von Ansgar Lange +++ Heidelberg/München, Juni 2011 – Ob es für die Befürworter oder Gegner einer liberalen Glücksspielgesetzgebung einen „goldenen Oktober“ geben wird, muss sich noch zeigen. Jedenfalls soll der neue Glücksspielstaatsvertrag erst im Oktober unterzeichnet werden. Darauf haben sich die Länderchefs geeinigt. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). Die Ministerpräsidenten aller 16 Länder seien sich einig, dass es im Oktober einen „finalen Beschluss“ geben solle. Dies habe auch die schleswig-holsteinische Landesregierung bekräftigt, so der CDU-Politiker gegenüber dem „Handelsblatt“.
Nach Ansicht von Experten ist der Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form, gegen den beispielsweise die christlich-liberale Kieler Koalition erhebliche Bedenken hat, nicht gesetzeskonform. „Wenn man den Vertrag bis zum Oktober zur Unterschriftsreife bringen will, müssen noch etliche Hausaufgaben erledigt werden. Doch es besteht nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein rechtlicher Druck, wenn der neue Vertrag juristisch hieb- und stichfest sein soll. Die Richter des Europäischen Gerichtshofes haben ja mit ihrem Votum vom September 2010 deutlich gemacht, dass es so wie bisher in Deutschland nicht weitergehen kann“, sagt der Gaming Law-Experte Dr. Wulf Hambach von der Kanzlei Hambach & Hambach http://www.timelaw.de in München.
Dass bisher noch keine vernünftige Lösung gefunden wurde, die eine auch für den Staat in puncto Steueraufkommen und Förderung von Kultur und Spitzensport einträgliche Co-Existenz privater und staatlicher Wettanbieter ermöglicht, ist aus seiner Sicht unverständlich. Schließlich habe das EuGH-Urteil ganz klar festgehalten: Der Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form verstößt gegen Europarecht. Hambach weiter: „Dabei liefert der schleswig-holsteinische Gesetzesentwurf sozusagen die schlüsselfertige Lösung für das existierende Problem, dass sich die Politik zu einem erheblichen Teil selbst gemacht hat. Der Gesetzentwurf von Union und FDP in Schleswig-Holstein zeigt, wie man es anders und besser machen kann. Im Sinne der Bekämpfung des Schwarzmarktes, eines optimalen Spielerschutzes und einer entschiedenen Suchtbekämpfung wären eine kontrollierte Liberalisierung des Marktes mit einer Lizenzierung privater Anbieter sicher so eine Art ‚Königsweg‘, um aus der verfahrenen Situation herauszukommen.“
Der Europarechts- und Medienrechtsexperte Professor Dr. Bernd Grzesnick http://www.jura-hd.de/grzeszick von der Universität Heidelberg stößt ins gleiche Horn. Der aktuelle Gesetzesentwurf für die Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland entspreche nicht den Anforderungen des europäischen Rechts und gerate darüber hinaus in Konflikt mit der deutschen Verfassung, zitiert „Heise Online“ den Experten, der unter anderem als ehrenamtlicher Rechtsberater des Menschenrechtsbüros der Stadt Nürnberg tätig ist. In seinem Gutachten kommt der Direktor des Instituts für Staatsrecht und Verwaltungslehre der Uni Heidelberg zu dem Ergebnis, dass der Entwurf „verfassungsrechtlich bedenklich“ sei. Der Glücksspielstaatsvertrag in der jetzigen Form sei mit der Berufsfreiheit privater Anbieter (Art. 12 GG) nicht zu vereinbaren. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines solchen Eingriffs sei zweifelhaft, da die Regelung angesichts der restriktiven Lizenzierung nicht geeignet sei, den Schwarzmarkt einzudämmen.
„Es wäre blamabel, wenn auch ein erneuter Anlauf scheitern würde, die Rechtsprechung in diesem Sektor auf eine solide Basis zu stellen. Die Politik ist also gut beraten, die Zeit bis zum Oktober noch einmal intensiv zu nutzen, um sich unter anderem mit den bestehenden Bedenken renommierter Rechtsexperten gegen den Glücksspielstaatsvertrag auseinanderzusetzen. Nachbessern wäre in diesem Fall kein Gesichtsverlust, sondern die beste Gewähr dafür, dass man nicht wieder beim EuGH eine peinliche Schlappe einfährt“, so Hambach.
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