Dialog mit dem Fußball-Fan

Würzburg (pressrelations) –

Dialog mit dem Fußball-Fan

Fußball-Fans und Polizisten hegen selten freundschaftliche Beziehungen. Wie groß die Spannungen zwischen den beiden Gruppen sind, zeigte sich wieder einmal Anfang des Jahres beim bundesweiten Fankongress in Berlin.

„Das Verhältnis war noch nie so schlecht“, „Es gibt keine Verhältnismäßigkeit bei den polizeilichen Maßnahmen, keine Transparenz, keine Selbstkritik“, „Wir haben kein Gewaltproblem, wir haben ein Polizeiproblem.“ Mit diesen Aussagen zitiert der Tagesspiegel Teilnehmer des Kongresses. Schon seit Langem gebe es deshalb keine direkte Kommunikation zwischen Fans und Polizei mehr, sagte ein Fanbeauftragter von Hertha BSC.

Der Forschungsverbund SiKomFan

Das zu ändern hat sich der neue, bundesweite Forschungsverbund „SiKomFan“ vorgenommen. Er besteht aus fünf selbständigen Teilprojekten, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Kommunikationsprozessen bei Fußballspielen beschäftigen.

Ziel des bislang größten Forschungsprojekts dieser Art in Deutschland ist es, die Kommunikationsstrukturen und -strategien aller an Fußballspielen beteiligten Akteure zu verbessern und so einen konstruktiven Dialog mit den Fans anzubahnen beziehungsweise zu intensivieren. Langfristig sollen auch die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, vor allem der Reisenden, Anwohner und Zuschauer, im Zusammenhang mit Fußballspielen gestärkt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert das Projekt mit 3,3 Millionen Euro.

Unter den acht beteiligten Einrichtungen ist die Universität Würzburg mit dem Institut für Sportwissenschaft vertreten. Dessen Leiter, Professor Harald Lange, und sein Mitarbeiter Dr. Gabriel Duttler erforschen dort bereits seit mehreren Jahren „die unterschiedlichen kulturellen Ausprägungsformen von (Fußball-)Fans“. Für ihre Arbeit im Rahmen von SiKomFan erhalten sie rund 263.000 Euro.

Das Würzburger Teilprojekt

Vor allem sozialwissenschaftliche Aspekte stehen im Mittelpunkt des SiKomFan-Teilprojekts, für das das Würzburger Institut gemeinsam mit Soziologen der Universität Münster verantwortlich ist. „Wir verfolgen einen qualitativen Ansatz und werden dafür in erster Linie Fußball-Fans und Menschen, die mit Fans eng zusammenarbeiten, interviewen“, beschreibt Gabriel Duttler die Aufgaben der Sportwissenschaftler der Uni Würzburg. Im Mittelpunkt stehe dabei der Gegensatz von Sicherheit und Freiheit.

Was das konkret bedeutet? „Bei fast jedem Bundesligaspiel werden heute die von auswärts angereisten Fangruppen von der Polizei bereits am Bahnhof empfangen und im Block möglichst ohne Kontakt zum Rest der Bevölkerung ins Stadion begleitet“, erklärt Duttler. Und bevor die Fans ins Stadion dürfen, müssen sie sich einer intensiven Einlasskontrolle unterziehen. Das alles bedeutet natürlich einen starken Eingriff in die Freiheit der so Behandelten. „Und wer sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt, hat vermutlich keine Lust, mit demjenigen in einen konstruktiven Dialog zu treten, den er für diese Einschränkung verantwortlich macht“, so der Wissenschaftler.

Ob die verschiedenen Akteure das tatsächlich auch so sehen und wie sich das verhindern ließe: Das soll im Rahmen dieses Teilprojekts untersucht werden. Für die quantitative Seite sind die Soziologen aus Münster zuständig. Sie werden mit Fragebögen Anrainer, Fußball-Fans und unbeteiligte Nutzer von Bus und Bahn interviewen und die so gewonnenen Daten anschließend auswerten.

Interviews in ganz Deutschland

An voraussichtlich zwölf bis 14 Standorten in ganz Deutschland wird sich Gabriel Duttler seine Interviewpartner suchen und dort, wenn alles so klappt, wie er sich das vorstellt, jeweils vier bis fünf Interviews mit Vertretern verschiedener Gruppen führen. Das sind nicht ausschließlich die Städte, in denen die Top-Spiele der 1. Bundesliga laufen. „Auch in der 2. und 3. Liga gibt es Vereine, die über eine ausgeprägte Fankultur mit langer Tradition verfügen“, sagt Duttler. Deshalb werden auch diese Ligen mit in die Untersuchung einbezogen.

„Die gesamtgesellschaftliche Rezeption des Ereignisses ?Fußball in den Blick zu nehmen und die vielfältigen Wechselwirkungen, die damit verbunden sind, zu betrachten“: So beschrieben die Wissenschaftler selbst ihre Aufgabe. Damit wollen sie ein – bislang nicht vorhandenes – umfassendes Bild des Forschungsfeldes zeichnen und eine darauf basierende neutrale und aussagekräftige Analyse gewährleisten. Bis es soweit ist, wird es allerdings noch ein wenig dauern: Das Forschungsprojekt SiKomFan ist auf drei Jahre angelegt.

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