Unter dem Titel „Crashtests zeigen hohe Unfallrisiken durch Elektrofahrräder“ veröffentlichte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) am 07. April 2011 eine Pressemeldung, die sich mit der E-Bike-Gattung „Pedelecs“ beschäftigt. Sowohl Pedelec-Fachleute wie auch Anbieter derartiger Fahrzeuge halten die Meldung für einseitig und fachlich fehlerhaft, berichtet der pressedienst-fahrrad.
[pd-f /GuF] Schon die Grundaussage des Tests, 45 km/h schnelle Pedelecs bergen ein erhöhtes Unfallrisiko, ist nach Ansicht von Tobias Spindler vom Anbieter riese und müller irreführend einseitig. „In beiden gezeigten Testanordnungen erschließt sich uns kein Unterschied zu einem Fahrad ohne elektrischen Antrieb. Beide Unfallsituationen hätten ebenso mit rein per Muskelkraft angetriebenen Fahrrädern passieren können,“ erklärt Spindler und fragt sich, welche Intention Tests und Meldungen haben.
Das Branchenportal velobiz.de sieht in der GDV-Argumentation eine undifferenzierte Panikmache: „Das Ärgerliche an dieser Pressemitteilung und den daraus entstanden Medienberichten ist aus Sicht der Fahrradbranche nicht die Tatsache, dass auf mögliche Gefahren von schnellen Pedelecs hingewiesen wird, sondern dass alle Pedelecs über einen Kamm geschert werden: Während sich die meisten Kritik- und Gefahrenpunkte insbesondere auf die Klasse der schnellen Pedelecs beziehen, wird mit keinem Wort erwähnt, dass bis zu 95 % der verkauften Elektroräder (…) nicht dieser Klasse angehören und nur bis (…) 25 km/h unterstützen.“ „Von hohen Unfallrisiken durch schnelle Pedelecs, wie in einer aktuellen Studie des GDV beschrieben, kann also keine Rede sein“, erklärt Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV).
Wer überholt wen?
Der GDV schreibt in seiner Mitteilung, dass schnelle Pedelecs zu häufigeren Überholmanövern führten und diese sich wiederum nahezu zwangsläufig in erhöhten Unfallzahlen widerspiegeln müssten. „Fürs Überholen gibt es klare und hinreichend in der Praxis bewährte Vorschriften. Ob ein Auto, ein Motorrad oder ein Pedelec überholt wird, spielt dabei keine Rolle“, meint Gunnar Fehlau, Leiter des pressedienst-fahrrad und zusammen mit Peter Barzel Autor des Buches „Das E-Bike“. An dieser Stelle zeige sich Fehlaus Meinung nach auch die Unschärfe der Pressemitteilung, denn sie lasse offen, von welchen Überholvorgängen überhaupt die Rede ist: „Mit dem schnellen E-Bikes darf man innerorts gar nicht auf dem Radweg fahren, dort führen sie zu keiner erhöhten Frequentierung und auf dem deutschen Straßennetz werden die kaum 10.000 schnellen Pedelecs, die 2011 verkauft werden, keine nennenswerte Ballung mit sich bringen“, ist Fehlau überzeugt.
Fehlende Gewohnheit
„Für Autofahrer ist es künftig schwieriger zu erkennen, wie schnell ein Radler unterwegs ist“, heißt es in der GDV-Meldung. Dieser Satz entbehrt nicht nur aus fachlicher Sicht einer konkreten Aussage. Schon heute unterscheiden sich die tatsächlichen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr beträchtlich. Dieser Umstand verlangt nach umsichtiger Fahrweise und realistischer Einschätzung und Beobachtung anderer Verkehrsteilnehmer. Dies ist jedoch auch ohne Pedelecs vonnöten und Autofahrer sollten sich als verantwortungsvolle Verkehrsteilnehmer ohnehin dementsprechend verhalten. Diese Auffassung scheint Branchen-Tenor zu sein: „Autofahrer sollten die Verantwortung nicht komplett auf den Radfahrer abschieben. Alle Verkehrsteilnehmer sind angehalten, Rücksicht aufeinander zu nehmen“, sagt Anke Namendorf vom niederländischen Hersteller Koga (www.koga.com). „Nicht der E-Radler, der bewusst unterwegs ist, ist ein Sicherheitsrisiko, sondern der Autofahrer, der sich nicht korrekt verhält“, macht Kurt Schär vom Schweizer E-Bike-Pionier Biketec (www.flyer.ch) deutlich. Dass E-Biker eine eher verantwortungsvolle Spezies der Radfahrer zu sein scheinen, dafür spricht indes die überdurchschnittlich hohe Helmquote unter E-Bikern.
