Das Feuerwerk. Die hohe Kunst der Verschwendung

Ein Soziologe über unseren liebsten Sylvesterbrauch
Das Feuerwerk. Die hohe Kunst der Verschwendung
Kubischer Kanonenschlag

Jedes Jahr das gleiche Ritual: Erst opulentes Essen, dann das Anstoßen und schließlich die guten Vorsätze, die schon oft eine halbe Stunde später vergessen sind. Danach folgt als Höhepunkt des Abends das Feuerwerk. Und jedes Jahr gibt es auch die gleichen Kritiken. Mit dem Slogan „Brot statt Böller“ werden diese wohl am besten charakterisiert. Was ist es, das Menschen dazu treibt, Millionenwerte in die Luft zu schießen? Wir fragten dies den Freiburger Soziologen Sacha Szabo, der sich auf Festkulturen spezialisiert hat.

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Zuerst eine persönliche Frage: Mögen Sie Feuerwerk?

Sacha Szabo: Als Kind mochte ich sehr gern den Geruch von Schwarzpulver in der Nacht (lacht). Heutzutage sehe ich mir mit Vorliebe komponierte Feuerwerke bei Festen an. Silvester selbst fesselt mich nicht so sehr, es ist eine Art erlebnisgesellschaftliches Paradigma. Alle erwarten etwas, fiebern auf einen Moment hin, der häufig dann enttäuschend ausfällt und um dies zu kompensieren, wird hinterher exzessiv gefeiert.

Warum wird an Silvester soviel Geld in den Himmel geschossen?

Sacha Szabo: Ihre Frage ist insofern aufschlussreich, als dass Sie schon das Feuerwerk mit Geld in Beziehung setzen und da stimme ich Ihnen zu. Es gehört zum Feuerwerk dazu, dass es Geld kostet. Das Geld wird – bildlich gesprochen – temporär ästhetisch erhoben und dann zum Verschwinden gebracht. Es ist eine Art Opfer. Ein Opfer, das sich über Jahrtausende als Relikt erhalten hat.

Können Sie uns etwas über die Entstehung von Neujahr sagen?

Sacha Szabo: Nun der Begriff von Silvester bezieht sich auf den Namensheiligen des 31. Dezember, auf Papst Silvester. Warum nun gerade der 31. Dezember das Jahr beendet, hat mit den verschiedenen Kalenderreformen zu tun. Wir verbinden ja mit Silvester auch christliche Vorstellungen wie etwa die Beschneidung Christi am achten Tag nach seiner Geburt, also Weihnachten. Allerdings wissen wir gar nicht, wann Christi Geburt genau war, sie wurde jedoch auf den Tag des römischen Gottes Sol, des unbesiegbaren Sonnengottes, gelegt kurz vor der Wintersonnenwende. An diesem Tag wurden im antiken Rom opulente Gelage abgehalten. Vielleicht hat sich aus dieser Tradition unser Sylvestermahl, bei dem man ja oft mit Freunden feiert entwickelt.

Seit Jahrtausenden? Wo sehen Sie die Ursprünge des Feuerwerks?

Sacha Szabo: Eng verbunden mit dem Feuerwerk sind die Entdeckung von Schwarzpulver durch die Chinesen und der Import von Schwarzpulver nach Europa. Einer der ersten, der mit Schwarzpulver experimentierte, war der Franzikanermönch Bertold Schwarz. Er wird an einem Brunnen in Freiburg geehrt. Um diese Person ranken sich verschiedene Mythen, so soll sich hinter Berthold Schwarz etwa ein Konstanzer Domherr verbergen.

Und warum wird ausgerechnet an Silvester ein Feuerwerk veranstaltet?

Sacha Szabo: Bei dem Feuerwerk sollten wir zwischen Feuerwerk, dass Knalleffekte und Feuerwerk, das Lichteffekte inszeniert, unterscheiden. Häufig werden heidnische Bräuche zur Vertreibung des Winters oder des Bösen erwähnt. Im Kontext dieser Rituale wurde nun Krach und Lärm verursacht. Auf diese Linie ließen sich die Knaller und Böller beziehen.

Sacha Szabo: Das Feuerwerk, so wie wir es uns idealtypisch vorstellen, unterscheidet sich stark vom Geböllere an Silvester. Es hat wohl seinen Ursprung im Barock. Schon bei Ludwig, dem 14., wird von spektakulären Feuerwerksinszenierungen berichtet. Noch heute erfreut sich die Feuerwerksmusik von Händel gerade an Silvester großer Beliebtheit. Was wir nun an Silvester sehen, ist sozusagen ein „Abklatsch“ oder um es wissenschaftlich präzise zu sagen: ein „absinkendes Kulturgut“. Das Verhalten Adliger wurde im Laufe der Zeit von den unteren Schichten adaptiert.

Welchen Zweck hat denn heute das Feuerwerk?

