Nadine Christiansen steht auf dem Balkon ihrer Luxusvilla und blickt auf das Hotel Maritim. Glücklich sieht die 41-Jährige nicht aus. Die Tochter eines wohlhabenden Lübecker Unternehmers bewohnt mit ihren drei Kindern jetzt nur noch 60 Quadratmeter ihrer 500 Quadratmeter Villa mit Seeblick. Den Rest des Domizils muss sie an Feriengäste vermieten, um gerade so über die Runden zu kommen. Aus ihrer Sicht haben britische Behörden im März 2006 ihre Villa durchsucht und ihr Millionenerbe ohne gültigen Beschluss gepfändet. Christiansen lebst seitdem in Angst: Man soll ihr mehrfach mit dem Tode gedroht haben, wenn sie diesen Skandal an die Öffentlichkeit trägt.
Die elegante Lübeckerin bittet in die Küche ihrer Wohnung und stellt zwei Tassen Kaffee auf den Designertisch. Das exklusive Inventar in ihrer Wohnung will nicht so recht zu den engen Räumen passen. Die ehemalige, großzügige Wohnküche ist nun gleichzeitig das Wohnzimmer. „Ich habe ein Luxusleben in der Londoner High Society gelebt, diese Wohnung ist alles, was mir bleibt“, erklärt sie. Sie hat das Millionen-Vermögen verloren und sitzt auf 400.000,00EUR für den Rechtsstreit. Die Reisen zwischen London und Lübeck, die hohen Anwaltskosten trieben ihren Ausgaben in die Höhe. Nur mit Hilfe ihrer Eltern konnte sie überleben, zumindest die Familie weiter ernähren. Christiansen schließt die Tür – die Kinder sollen nichts mitbekommen. Das war immer ihr Motto, seitdem ihr Leben auf den Kopf gestellt wurde, ausländische Behörden das Erbe der Kinder wegnahmen. Auslöser war, dass ihr englischer Ex-Mann, der Abgeordneter im Parlament war, Versicherungen betrogen haben soll. Dafür sitzt er noch immer in Haft. Er soll wohlhabende Engländer an mehrere Versicherungen vermittelt und doppelt Provision kassiert haben.
Obwohl Nadine Christiansen zum Zeitpunkt der Taten schon von ihrem Mann getrennt und nach Lübeck zurückgekehrt ist, verdächtigen sie die Ermittler vom britischen Betrugsdezernat, dem Serious Fraud Office (SFO) als Mittäterin. Ihr Exmann hatte offenbar Gelder auf das Konto der Lübeckerin überwiesen und führte sie als Firmensekretärin in seinen Unterlagen.
Die Geschichte beginnt allerdings schon Jahrzehnte zuvor:
Nach der Schule lernt die Lübeckerin während ihres Studiums in England den millionenschweren, Politiker kennen. Man heiratet, bekommt drei Kinder und führt ein aufregendes Leben zwischen London, Monaco und Ibiza.
Es werden Partys hinter den Parlamentsgebäuden an der Londoner Themse gefeiert, man lernt noch Lady Di, den Premierminister Blair und den Dalai Lama kennen.
Dann zerbricht die Ehe an den Plänen des Gatten, nach Amerika zu gehen.
Nadine Christiansen geht mit ihren Kindern zurück nach Lübeck. Ein halbes Jahr später stehen dann die Ermittler vor der Tür. Auch die Kinder (z.T. im Kindergarten, teils Schüler) bekommen mit, dass etwas nicht stimmt. „Eine Freundin kam zu Besuch und hat die kleinen mitgenommen“, sagt die Lübeckerin.
Die Britischen Beamten erzählen, dass die Deutschen Behörden Amtshilfe leisten. Die Durchsuchung und die Pfändung seien mit den Deutschen abgestimmt, heißt es. „Ich weiß heute, dass die Durchsuchung nicht rechtens war“, erklärt Christiansen. Die 41-Jährige geht davon aus, dass die Deutschen Behörden aus Angst vor diplomatischen Verstimmungen voreilig aktiv wurden.
Doch das bringt sie nicht weiter. Über sechs Jahre wurden ihre Konten gesperrt, so lange dauerte der Prozess bislang. Nicht getilgte Darlehen haben ihr Vermögen aufgezehrt. „Auch Millionäre leihen sich Geld für Immobiliengeschäfte“, erläutert die 41-Jährige.
Die Englischen Behörden haben ihrer Meinung nach den Fall hinausgezögert. Es dauerte allein ein Jahr, bevor die Gerichte Christiansen überhaupt anhörten. Weiter war sie händeringend auf der Suche nach einem Deutschen Anwalt, der sie international vertreten wollte. Nach vielen Irrläufen und Kosten landete sie in der Kanzlei des Berliner Rechtsanwalts Paul Vogel, der auf internationale Fälle spezialisiert ist.
Er vertritt Christiansen heute. Da Frau Christiansen erheblich geschädigt wurde, hat sie Probleme, sich effektiv in England gerichtlich vertreten zu lassen, berichtet er. Für die gerichtliche Vertretung werde zusätzlich ein sogenannter Barrister benötigt, dessen Kosten aufgrund der Langwierigkeit und Komplexität des Verfahrens sechsstellig werden können. Diese könne sich Christiansen aufgrund der finanziellen Schäden wiederum nicht erlauben – ein Teufelskreis.
Viel Hoffnung gibt es nicht. Die laufenden Darlehen arbeiten gegen Christiansen. Doch sie wird weiter kämpfen. „Ich gebe nicht auf, es geht hier schließlich um das Erbe meiner Kinder“, sagt sie.
