ARAG Experte Tobias Klingelhöfer über die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs
Am 30. Juni endet die Übergangsfrist eines bereits 2021 beschlossenen Gesetzes: Dieses sorgt für die Abschaffung des sogenannten Nebenkostenprivilegs, das Vermietern und Hausverwaltern bisher erlaubte, Kosten für den Kabelanschluss an die Bewohner weiterzuberechnen – ungeachtet dessen, ob diese ihn nutzen wollten. Ab jetzt gilt die eigene Entscheidung, welche Art von Fernsehen der Einzelne bevorzugt, aber es muss auch gehandelt werden. ARAG Experte Tobias Klingelhöfer informiert darüber, was das für Verbraucher bedeutet und was zu tun ist.
Mit dem Wort „Nebenkostenprivileg“ kann nicht jeder etwas anfangen. Privileg klingt doch zunächst einmal gut, oder?
Tobias Klingelhöfer: Das ist eine Frage des Blickwinkels. Gut war es vor allem für Vermieter, die den Kabelanschluss problemlos und ohne individuelle Berücksichtigung Einzelner über die Nebenkosten auf alle Bewohner umlegen durften. Angenehm war es noch für den Endverbraucher, dem entweder egal ist, welches TV-Angebot er nutzt oder der mit der Wahl zufrieden war. Schlecht war es aber für all diejenigen, die den vorhandenen Vertrag gar nicht wollten, weil sie andere Wünsche hatten oder an Fernsehen nicht interessiert sind. Dadurch gab es für sie keine andere Möglichkeit, als für eine Dienstleistung zu zahlen, die sie gar nicht in Anspruch genommen haben. Dem wurde nun ein Ende gesetzt – zugunsten der Verbraucher. Übrigens war dieses sogenannte Privileg nicht nur auf Kabelfernsehen beschränkt, sondern galt ebenso für Internet- und Telefonanschlüsse.
Gilt diese neue Regelung nur für Mieter oder auch für Wohnungseigentümer?
Tobias Klingelhöfer: Letztere sind deswegen in einer etwas anderen Situation, weil für sie immer der Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft gilt. Es besteht durch die Gesetzesänderung auch für sie ein Sonderkündigungsrecht zum 30. Juni. Wird dieses aber nicht in Anspruch genommen, laufen die Verträge weiter und alle bleiben im Boot und müssen ihren Anteil zahlen. Sollte einer der Eigentümer seine Wohnung nicht selbst bewohnen, darf er die Kosten dann aber nicht mehr an seine Mieter weiterberechnen. Insofern gilt es auch für sie, auf diese Frist zu achten. Oftmals sind Hausverwaltungen eingesetzt, die sich um solche Angelegenheiten kümmern und auf die sinnvolle Vertragskündigung hinweisen.
Was müssen nun diejenigen tun, die ab Juli problemlos weiter fernsehen möchten?
Tobias Klingelhöfer: Für jede Wohnung muss nun ein einzelner Vertrag abgeschlossen werden. Das heißt für diejenigen, die bisher den Hausanschluss genutzt haben, dass sie sich selbst um etwas Neues kümmern müssen. Sollten sie mit dem Angebot zufrieden sein, ist es relativ einfach, denn in den meisten Fällen werden die aktuellen Anbieter aktiv, weil sie ihre Kunden ja nicht verlieren möchten. Vielleicht hat der eine oder andere Bewohner schon Werbung im Briefkasten gehabt oder ist per Post angeschrieben worden. Gerade die großen und bekannten Anbieter fragen kurz und prägnant: „Möchten Sie weiter über uns Ihr Kabelfernsehen behalten?“ Dann genügt ein Anruf und man erhält eine Beratung und entscheidet sich für einen Vertrag. Ebenso gibt es natürlich die Möglichkeit der Online-Buchung oder den Besuch einer Filiale des vorhandenen Anbieters. Die Vermieter und Hausverwaltungen sind übrigens verpflichtet, ihre Bewohner schriftlich darüber zu informieren, dass sie die Verträge gekündigt haben und der Kabelanschluss deaktiviert wird, wenn bis dahin kein eigener Abschluss mit dem Anbieter getätigt wurde.
Und wenn man nun lieber ein anderes Angebot nutzen möchte?
Tobias Klingelhöfer: Genau da liegt der Vorteil: Das ist nun möglich, ohne dass man zusätzlich die Kosten für den ungeliebten Anschluss mittragen muss. Es kann sowohl der Anbieter gewechselt werden als auch die Art des Fernsehens. Wer also Satellit oder eine der modernen Varianten des Internet-Fernsehens in Anspruch nehmen möchte, kann das in die Wege leiten. Mit der Satellitenschüssel ist das größte Angebot zu empfangen; dafür muss allerdings geprüft werden, ob die Installation im Außenbereich gestattet ist.
Fällt die Wahl auf Streamingdienste per Internet, ist ein Breitband-Anschluss ein Muss. Neue Smart-TVs bieten dann die Sender über Apps; ältere Geräte kann man mit einem HDMI-Stick fit für diese Variante machen. Und wem die öffentlich-rechtlichen Sender genügen, der kann sogar kostenfrei über den Antennenanschluss gucken; in den meisten Regionen reicht dafür eine Zimmerantenne, wenn keine Dachantenne vorhanden ist. Gegen Aufpreis können auch Sender zugebucht und mit über die Antenne empfangen werden.
Der Vorteil, den alten Anbieter einfach zu behalten, liegt somit auf der Hand: Es ist keinerlei Gerätewechsel von Nöten, es muss nichts umprogrammiert oder neu installiert werden. Es ist sicher, dass entsprechende Kabel verlegt sind – der Umbruch würde ohne Unterbrechung und eigentlich unbemerkt vonstattengehen. Eine gute Lösung für all diejenigen, die sich nicht so gut auskennen, sich mit solchen Themen ungern befassen und die vor allem mit dem Status Quo zufrieden sind.
Gibt es für den Verbraucher etwas zu beachten?
Tobias Klingelhöfer: Aktuell hört man vermehrt von Vertretern, die unangemeldet vor der Tür stehen. Losgelöst davon, dass dies immer auch Trickbetrüger sein könnten, die sich Zutritt zu den Wohnungen verschaffen oder aber unechte Verträge abschließen und sich bereichern wollen, ist insgesamt von einem solchen Haustürgeschäft abzuraten. Selten trifft man spontan und ohne Vergleich mit anderen Anbietern die richtige Entscheidung und ist am Ende gut bedient und zufrieden. Bei den echten Vertretern handelt es sich um freie Mitarbeiter, die oftmals über Provisionen bezahlt werden und in deren Interesse auf jeden Fall viele und teure Abschlüsse sind.
Daher mein Rat: Niemanden in die Wohnung lassen, den man nicht selbst eingeladen hat. Zudem sollte man sich unbedingt den Mitarbeiter-Ausweis zeigen lassen, der den Namen und die Kontaktdaten enthalten muss – im besten Fall gleicht man diese Angaben mit dem Personalausweis ab. Ein Vertrag sollte keinesfalls sofort unterschrieben werden. Droht der Mitarbeiter, dass der Anschluss abgeschaltet wird, sollte man ihn umgehend des Hauses verweisen oder ihm sogar Hausverbot erteilen. Auch ohne persönlichen Besuch und für Telefonanrufe gilt das gleiche: Nicht vorschnell in Verträge einwilligen.
Wer unaufgeforderte Vertragsbestätigungen per E-Mail oder Post erhält, sollte sofort schriftlich widersprechen und den Vorfall als Betrugsfall der Polizei melden.
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