Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Aktuellen Medienberichten zufolge sind bei dem Konzern Eon deutschlandweit 5500 Arbeitsplätze vom weiteren Bestand bedroht. Einem Bericht der deutschsprachigen eher unternehmernahen Financial Times Deutschland ist die Zentrale der Ruhrgas in Essen wegen eines unter Umständen geplanten Zusammenschlusses von Eon Energy Trading und Ruhrgas von der Auflösung bedroht. Beide Firmen, die Eon Energy Trading und die Ruhrgas sind im Geschäftsfeld Energiehandel tätig. Bei einer Zusammenlegung könne das Unternehmen Eon durch den Abbau von Stellen erhebliche Personalkosten sparen. Ohne Kündigungen wird das wohl nicht gehen.
Unternehmen gehen bei Umstrukturierungen oft wie folgt vor:
Entweder das Unternehmen spricht Beendigungskündigungen oder so genannte Änderungskündigungen aus.
Bei Entlassungswellen geschieht die Abwicklung der Arbeitsplätze oft im Rahmen von so genannten Sozialplänen. Die Sozialpläne sehen für den Fall, dass Arbeitnehmer das Unternehmen verlassen, so genannte Sozialplanabfindungen vor. Für den betroffenen Arbeitnehmer stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob eine Kündigungsschutzklage Sinn macht. Warum soll ein Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage einreichen, wenn er durch den Sozialplan bereits eine scheinbar großzügige Abfindung erhält.
In den allermeisten Fällen ist eine Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung im Rahmen einer Entlassungswelle trotz zugesicherter Sozialplanabfindung dennoch sinnvoll. Es lässt sich nämlich regelmäßig eine – zum Teil deutliche – Erhöhung der Abfindung im Rahmen des Prozesses erreichen. Nicht selten geschieht auch folgendes: Das Gericht sieht die Kündigung als unberechtigt an, weil das Unternehmen den Arbeitnehmer in einem anderen Teil des Unternehmens hätte weiter beschäftigen können. Auf diesem Weg kann sich der Arbeitnehmer durch eine Kündigungsschutzklage in das Unternehmen zurücklagen, obwohl es im Vorfeld der Kündigung zu Standortschließungen gekommen ist.
Bei einer Änderungskündigung sind folgende Besonderheiten unbedingt zu beachten.
Die Änderungskündigung besteht aus einem so genannten Änderungsangebot, in dem die zukünftigen – geänderten – Arbeitsbedingungen aufgeführt sind und der Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit den Änderungen seines Arbeitsverhältnisses nicht einverstanden ist. Der Arbeitnehmer kann im Regelfall aus den wie folgt beschriebenen Handlungsmöglichkeiten auswählen:
1. Der Arbeitnehmer kann den geforderten Änderungen zustimmen. Damit ändert sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis besteht ungekündigt – meist zu ungünstigeren Bedingungen – fort.
2. Der Arbeitnehmer nimmt die Änderungen nur unter Vorbehalt an und erhebt eine so genannte Änderungsschutzklage gegen die Änderungskündigung beim Arbeitsgericht. Ganz wichtig: Diese Änderungsschutzklage muss innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Änderungskündigung eingereicht werden. Ganz wichtig auch: Den Vorbehalt muss der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber ebenfalls innerhalb dieser Drei-Wochen-Frist erklären. Sollte der Arbeitnehmer den Prozess vor dem Arbeitsgericht gewinnen, besteht das Arbeitsverhältnis fort, ohne dass es zu einer Änderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Sollte der Arbeitnehmer die Änderungsklage verlieren, behält er seinem Arbeitsplatz – jedoch zu meist schlechteren Arbeitsbedingungen.
3. Theoretisch denkbar ist es auch, dass der Arbeitnehmer nur eine Änderungsschutzklage erhebt und sich zu einem Vorbehalt bezüglich der Änderung der Arbeitsverhältnisse gegenüber dem Arbeitgeber nicht äußert, also keinen Änderungsvorbehalt erklärt. Wenn der Arbeitnehmer also nur Änderungsschutzklage erhebt und diese verliert, ist er gekündigt und verliert seinen Arbeitsplatz. Wenn er die Änderungsklage jedoch gewinnt, wird sein Arbeitsverhältnis zu den ursprünglichen Bedingungen fortgeführt.
Arbeitnehmer-Rat des Fachanwalts zur Änderungskündigung: Die zweite Variante, also die Änderungskündigung unter Vorbehalt anzunehmen und gleichzeitig Änderungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht zu erheben, ist regelmäßig die für Arbeitnehmer vorteilhafteste Variante. Ganz wichtig ist es, die Änderung unter Vorbehalt selbst dann innerhalb der Dreiwochenfrist anzunehmen, wenn der Arbeitgeber keine Frist zur Annahme gesetzt hat.
Arbeitnehmer-Rat des Fachanwalts zur Beendigungskündigung: Sollte das Kündigungsschutzgesetz in Ihrem Betrieb anwendbar sein (in allen großen Unternehmen ist es selbstverständlich anwendbar), ist es fast immer ratsam, Kündigungsschutzklage zu erheben. Regelmäßig ist es möglich, zumindest eine satte Abfindung dabei herauszuholen. Erfahrungsgemäß kalkulieren Unternehmen bei Entlassungswellen fest mit Beträgen, die sie im Rahmen von gerichtlichen Vergleichen vor dem Arbeitsgericht bei Kündigungsschutzklagen an die Arbeitnehmer als Abfindung auszahlen.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Essen und von Dr. Attila Fodor, Rechtsanwalt, Essen
28.10.2011
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