Hintergrund zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs von „gebrauchter“ Software

Wie bereits mitgeteilt, hat der Bundesgerichtshof Anfang Februar dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Vertriebs „gebrauchter“ Softwarelizenzen vorgelegt. Doch was ist eigentlich der Hintergrund dieses Verfahrens, das viel Aufmerksamkeit erregt hat und auf dessen endgültige Entscheidung viele Softwarehersteller und Softwarehändler schon lange warten?

I. Der Sachverhalt des Rechtsstreits
Die Klägerin entwickelt Computersoftware, die sie ganz überwiegend in der Weise vertreibt, dass die Kunden keinen Datenträger erhalten, sondern die Software von der Internetseite der Klägerin auf ihren Computer herunterladen. In den Lizenzverträgen der Klägerin ist bestimmt, dass das Nutzungsrecht, das die Klägerin ihren Kunden an den Computerprogrammen einräumt, nicht abtretbar ist.
Die Beklagte handelt mit „gebrauchten“ Softwarelizenzen. Im Oktober 2005 bot sie „bereits benutzte“ Lizenzen für Programme der Klägerin an. Dabei verwies sie auf ein Notartestat, in dem auf eine Bestätigung des ursprünglichen Lizenznehmers verwiesen wird, wonach er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen gewesen sei, diese nicht mehr benutze und den Kaufpreis vollständig bezahlt habe. Kunden der Beklagten laden nach dem Erwerb einer „gebrauchten“ Lizenz die entsprechende Software von der Internetseite der Klägerin auf einen Datenträger herunter.

(Auszug aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 021/2011 vom 03.02.2011

II. Rechtslage nach den bisherigen Entscheidungen der Instanzgerichte
Die Instanzgerichte (LG München I – 7 O 7061/06 und OLG München – 6 U 2759/07) urteilten jeweils zu Gunsten der Klägerin, die von der Beklagten verlangte, es zu unterlassen, ihre Kunden zu veranlassen, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen. Denn darin liege eine Vervielfältigung, die nach dem Urheberrecht nicht gestattet sei.

Im Detail geht es um zwei zentrale Punkte:

Tritt bei Online-Überlassung eines Computerprogramms die Erschöpfungswirkung ein?
Tritt im Falle einer Erschöpfung diese nur hinsichtlich des Verbreitungsrechts an dem Computerprogramm ein, oder auch hinsichtlich des Vervielfältigungsrechts?
VI. Die rechtliche Erläuterung im Einzelnen
1. Was ist Erschöpfung?
Da dem Rechtsinhaber (Urheber) eines Werks das Verbreitungsrecht grundsätzlich alleine zusteht, kann er mit seinem Abnehmer (in der Regel ein Händler, der an Endkunden weiterverkauft) vereinbaren, dass dieser Exemplare des Werk nur in einer bestimmten Art und Weise (beschränkt) verkaufen darf. Dieses Recht steht dem Rechtsinhaber aber nur in diesem Verhältnis zu. Hat der Abnehmer ein Werkexemplar entsprechend diesen Vorgaben an einen Endkunden verkauft, so hat sich das dem Rechtsinhaber zustehende Verbreitungsrecht erschöpft, einfach ausgedrückt: „verbraucht“. Somit kann der Rechtsinhaber dem Endkunden nicht verbieten, das Werkexemplar weiterzuverkaufen oder den Verkauf in irgendeiner Weise zu beschränken.

Für Computerprogramme wird dies in § 69c Nr.3 UrhG geregelt:

?? 69c Zustimmungsbedürftige Handlungen
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: (…)
3. jede Form der Verbreitung des Originals eines Computerprogramms oder von Vervielfältigungsstücken, einschließlich der Vermietung. Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts; (…)

2. Gilt Erschöpfung nur für das Verbreitungsrecht oder auch für das Vervielfältigungsrecht?
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass sich nur das Verbreitungsrecht, nicht aber das Vervielfältigungsrecht erschöpft, da vom Wortlaut in § 69c Nr.3 Satz 2 UrhG nur das Verbreitungsrecht erfasst ist.
Diese Ansicht wird jedoch kritisiert. Die Vertreter der Gegenmeinung argumentieren, dass so der Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes nicht erreicht wird. Denn durch den Erschöpfungsgrundsatz solle gewährleistet werden, dass die in den Verkehr eingebrachten Werke (Waren), frei zirkulieren können. Die Warenverkehrsfreiheit solle geschützt werden. So habe der BGH in seiner OEM Entscheidung auch über das Vervielfältigungsrecht entschieden, da nur dadurch die Verkehrsfähigkeit von Vervielfältigungstücken gesichert sei

3. Gilt der Erschöpfungsgrundsatz auch bei der Online-Überlassung eines Computerprogramms?
Weiterhin stellt sich die Frage, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch gilt, wenn die Software nicht verkörpert auf einem Datenträger wie z.B. einer CD-Rom, sondern online (unkörperlich) übertragen wird. Da hier ein körperliches Werkstück fehlt, kann § 69c Nr.1 UrhG nicht gelten. Wendet man für die Online-Überlassung § 69c Nr.4 UrhG an, so fehlt es in der Nr.4 an der Normierung des Erschöpfungsgrundsatzes.

III. Welche Fragen legt der BGH vor?
Es könnte im vorliegenden Fall angenommen werden, dass der Kunde berechtigter Erwerber des Computerprogramms geworden ist. Damit könnte er sich auf § 69d Absatz 1 UrhG berufen, der dem berechtigen Erwerber die Vervielfältigung des Computerprogramms auch ohne Zustimmung des Rechtsinhabers (Herstellers) erlaubt, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogrammes notwendig ist.

Es stellt sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine „gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, als „rechtmäßiger Erwerber“ des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist. In diesem Zusammenhang kann sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden ist.

(Auszug aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 021/2011 vom 03.02.2011

V. Ergebnis bleibt abzuwarten
Wie der EuGH entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese beiden Punkte nun endgültig geklärt werden, so dass endlich für Softwarehersteller, Softwareverkäufer und Softwarekäufer Rechtssicherheit eintritt.

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