GDV erklärt schnelle Pedelec für illegal … und liegt falsch
„Die 45 km/h-Pedelecs müssen (…) eigentlich wie ein Kleinkraftrad (Klasse L1e) betrachtet werden. Sprich: Es muss z. B. ein Motorradhelm getragen werden, ein Bremslicht, Abblendlicht, Spiegel, bauartgenehmigte Reifen etc. vorhanden sein. Da in der Praxis die vorgeschriebene Technik aber oft fehlt, bewegen sich die meisten dieser „Schnell-Radler“ illegal auf den Straßen“, heißt es in der GDV-Meldung. Das ist nach überwiegender Meinung vieler Fachleute und Verkehrsrechtler falsch. „Es herrscht Rechtssicherheit und alle Radler mit den schnellen Pedelecs sind durch Kauf und Anbringung des Kennzeichens haftpflichtversichert und, sofern sie keine Änderungen am Fahrzeug vornehmen, auch legal unterwegs“, erklärt Roland Huhn, Rechtsreferent des ADFC (www.adfc.de). Da diese Fahrzeuge allein durch Motorleistung nur 20 km/h erreichen, besteht laut Huhn somit keinesfalls eine Helmpflicht.
Einig sind sich alle Fachleute in den technischen Diensten, Ministerien und der Industrie, dass es eine technisch sinnvolle und die Nutzungsrealität abbildende neue Fahrzeugklasse der „schnellen Pedelecs“ darf. Diese fordert auch der GDV in seiner Meldung. Das Thema sei laut Brancheninsidern bereits in den relevanten Gremien wie dem FKT Zweiradfahrzeuge („Fachausschuss Kraftfahrzeugtechnik“, der beratend fürs Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fungiert) und Arbeitsgruppen behandelt worden. Pikantes Detail: Das die vom GDV herangezogenen Tests durchführende Unternehmen Dekra hat sich an der entsprechenden Arbeitsgruppe nicht beteiligt. Jene hatte dem Verkehrsministerium bereits Ende 2009 einen konkreten Vorschlag für die Ausgestaltung einer neuen Fahrzeugklasse vorgelegt, die in weiten Teilen der Regelung in der Schweiz entspricht und beispielsweise auf einen Gasgriff gänzlich verzichtet.
Fazit: Die Fahrradbranche, in Teilen bereits eine Branche der Fahrzeughersteller (schnelle Pedelecs), sucht eine differenzierte Diskussion zu sicherheitstechnischen und verkehrspolitischen Aspekten von Pedelecs. Sie vermisst jedoch eine der Verantwortung der Meldungsersteller gebührende Sachlichkeit. Bei allen technischen und juristischen Aspekten um die es bei den Pedelecs geht, stehen laut Fehlau kulturelle und politische Faktoren im Vordergrund: „Das Fahrrad schickt sich in Form der Pedelecs an, das urbane Kurzstreckenfahrzeug der Zukunft zu werden. Der Platzhirsch Auto gibt dieses Revier nicht einfach so frei. Es werden Studien und Lobbyisten bemüht“, so Fehlau. Doch der Bürger habe die Weichen längst gestellt: „Während E-Autos noch im Forschungsstadium sind, fahren bereits über 300.000 E-Bikes auf deutschen Straßen.“
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