Von Ansgar Lange +++ Frankfurt/München, Februar 2011 – Dem Glücksspielmarkt im Internet werden „phantastische Wachstumsraten“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) prognostiziert. Nach Schätzungen der Marktforscher von Pricewaterhouse Coopers http://www.pwc.de soll der Jahresumsatz der Branche im Jahr 2015 bereits an 200 Milliarden Euro heranreichen. In Deutschland ist Online-Glücksspiel allerdings verboten. Diese Regelung steht jedoch auf tönernen Füßen, weil der Europäische Gerichtshof in Luxemburg staatliche Monopole bei Sportwetten beanstandet hat. Daher wollen die 15 Bundesländer, die dem Glücksspielstaatsvertrag beigetreten sind, 20 Lizenzen für Sportwetten vergeben. Dabei darf dann auch online gewettet werden, wobei Poker und Roulette im Internet verboten bleiben. Schleswig-Holstein geht in dieser Frage einen „Sonderweg“ und hat ein eigenes Gesetz vorgelegt, das in der Branche zuletzt bei einer Veranstaltung in Norderstedt auf reges Interesse gestoßen ist http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/gluecksspiel169.html. Auf dem Kongress im Kreis Segeberg hatten sich Mitte Januar dieses Jahres rund 200 Vertreter von Wettanbietern aus ganz Europa über die neuen Marktchancen im nördlichsten Bundesland informiert. Matthias Dahms, Managing Director der Jaxx AG, hatte auf der Veranstaltung „vom frischen Wind aus dem Norden“ gesprochen, der „klare Gedanken“ mache. Damit sprach er einer Branche aus der Seele, die zuversichtlich ist, dass über das schleswig-holsteinische Modell das monopolistische System der übrigen Länder, die noch auf das Bremspedal drücken, aushebeln kann.
Die von CDU und FDP geführte Landesregierung in Kiel hat bei der ganzen Angelegenheit vor allem das fiskalische Wohl des kleinen Bundeslandes im Auge. Schwarz-Gelb erwartet jährliche Umsätze der Anbieter in Höhe von 200 Millionen Euro. Die Staatskasse dürfte zwischen 35 und 40 Millionen Euro von diesem Kuchen abbekommen. „Der Online-Markt macht gegenwärtig mindestens zehn Prozent des gesamten Marktes von Glücks- und Geschicklichkeitsspielen aus“, bestätigen die Professoren Reiner Clement und Franz Peren vom Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten http://www.forschung-gluecksspiel.de in Sankt Augustin bei Bonn. „Fürs Pokern im Netz geben die deutschen Spieler ihren Schätzungen zufolge knapp 340 Millionen Euro im Jahr aus. Damit hat Online-Poker die Online-Sportwetten, deren Umsatz bei 290 Millionen Euro im Jahr liegt, glatt überholt“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung http://www.faz.net.
Doch mit der zunehmenden Beliebtheit des Glücksspiels im Internet steht die Branche auch vor neuen technischen Herausforderungen. Die Anbieter witterten zwar einen Milliardenmarkt, doch gegen Falschspieler und Betrüger müssten Glücksspielbranche und Kontrollinstanzen noch technisch aufrüsten, so die FAZ. Nach Analyse der Zeitung sind insbesondere neue Softwareplattformen für Poker, Roulette und Co im Netz vonnöten. Auf jeden Fall müsse die Casino-Software aufgerüstet werden. Deshalb investierten die bisher etablierten Anbieter wie beispielsweise Pokerstars http://www.pokerstars.de „enorme Summen“, um ihre Software weiterzuentwickeln.
Für mehr Sicherheit sorgt beispielsweise auch der Safe Server, dessen Funktionsweise auf der Konferenz in Norderstedt vorgestellt wurde. Er ist eine Art Fahrtenschreiber der Glücksspielanbieter und speichert Daten für 36 Monate. Maximilian Riege, Senior Associate der Rechtsanwaltskanzlei Hambach & Hambach http://www.timelaw.de in München, bezeichnet den in Schleswig-Holstein ansässigen Safe Server als das „Herzstück der Regulierung“. Dieser „Fahrtenschreiber“ hat den Vorteil, dass Daten im Nachhinein nicht gefälscht werden können. Zudem wird dem Datenschutz Genüge getan, da nur die Aufsichtsbehörde – sprich das Kieler Innenministerium – Zugriff auf den Rechner hat.
Für den Rechtsexperten Dr. Wulf Hambach, Gründungspartner von Hambach & Hambach, ist entscheidend, dass der Spieltrieb in geordnete Bahnen kanalisiert wird. „Nur ein Rechtsrahmen bringt Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. In Deutschland wird bisher nur das schleswig-holsteinische Modell diesem Anspruch gerecht“, so der Spezialist für Glücksspiel- und Wettrecht. Und auch die technischen Herausforderungen, die mit diesem Modell einhergehen, hält er für durchaus beherrschbar. „Renommierte Anbieter wie etwa die Wirecard AG haben technische Mechanismen im Rahmen der Zahlungsabwicklung für die Altersverifikation, Suchtprävention als auch die Betrugsprävention bereits umgesetzt“, erläutert er.
Die Wissenschaftler vom Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten bestätigen diese Sichtweise. Kriminelle Begleiterscheinungen des Online-Glücksspielmarktes könnten nur dann „wirkungsvoll verhindert werden, wenn der Online-Glücksspielmarkt staatlich reguliert und dadurch der Kriminalisierung entzogen wird“, so die Professoren Clement und Peren gegenüber der FAZ: „Betrügereien und Spionage würden in den Schwarzmarktnischen des Online-Glücksspiel mit erheblich geringerem Risiko vorgenommen als in einem staatlich regulierten Markt, bei dem sich auch die Marktakteure gegenseitig kontrollieren, werben die Bonner Glücksspielexperten für das Kieler Modell und fordern die Bundesländer auf, Online-Poker und andere Spiele reguliert zuzulassen und damit aus der kriminellen Ecke herausnehmen.“
Es kristallisiert sich immer stärker heraus, dass die SPD mit ihrer realitätsfremden Verbotspolitik – insbesondere was ihre Netzpolitik angeht – auf dem Abstellgleis steht. Gegenüber den Vorstellungen der Liberalen und der Christdemokraten in Schleswig-Holstein hat dies eine gewisse Anmutung von Jurassic Park.
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