leitet gegenwärtig das Institut für Theoriekultur, Freiburg, ein loses Netzwerk von Kulturschaffenden. Mit seinem profunden Wissen über Alltagskulturen und deren Sinndimensionen ist er ein gefragter Gesprächspartner für Print, Funk und Fernsehen. (www.sacha-szabo.de)
Publikationen (Auswahl)
„“Sascha Arschloch“ Leben und Werk des Lyrikers Sascha Anderson (2002), „“Fahrchips. Das Spielgeld der Kirmes“ (2006), Rausch und Rummel. Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks. Eine soziologische Kulturgeschichte (2006). Gruß aus dem Luna-Park (2007), Kirmes, Jahrmarkt und Volksfest im Spiegel historischer Postkarten. Ein kulturgeschichtlicher Streifzug (2007), Unterhaltungswissenschaft. Populärkultur im Diskurs der Cultural Studies (2008), Kultur des Vergnügens: Kirmes und Freizeitparks – Schausteller und Fahrgeschäfte. Facetten nicht-alltäglicher Orte (2009), Brand Studies: Marken im Diskurs der Cultural Studies (2009), Vom Kulturpark Berlin zum Spreepark Plänterwald (2011).
Theoriedienstleister/Theorieinstallateur.
Wir werben für eine Wissenschaft von der Unterhaltung, die gleichermaßen unterhält. Unsere Forschungen behandeln Alltagsartefakte und Alltagsphänomene. Im Rahmen unserer Arbeit übernehmen wir auch Aufträge zum Theoriedesign und Theorieconcepting. Dies betrifft die wissenschaftliche Erarbeitung eines Produkts oder einer Dienstleistung bzw. eines Unternehmens. Dazu gehören Publikationen, Workshops und Kongresse. Also das komplette Spektrum einer Theorieinstallation. Allerdings machen wir keine Werbung, sondern lassen uns nur sponsern, um die wissenschaftlich Objektivität unserer Ergebnisse zu gewährleisten. Wer also Werbung will, ist bei uns an der falschen Adresse, wer aber etwas zur UnternehmensKULTUR sucht, der ist bei uns genau richtig. Sie suchen Geist, wir haben ihn!
Institut für Theoriekultur
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