MVZ-Gründung bald erst ab drei vollen Versorgungsauftragen möglich?

Rechtsgutachten über die gesetzliche Ausgestaltung der MVZ – Regelungen

Das Bundesgesundheitsministerium hat im Februar 2020 ein Gutachten zur Bestandsaufnahme der rechtlichen Rahmenbedingungen für MVZ und eine Untersuchung auf Verbesserungsmöglichkeiten in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten wurde im November 2020 durch die Professoren Andreas Ladurner, Ute Walter und Beate Jochimsen vorgelegt.

Das Gutachten kommt zu dem grundsätzlichen Ergebnis, dass der regulatorische Rahmen für MVZ sachgerecht ausgestaltet ist. In Einzelpunkten wird jedoch Verbesserungsbedarf gesehen, u. a. bei den Gründungsvoraussetzungen eines MVZ:

„Aus den mittlerweile eher feinen, punktuellen Unterschieden zwischen den Leistungserbringertypen folgt eine gewisse Konturlosigkeit. Insbesondere hat das MVZ nach Wegfall der Zulassungsvoraussetzung der Fachübergreiflichkeit ein bedeutsames Unterscheidungsmerkmal verloren, während sich zugleich die BAG in ihren rechtlichen Möglichkeiten immer mehr dem MVZ annähert. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, das Profil des Leistungserbringertyps MVZ zu schärfen.“

Seit der Einführung der MVZ war nie explizit geregelt, wie viele Versorgungsaufträge vorhanden sein müssen, damit die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Bisher verlangt der überwiegende Teil der Zulassungsausschüsse für die Zulassung eines MVZ, dass mindestens zwei tätige Ärzte mit je hälftigem Versorgungsauftrag ein MVZ gründen können.

Dass eine solche Mini-Einrichtung den Begriff „Zentrum“ nutzen darf, wird von den Gutachtern zu Recht als vom „Gesetzgeber gebilligte Verbrauchertäuschung“ kritisiert. Nun wird von den Gutachtern die Einführung einer Mindestgröße von drei Versorgungsaufträgen vorgeschlagen, um eine „stärkere Konturierung des Leistungserbringertyps MVZ durch Einführung einer Mindestgröße“ zu ermöglichen. In schlecht versorgten Gebieten soll die vorgeschlagene Mindestgrenze auf zwei volle Versorgungsaufträge abgesenkt werden.

Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass die Einführung einer Mindestgröße von drei Versorgungsaufträgen auch zu keinen Marktverwerfungen führen werde: „Im Jahr 2018 machten MVZ mit zwei Ärzten oder weniger nur 22 % aller MVZ aus. Die restlichen 78 % der zugelassenen MVZ erfüllen schon heute die Anforderung der vorgeschlagenen Mindestgröße.“

Die Gutachter empfehlen deshalb eine ergänzende Konkretisierung des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V:
„Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, die über mindestens drei volle Versorgungsaufträge verfügen und in denen Ärzte, die in das Arztregister (…) eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind; in Gebieten, in denen nach Feststellung der Landesausschüsse für Ärzte und Krankenkassen eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder droht (§ 100 Absatz 1 Satz 1) oder in denen ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf besteht (§ 100 Absatz 3), sind zwei volle Versorgungsaufträge ausreichend. …“

Für bereits bestehende, kleinere MVZ wird die Einführung eines Bestandsschutzes vorgeschlagen.

Anstellung im MVZ nach Verzicht, sogenannte „Dreijahresfrist“ des Bundessozialgerichts (Urteil vom 04.05.2016, Az. B 6 KA 21/15R) soll geändert werden:
Die Gutachten empfehlen weiter hinsichtlich der Einbringung von Zulassungen in ein MVZ, dass die Mindesttätigkeitsdauer von drei Jahren bei einem Verzicht zugunsten der Anstellung auf lediglich ein Jahr reduziert wird. Ein Arzt, der zugunsten einer Anstellung auf seinen Sitz verzichtet, muss in der Regel bisher drei Jahre lang angestellt bleiben, bevor ein Recht auf Nachbesetzung entsteht.

Stärkung des ärztlichen Leiters:
Die Position des ärztlichen Leisters soll nach den Empfehlungen der Gutachter gestärkt werden. So soll zum Beispiel die Abberufung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich sein. Bei Streitigkeiten über das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird empfohlen, dass der Zulassungsausschuss über die Wirksamkeit der Abberufung entscheidet.

Praxishinweis: Es wird abzuwarten sein, welche Empfehlungen der Gutachter vom Gesetzgeber tatsächlich umgesetzt werden. MVZ-Träger, die die Gründung eines MVZ mit weniger als drei vollen Versorgungsaufträgen planen, sollten die MVZ-Gründung zeitnah umsetzen.

Katharina Lieben-Obholzer, Rechtsanwältin bei KMW
www.medizinrecht-aerzte.com

KMW | LIEBEN-OBHOLZER, Kanzlei für Medizin und Wirtschaft ist ein branchenfokussiertes bundesweit tätiges Beratungsunternehmen für Recht und Strategie im Gesundheitswesen. Wir vereinen Rechtsberatung und Unternehmensberatung zum Vorteil unserer Mandanten. Weitere Infos unter www.medizinrecht-aerzte.com

Impressum: http://www.medizinrecht-aerzte.com/impressum/

Kontakt
KMW | Lieben-Obholzer
Katharina Lieben-Obholzer
Kurfürstendamm 216
10719 Berlin
030/23540500
info@medizinrecht-aerzte.com
http://www.medizinrecht-aerzte.com

Die Bildrechte liegen bei dem Verfasser der Mitteilung.