Zwei offizielle Verhandlungsrunden und zahlreiche Zugeständnisse waren von Nöten, bis der Vermittlungsausschuss dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) Mitte Februar zustimmte. Der umstrittene Paragraph 17 zur „gewerblichen Sammlung“ sorgte bis zuletzt für viele Diskussionen. Erste Reaktionen aus der Wirtschaft zeugen von teils heftiger Kritik an einem Gesetz, das vom Bundesumweltministerium Norbert Röttgen als „neues Kapitel in der deutschen Abfallwirtschaft“ bezeichnet wurde. Im Folgenden erläutern der renommierte Abfallrechtsexperte Dr. Markus W. Pauly die wichtigsten Neuerungen des Gesetzes und wirft einen analytischen Blick auf die jüngsten Änderungen. Was bringt das neue Gesetz genau? Für wen gilt es? Und was muss ich als Betrieb der Kreislaufwirtschaft beachten?
Zweck, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
Das neue Gesetz hat den Zweck, „die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen“ (KrWG § 1). Dementsprechend erstreckt sich der Geltungsbereich auf die Vermeidung, die Verwertung und die Beseitigung von Abfällen sowie die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung. Daneben enthält das Gesetz zahlreiche, so genannte Anwendungsausschlüsse, wie etwa die Abgrenzung zum Wasserrecht, zum Atomrecht und zum Strahlenschutzvorsorgerecht. Von praktischer Bedeutung ist aber die der europäischen Rechtsprechung geschuldete Klarstellung, dass das Gesetz nicht für Böden gilt, einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude. Diese Klarstellung ist notwendig, da der Abfallbegriff nicht mehr über das Begriffsmerkmal „bewegliche Sachen“ definiert wird, sondern über das Merkmal „Stoffe und Gegenstände“. Zudem enthält das Gesetz Anwendungsausschlüsse für nicht kontaminierte Böden sowie Sedimente aus der Bewirtschaftung von Gewässern.
In beinahe 30 Absätzen definiert das Gesetz zudem zum Teil neue Begriffe, die der Abfallrahmenrichtlinie entnommen wurden. Abgesehen von der bereits erwähnten Modifikation, soll sich an der allgemeinen Abfalldefinition nichts Wesentliches ändern. Gegenüber der Vorgängerregelung werden die Begriffsbestimmungen jedoch um personale Definitionen, wie Sammler, Beförderer, Händler und Makler und um Begriffsbestimmungen zu verschiedenen Entsorgungshandlungen, beispielsweise der Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling, erweitert. Erstmals findet sich auch eine Legaldefinition des Begriffs Kreislaufwirtschaft.
Überlassungspflichten
Die grundsätzliche Systematik der Überlassungspflichten bleibt bestehen. Hervorzuheben ist, dass – insoweit unverändert – die Überlassungspflicht bei Abfällen aus privaten Haushaltungen auf alle verwertbaren und nicht verwertbaren Abfälle erstreckt wird, soweit die privaten Haushaltungen „zu einer Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung genutzten Grundstücken auch unter Einschaltung Dritter nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen“. Mit der zuletzt zitierten Neuformulierung sind etwa Verwertungsvorgänge im Rahmen der privaten Bioabfallkompostierung gemeint.
Neu geregelt ist die Anzeigepflicht für gemeinnützige und gewerbliche Sammlungen drei Monate vor Aufnahme der beabsichtigten Tätigkeit. Bestehende derartige Sammlungen sind drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes (nachträglich) anzuzeigen.
Die wesentliche Neuregelung im Rahmen der Überlassungspflichten besteht jedoch in der bis zuletzt im Vermittlungsausschuss umstrittenen Regelung der Frage, wann überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung entgegenstehen und die gewerbliche Sammlung vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterbunden werden kann.
Die bisherige Praxis war und ist bis zum endgültigen Inkrafttreten des neuen Gesetzes geprägt von der restriktiven Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen zum Sammlungsbegriff und zum anderen dazu, dass bereits dann überwiegende öffentliche Interessen geltend gemacht werden können, wenn die Sammlung nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich zieht. Insoweit waren bisher die jeweiligen Einzelfallumstände entscheidend.
In Zukunft soll für die Begründung überwiegender öffentlicher Interessen entscheidend sein, ob die gewerbliche Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung „auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen“ die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet. Sodann wird die Gefährdung näher dahingehend definiert, dass eine solche vorliegt, wenn die Erfüllung der Entsorgungspflichten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen durch die gewerbliche Sammlung verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Eine solche wesentliche Beeinträchtigung wiederum soll insbesondere dann anzunehmen sein, wenn durch die gewerbliche Sammlung
1. Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt,
2. die Stabilität der Gebühren gefährdet wird oder
3. die diskriminierungsfreie und transparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im Wettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen wird.
