Die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland im Juli 2011 [1]
Die deutsche Wirtschaft bleibt auf solidem Expansionskurs. Im ersten Quartal hatte das Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt wieder den Vorkrisenstand von Anfang 2008 überschritten. Damit ist eine gute Ausgangsposition für das Wachstum im laufenden Jahr gelegt. Die meisten Konjunkturbeobachter haben ihre Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft für 2011 inzwischen nach oben revidiert. Wie erwartet, hat das Aufschwungtempo nach dem außerordentlich kräftigen Wachstum in den ersten Monaten dieses Jahres eine ruhigere Gangart eingeschlagen. Die Stimmung der Unternehmen ist in einer ausgesprochen guten Verfassung. Die aktuelle Lage wird als außerordentlich positiv bewertet, die hohen Geschäftserwartungen wurden allerdings in den letzten Monaten zurückgenommen. Insbesondere die Exportperspektiven wurden zuletzt etwas weniger günstig beurteilt. Die Auftriebskräfte bleiben weiter intakt, auch wenn sie im Jahresverlauf schwächere Wachstumsimpulse aussenden als noch zu Beginn dieses Jahres. Die Wachstumsdynamik hat sich inzwischen noch stärker auf die Binnenwirtschaft verlagert. Sie ist vor allem von einer anhaltend regen Investitionstätigkeit geprägt.
Diese schlägt sich in einer tendenziell starken Dynamik der Inlandsumsätze in der Industrie nieder, insbesondere der Investitions- und Vorleistungsgüterproduzenten. Dabei spricht die lebhafte Bestelltätigkeit bei diesen Produzentengruppen dafür, dass die Binnendynamik auch in den kommenden Monaten weiter an Bedeutung gewinnt. Die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft bleiben günstig. Die Weltwirtschaft wird weiter spürbar expandieren, wenngleich die Indikatoren eine Wachstumsverlangsamung anzeigen. Dabei treten deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Weltregionen hervor. In den Industrieländern verläuft das Wachstum per saldo gedämpfter, während die Schwellenländer weiter vergleichsweise kräftig expandieren. Hier besteht teilweise die Gefahr von Überhitzungserscheinungen. Die Außenwirtschaft wird vor diesem Hintergrund auch weiterhin ein wichtiger Impulsgeber für das Wachstum in Deutschland bleiben. Der Aufschwung steht somit auf einer breiten und soliden Grundlage. Allerdings haben sich die Abwärtsrisiken spürbar erhöht: Die Erholung der US-Wirtschaft verläuft schleppender als erwartet, Inflationsgefahren in China haben zugenommen und die Euroschuldenkrise hat sich zuletzt erneut zugespitzt.
Das Produzierende Gewerbe bleibt eine maßgebliche Stütze des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Nach leichter Abschwächung im Vormonat erhöhte sich die Erzeugung im Mai saisonbereinigt um 1,2%. Treibende Kraft ist weiterhin die Industrie, die im Mai ebenfalls mit 1,2% expandierte und ihr kräftiges Trendwachstum fortsetzen konnte (Dreimonatsvergleich:+2,7%). Die Produktionsimpulse kommen laut Umsatzstatistik seit Monaten vor allem aus dem Inland, was ein Indiz für die Stärke der Binnenkonjunktur ist. Die Nachfrage nach industriellen Erzeugnissen nahm im Mai saisonbereinigt um +1,8% zu. Sie wurde durch überdurchschnittliche inländische Großaufträge gestützt, während Bestellungen aus dem Ausland zurückgingen.
Damit bestätigt sich das Bild einer insgesamt etwas schwächeren Aufwärtsdynamik der Bestelltätigkeit, so dass in den kommenden Monaten mit einer etwas weniger starken Expansion der Industrieproduktion zu rechnen ist. Diese Einschätzung wird auch durch die Entwicklung der Stimmungsindikatoren untermauert.
Im Bauhauptgewerbe stieg die Erzeugung im Mai nach dem deutlichen Rückgang im Vormonat um 1,1%. Der Aufwärtstrend der Erzeugung im Dreimonatsvergleich bleibt damit saisonbereinigt weiter kräftig (+14,4%). Nach dem Auslaufen der staatlichen Konjunkturprogramme kommt die Nachfrage nach Bauleistungen inzwischen tendenziell vor allem von privaten Bauherren. Deren Bestellvolumen legte im Dreimonatsvergleich zuletzt um +19,5% zu, der Bestellzuwachs aus dem öffentlichen Sektor betrug dagegen lediglich 3,1%. Das Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe hellte sich seit dem Jahreswechsel zusehends auf.
Der private Konsum entwickelt sich nach spürbarer Zunahme im ersten Quartal dieses Jahres aktuell wieder etwas schwächer. Das Umsatzvolumen im Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) ging im Mai um 2,5% zurück, und auch der Handel mit Kraftfahrzeugen war zuletzt deutlich im Minus. Sonderfaktoren wie die Lage der Osterfeiertage und die durch die EHEC-Krise verursachte Kaufzurückhaltung dürften die Entwicklung allerdings nach unten überzeichnen. Die umfragebasierten Klimaindikatoren geben derzeit ein eher gemischtes Bild. Während sich die Stimmung der Einzelhändler zuletzt verschlechterte, hellte sich die Verbraucherstimmung auf. Insgesamt notieren die Indikatoren aber weiter auf hohem Niveau. Per saldo sollte der private Konsum tendenziell weiterhin eine Wachstumsstütze bleiben. Hierfür sprechen die anhaltend positiven Daten vom Arbeitsmarkt und die günstigen Einkommensperspektiven.
Die Ausfuhren und die Einfuhren von Waren erholten sich im Mai deutlich. Mit einem Ausfuhrplus von 4,3% konnte der Rückgang im Vormonat nahezu ausgeglichen werden, die Einfuhren (+3,7%) erreichten einen neuen historischen Rekordstand. Dies ist auch Ausdruck der dynamisch wachsenden Binnenwirtschaft. Tendenziell bleibt der Außenhandel deutlich auf Expansionskurs. Von den nationalen und internationalen Frühindikatoren kommen aber vermehrt gemischte Signale, die auf eine etwas weniger starke weltwirtschaftliche Dynamik hindeuten.
Der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiter positiv, wenngleich erwartungsgemäß etwas weniger ausgeprägt als im wachstumsstarken ersten Quartal. Die Erwerbstätigkeit im Inland stieg im Mai saisonbereinigt um weitere 34.000 Personen. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Sie nahm im April kräftig um saisonbereinigt 47.000 Personen zu. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiter hoch, die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen schwächte sich leicht ab. Die Arbeitslosigkeit bleibt auf dem Rückzug. Die Abnahme fiel im Juni mit saisonbereinigt – 8.000 Personen aber etwas weniger deutlich aus als in den Monaten zuvor.
Das wieder etwas ruhigere Preisklima hielt auch im Juni an. Gegenüber Mai stiegen die Verbraucherpreise leicht um 0,1%. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg wie im Monat zuvor +2,3%. Die Kerninflationsrate betrug 1,5%.
Hinweis:
Eine ausführliche Darstellung und Kommentierung der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung wird in der August-Ausgabe des Monatsberichts „Schlaglichter der Wirtschaftspolitik“ veröffentlicht. Die aktuelle Ausgabe wird voraussichtlich Ende der 29. Kalenderwoche auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu finden sein.
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