Düsseldorf, 18. April – Jeden Tag vollbringen Service-Unternehmen eine gute Tat. Es sind die Helden unseres Alltagslebens: Champions, Dienstleistungsakrobaten, weltweit führende Glücksbringer und Kundenversteher. Abgesichert und bewiesen durch Umfragen, Ranglisten, Awards, Studien und sonstigen Selbstbeweihräucherungen, berichtet der Düsseldorfer Fachdienst Service Insiders http://bit.ly/hEmwZj. Je länger man an diese selbstreferentiellen Jubelarien glaubt, desto mehr hält man diese Zahlenspiele für die Realität: „Bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt, er ist der König, der Umworbene, der wahre Boss und wir sind seine Untertanen“. Klar. Solche Kalenderweisheiten passen in jedes Unternehmensleitbild. Es wäre ja auch eine gewaltige Überraschung, wenn Firmen das Gegenteil anstreben würden. Dumm nur, dass es der Verbraucher manchmal gar nicht merkt, welche Exzellenz sich in der deutschen Wirtschaft tummelt.
Was soll er denn auch sagen, wenn er von Meinungsforschern folgende Frage gestellt bekommt: „Denken Sie doch bitte jetzt an die Mülltrennung in Deutschland. Sind Sie der Auffassung, dass die Mülltrennung in Deutschland im Prinzip eine gute Sache ist oder eher nicht?“ Da kommt man direkt zu fantastischen Ergebnissen, um in irgendwelchen Kundenbarometern auf Platz 1 der Serivce-Hitliste zu landen. Dass rund zwei Drittel der fein säuberlich getrennten und „restentleerten“ Kunststoffverpackungen in der Hitze des Hochofens enden, ist zwar ein Akt der Volksverdummung. „Grundsätzlich“ ist das aber kein Einwand gegen das Müll-Monopoly zur ökologischen Gewissensberuhigung.
Warum fragen mich die Marktforscher nicht, ob ich prinzipiell an jedem Wochenende sechs Richtige im Lotto gewinnen will? Das Antwortverhalten dürfte auf einem ähnlich hohen Niveau rangieren. Oder wenn Frau Merkel über das Bundespresseamt herausfinden möchte, ob die Wähler die repräsentative Demokratie im Großen und Ganzen für eine gute Sache halten. Schon klar. Warum sollte das nicht gut sein. Das Regierungshandeln ist zwar grottenschlecht, aber die Väter des Grundgesetzes haben uns schon eine hübsche Regierungsform beschert.
Ähnliches wird uns von Anbietern des Hotline-Irrsinns suggeriert: FRAU MÜLLER FREUTE SICH SCHON BEIM INS-BETT-GEHEN DARAUF, AM NÄCHSTEN MORGEN IHREN MOBILFUNK-PROVIDER ANZURUFEN!
So könnte man die These auf die Spitze treiben, wenn Experten der Call Center-Branche behaupten, Kunden würden den persönlichen Kontakt mit Agenten an der Hotline bevorzugen. Danach ist aber bei der zitierten Umfrage gar nicht gefragt worden. Gefragt wurde lediglich, mit welchem Medium man in der Vergangenheit mit einem Unternehmen kommuniziert habe. Als Verbraucher bleibt einem häufig gar nichts anderes übrig, als die Hotline anzurufen und in der Warteschleife zu schmoren.
Den meisten Kunden sind doch die auswechselbaren Hotline-Mitarbeiter völlig wurscht. Die Telefonate verlaufen in der Regel nach dem Alzheimer-Prinzip. Egal, wie häufig ich bereits zu einem Servicefall angerufen habe – nehmen wir mal an, meine DSL-Leitung ist platt – kann ich das jedem „persönlichen Telefonpartner“ immer wieder neu schildern. Die erinnern sich an gar nichts – auf der Call Center World laufen diese Dienstleistungen dann hochtrabend unter dem Schlagwort „Multi-Channel-Management“.
Generell scheint man heutzutage der Erforschung von geeigneten Umfragemethoden nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie früher. Wie lässt sich sonst erklären, dass Prinzipien, die die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann vor über fünfzig Jahren formuliert hat, entweder nicht mehr angewendet oder schlichtweg missachtet werden. Viele Umfragen sind mit Fragen überfrachtet und drangsalieren den Interviewten mit monotonem Abfragen, was nicht selten Missmut hervorruft. Der Befragte, der im Mittelpunkt jedes Interviews stehen sollte, wird auf einen Datenlieferanten reduziert, oft mit nicht einschätzbaren Auswirkungen auf die Validität – die Gültigkeit der Ergebnisse.
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