Die rauschenden Feste in der Highsociety sind Vergangenheit. Darum ist Christiansen nicht traurig. Heute wünscht sie sich „ein ganz normales, einfaches Leben mit meinen Kindern.“
Autor: Johann Weiss
Interview von Johann Weiss (Deutsche Anwaltsvermittlung) mit Rechtsanwalt Paul Vogel aus Berlin (www.vogellaw.de)
Johann Weiss: Warum ist ihre Kanzlei mit dem Fall von Nadine Christiansen (Pseudonym) betreut?
Rechtsanwalt Vogel: Die Vogel Rechtsanwaltsgesellschaft mbH betreut komplexe oft staatenübergreifende Fälle, häufig mit strafrechtlichem Hintergrund. Dabei geht es häufig auch um das Aufspüren, Arrestieren oder die Freigabe unrechtmäßig arrestierter Gelder. Da ich regelmäßig in Monaco und England zu tun habe, hat mich Frau Christiansen um Hilfe gebeten.
Johann Weiss: In welchen Ländern war ihre Kanzlei bereits aktiv?
Rechtsanwalt Vogel: Die Kanzlei hat in den meisten europäischen Ländern, aber auch z.B. in den USA, Afrika, Russland, China etc. Mandate begleitet.
Johann Weiss: Warum scheuen sich viele Kanzleien davor, derartige Fälle zu übernehmen?
Rechtsanwalt Vogel: Bei derartigen Fällen sind enge Kooperationen mit spezialisierten Detekteien, Vermögensermittlern aber auch diplomatischen Vertretungen hilfreich. Parallel sind anwaltliche Kooperationen im jeweiligen Land gefragt. Das Bündel dieser Anforderungen wird durch ein deutlich gesteigertes Haftungsrisiko erweitert.
Johann Weiss: Worin liegt die Schwierigkeit, Mandate zu betreuen, die auf internationalem Parkett spielen?
Rechtsanwalt Vogel: Entscheidender Aspekt sind die in der Vorfrage angeschnittenen Anforderungen. Auch die Reisetätigkeit und ungewöhnlichen Arbeitszeiten (etwa bei Telefonkonferenzen, die aufgrund der Zeitverschiebung nachts oder in den frühen Morgenstunden geführt werden müssen) liegen nicht jedem.
Johann Weiss: Was sind die wesentlichen Unterschiede im Bezug auf Frau Christiansens Fall zwischen den Deutschen und den Englischen Gerichtsverhandlungen?
Rechtsanwalt Vogel: Hauptproblem sind hier nicht unbedingt Unterschiede deutscher und englischer Verhandlungen. Da Frau Christiansen erheblich geschädigt wurde, hat sie jedoch Probleme, sich in England gerichtlich vertreten zu lassen. Für die gerichtliche Vertretung wird -neben unserer Einschaltung- immer ein separater englischer Barrister benötigt, dessen Kosten aufgrund der Langwierigkeit und Komplexität des Verfahrens sechsstellig werden können. Dies kann sie sich aufgrund der Schädigungen wiederum nicht erlauben – ein Teufelskreis.
Johann Weiss: Ist der Fall von Frau Christiansen ein besonderer Fall. Warum?
Rechtsanwalt Vogel: Der Fall von Frau Christiansen spielt in England, Monaco und Schleswig Holstein. Involviert sind diverse Parteien, die in unterschiedlichen Staaten sitzen. Beeindruckt hat mich persönlich, dass Frau Christiansen trotz der erheblichen Schädigungen – als alleinerziehende Mutter- die Kraft und Ausdauer hat, sich gegen gleich mehrere scheinbar unfehlbare Institutionen zur Wehr zu setzen.
Johann Weiss: In wie fern hat man Frau Christiansen aus ihrer Sicht Unrecht getan?
Rechtsanwalt Vogel: Frau Christiansen wurde empfindliche Bestrafung für den Fall angedroht, dass sie über ihr Vermögen in Deutschland verfüge. Begründet wurde diese Drohung damit, dass eine entspr. gerichtliche Verfügung (übertragen ins deutsche Recht eine Art Arrest) ergangen sei, die dies verbiete. Da Frau Christiansen diese beunruhigende Mitteilung in schriftlicher Form von britischen Behörden erhalten hatte, musste sie auf deren Richtigkeit vertrauen. Ist jemand während einer solchen Zeit gerade mit einer größeren Immobilienkaufabwicklung beschäftigt, entstehen schnell sechs- bis siebenstellige Schadensersatzforderungen wegen Nichterfüllung. Bei Frau Christiansen waren es gleich mehrere Ereignisse, welche die Schäden multipliziert haben.
Unabhängig von diesem Ereignis hat man ein Auslandskonto in Monaco -welches einer Gesellschaft von Frau Christiansen zuzuordnen ist- gesperrt und die darauf befindliche siebenstellige Summe zur Befriedigung von Gläubigern ihres Exmannes zweckentfremdet. Dies trotz eines entgegenstehenden Gutachtens welches die Herkunft der Gelder größtenteils Frau Christiansen zuspricht und trotz der Intervention eines gerichtlich bestellten Insolvenzverwalters.
Johann Weiss: Ist Frau Christiansen rechtlich rehabilitiert?
Rechtsanwalt Vogel: Die handelnde Behörde hat Frau Christiansen endlich bestätigt, dass die Kosten für die Rechtsverfolgung gegen die unwirksame Verfügung in Deutschland erstattet werden. Damit wurde die Rechtswidrigkeit des Verhaltens indirekt eingeräumt. Auf die Zahlung dieser Kosten wartet Frau Christiansen allerdings immer noch.
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