Nach der zuletzt im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromissformel sollen die vorzitierten Nummern 1 und 2 jedoch nicht gelten, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geplante Leistung. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit sind sowohl die in Bezug auf die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu beurteilenden Kriterien der Qualität und der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Erfassung und Verwertung der Abfälle, als auch die aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilende gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit der Leistung zu Grunde zu legen. Dazu wird weiter klargestellt, dass Leistungen, die über die unmittelbare Sammel- und Verwertungsleistung hinaus gehen, insbesondere Entgeltzahlungen, bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen sind.
Unabhängig davon, dass unter Zugrundelegung der Neuregelung gewerbliche Sammlungen offenbar weitergehenden Restriktionen unterliegen als nach bisherigem Recht, sind Rechtsstreitigkeiten zu den in Rede stehenden Abgrenzungsfragen allein schon wegen der Vielzahl der zur Anwendung kommenden unbestimmten Rechtsbegriffe vorprogrammiert. Juristisch empfehlenswert erscheint aber, abschlägige Entscheidungen der zuständigen Behörden auf Anträge zur Gestattung von gewerblichen Sammlungen einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen.
Vor dem Hintergrund der Neuregelung der gewerblichen Sammlung dürfte künftig zudem die sogenannte gemeinnützige Sammlung an Bedeutung gewinnen. Dies zum einen, weil die gemeinnützige Sammlung – wie bisher – deutlich geringeren Anforderungen unterliegt als die künftige gewerbliche Sammlung. Zum anderen, weil der Gesetzgeber nunmehr eine Definition der gemeinnützigen Sammlung in das Gesetz aufgenommen hat, die verschiedene in der Vergangenheit heftig umstrittene rechtliche Fragestellungen beseitigt. Insbesondere stellt der Gesetzgeber klar, dass einer gemeinnützigen Sammlung nicht entgegensteht, wenn ein gewerblicher Sammler mit der operativen Leistung beauftragt wird und dieser im Rahmen seiner Tätigkeit einen angemessenen Gewinn erwirtschaftet. Hier bietet sich die Chance, unternehmerischen Anspruch und soziale Verantwortung wirkungsvoll zu vereinen.
Auch das Thema Wertstofftonne war in weiten Teilen bereits konsensual beschlossen. Die im KrWG enthaltene Ermächtigungsgrundlage für eine Verordnung, gibt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, ein System der einheitlichen Wertstoffsammlung zu erlassen.
Anzeige- und Erlaubnispflichten für Sammler, Beförderer, Händler und Makler
Nach dem neuen KrWG unterliegen zukünftig Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen einer Anzeigepflicht.
Für die abfallwirtschaftliche Praxis bedeutet die komplexe Regelung einerseits insoweit eine Verschärfung, als für Sammler und Beförderer von nicht gefährlichen Abfällen zur Verwertung, beispielsweise von gemischten Bau- und Abbruchabfällen, eine Anzeigepflicht besteht. Andererseits führt die neue Regelung zu einer vermeintlichen Erleichterung für Sammler und Beförderer von nicht gefährlichen Abfällen zur Beseitigung, da diese keiner Transportgenehmigung mehr bedürfen, sondern eine Anzeige bei der zuständigen Behörde genügt.
Wichtig erscheint noch die Regelung, dass grundsätzlich alle Fahrzeuge, die auf öffentlichen Straßen Abfälle transportieren, mit dem „A-Schild“ auch als Abfalltransporte zu kennzeichnen sind. Eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht besteht allerdings für Sammler und Beförderer, die im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen Abfälle sammeln oder befördern. Darunter fallen Sammlungen, die aus Anlass einer anderweitigen gewerblichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit, die nicht auf die Sammlung bzw. Beförderung von Abfällen gerichtet ist, erfolgen (z. B. Dienstleister oder Handwerker, welche die im Rahmen ihrer Leistungen anfallenden eigenen Abfälle befördern).
Fünfstufige Abfallhierarchie
In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben wird mit dem neuen Gesetz eine fünfstufige Abfallhierarchie verankert. Danach stehen Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft, Abfallbeseitigung und der sonstigen Abfallbewirtschaftung grundsätzlich in der Rangfolge (1) Vermeidung, (2) Vorbereitung zur Wiederverwendung, (3) Recycling, (4) sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Bergversatz, und (5) Beseitigung.
Praktische Relevanz enthalten die Bestimmungen zur fünfstufigen Abfallhierarchie sowie der diesbezüglichen Definitionen künftig in verschiedenen Bereichen. Durch die Statuierung des sog. Energieeffizienzkriteriums in Anlage 2 Buchstabe R1 zum KrWG gibt es nunmehr eindeutige, technisch belastbare Vorgaben zur Einstufung von Abfallverbrennungsmaßnahmen als Verwertungs- oder Beseitigungshandlung bei der Entsorgung von Siedlungsabfällen. Bislang war diese Einstufung in der Praxis oftmals umstritten (etwa im Bereich der Verwertung von Krankenhausabfällen). Diverse öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger haben die thermische Verwertung von Gewerbeabfällen in Frage gestellt, um eigentlich verwertbare Gewerbeabfälle in der Andienungspflicht zu halten. Mit dem Energieeffizienzkriterium ist es nun jeder Anlage möglich, ihren sog. „Verwerterstatus“ zu prüfen und ggf. zu belegen.
Allerdings ergibt sich künftig, wie bereits dargestellt, aus der fünfstufigen Hierarchie nunmehr ein genereller Vorrang des Recyclings vor sonstigen, auch thermischen Verwertungsmaßnahmen. In der Verwaltungspraxis wird sich herauszustellen haben, ob diese Neuregelung künftig weitreichende Auswirkungen auf die bislang gelebte Praxis zeigen. Insoweit wird dem sog. Heizwertkriterium eine Renaissance zuteil. Hatte dieses im Lichte der europäischen Rechtsprechung an Bedeutung verloren, so hievt der Gesetzgeber es erneut – wohlgemerkt ohne vertiefte technische und rechtliche Begründung – auf die Bühne des deutschen Abfallrechts: Im Rahmen der Rangfolge der einzelnen Verwertungsmaßnahmen erhält der Gesetzgeber die Möglichkeit, Ausnahmen von der fünfstufigen Hierarchie festzulegen. Soweit derartige Ausnahmen nicht in Verordnungen festgelegt sind, will der Gesetzgeber Abfällen mit einem Heizwert von 11.000 kJ/kg einen gesetzlich vermuteten Gleichrang zwischen der stofflichen und der energetischen Verwertung zubilligen. Folge dieses Gleichrangs ist, dass der Abfallerzeuger und -besitzer ein Wahlrecht hinsichtlich der Verwertungsart hat.
Vor dem so dargestellten Hintergrund bietet es sich an, die bestehenden Verwertungswege bis zum Inkrafttreten der Novelle auf die neuen Gegebenheiten hin zu prüfen. Hierbei mag es sich auch lohnen, einen Blick auf den Heizwert eines Abfalls zu werfen, da sich hieraus ggf. ein Anpassungsbedarf ergibt oder aber sich sogar Optimierungsmöglichkeiten bieten.
In der Praxis werden die zahlreichen Abweichungsmöglichkeiten von der fünfstufigen Abfallhierarchie wohl dazu führen, dass diese im Einzelfall weitgehend abgeändert werden kann. Die Vollzugspraxis wird es voraussichtlich nicht leicht haben, die Hierarchie durchzusetzen.
Ergebnis, Ausblick und Wertstoffgesetz
Mit dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz kommt ein in weiten Teilen neu gefasstes Abfallrecht auf die Adressaten dieses Gesetzes zu. Dabei ist festzustellen, dass die europarechtlichen Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie zwar weitgehend eins zu eins umgesetzt werden, jedoch der deutsche Gesetzgeber zahlreiche ergänzende, teilweise darüber hinausgehende, Regelungen vorgenommen hat, die nicht europarechtlich motiviert sind. Dies sind insbesondere die Neuregelungen in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung, der Wertstofftonne aber auch dem Entsorgungsfachbetrieb.
Es ist daher zu befürchten, dass in vielen Fällen eine juristische Klärung unausweichlich scheint, um die teils unklaren Rechtsbegriffe zu interpretieren und allen Akteuren entsprechende Rechtssicherheit zu gewährleisten.
BDE und BVSE streben eine juristische Klärung auf europäischer Ebene an und haben jeweils eigene Gutachten in Auftrag gegeben, die den Verstoß gegen Europarecht belegen sollen.
Dass sich auch die Bundesregierung ob ihrer getroffenen Entscheidung noch unsicher wähnt wird deutlich, wenn man sich die zum KrWG abgegebene Protokollerklärung betrachtet. Danach will die Bundesregierung „binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieser Regelung prüfen, ob diese Zielstellung erreicht worden ist“.
Von Dr. Markus W. Pauly
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