Sacha Szabo: Das Bemerkenswerte des Feuerwerks ist heute, dass es völlig zwecklos ist. Sicherlich liegt die Versuchung nahe, das Feuerwerk als Vertreibung des Winters zu deuten. Aber wenn wir eben die adeligen Inszenierungen von damals betrachten, dann hatte dort das Feuerwerk in erster Linie die Funktion, die Macht des Souveräns in einer besonderen Form zu präsentieren: durch Verschwendung zum Zwecke der Prachtentfaltung. Das heutige Feuerwerk vereint nun genau diese Elemente: die Gelage der römischen Antike, die germanische Winteraustreibung und vor allem die adelige Prachtentfaltung.

Das alles ist den Käufern aber doch nicht bewusst?

Sacha Szabo: Das mag dem einzelnen Käufer nicht bewusst sein, aber ich verfolge seit meiner Kindheit, dass jedes Jahr Kritik an diesem Silvesterbrauch aufkommt. Es kommt Kritik auf über das Geld, das vernichtet wird und was man Vernünftiges damit anstellen könnte. Dabei ist das Wesen dieses Festes die Unvernunft und die Verschwendung.

Gerne wird im Kontext von Feuerwerk Adorno zitiert, der Folgendes gesagt haben soll: „Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht“. Ich glaube, dieses Zitat ist nicht verbürgt, sondern ist eine popularisierte Form eines Zitates von Adorno zur modernen Kunst aus seinen Schriften zur Ästhetik. Dort wird Adornos Aussage deutlicher, nämlich dass Kunst wie das Feuerwerk sei, und sich durch seine Zweckfreiheit der Verdinglichung entziehe. Damit wird das Feuerwerk, obwohl es hochgradig kommerzialisiert ist, zu einem antikapitalistischen Fest, da es sich gerade der umfassenden Verwertungslogik entzieht.

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Zur Person:

Dr. Sacha Szabo, (geb. 1969) studierte Germanistik, Philosophie und Soziologie und schloss mit dem Magister ab und promovierte anschließend über Vergnügungswelten wie Kirmes und Jahrmärkte. Aus dieser Forschung sind viele Ableger entstanden, wie etwa das aktuell erschienene Buch über den Ballermann. („Ballermann. Das Buch. Phänomen und Marke“). Es sind besonders die Alltagsgegenstände und die Alltagsphänomene die es Szabo angetan haben. Die Besonderheit dieser scheinbar unscheinbaren Dinge ist, dass sie nämlich eine Art „Wurmloch“ in eine Welt jenseits des Alltäglichen sein können. So entstanden auch Arbeiten über Spielzeug, Computerspiele oder Filme. Er hatte mehrere Lehraufträge an der Universität Freiburg inne und leitet gegenwärtig das Institut für Theoriekultur, Freiburg, ein loses Netzwerk von Kulturschaffenden. Mit seinem profunden Wissen über Alltagskulturen und deren Sinndimensionen ist er ein gefragter Gesprächspartner für Print, Funk und Fernsehen.

Publikationen (Auswahl)

„“Sascha Arschloch“ Leben und Werk des Lyrikers Sascha Anderson (2002), „“Fahrchips. Das Spielgeld der Kirmes“ (2006), Rausch und Rummel. Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks. Eine soziologische Kulturgeschichte (2006). Gruß aus dem Luna-Park (2007), Kirmes, Jahrmarkt und Volksfest im Spiegel historischer Postkarten. Ein kulturgeschichtlicher Streifzug (2007), Unterhaltungswissenschaft. Populärkultur im Diskurs der Cultural Studies (2008), Kultur des Vergnügens: Kirmes und Freizeitparks – Schausteller und Fahrgeschäfte. Facetten nicht-alltäglicher Orte (2009), Brand Studies: Marken im Diskurs der Cultural Studies (2009), Vom Kulturpark Berlin zum Spreepark Plänterwald (2011). Ballermann. Das Buch (2011).

Theoriedienstleister/Theorieinstallateur/Theoriedesign.

Wir werben für eine Wissenschaft von der Unterhaltung, die gleichermaßen unterhält. Unsere Forschungen behandeln Alltagsartefakte und Alltagsphänomene. Im Rahmen unserer Arbeit übernehmen wir auch Aufträge zum Theoriedesign und Theorieconcepting. Dies betrifft die wissenschaftliche Erarbeitung eines Produkts oder einer Dienstleistung bzw. eines Unternehmens. Dazu gehören Publikationen, Workshops und Kongresse. Also das komplette Spektrum einer Theorieinstallation. Allerdings machen wir keine Werbung, sondern lassen uns nur sponsern, um die wissenschaftlich Objektivität unserer Ergebnisse zu gewährleisten. Wer also Werbung will, ist bei uns an der falschen Adresse, wer UnternehmensKULTUR sucht, der ist bei uns genau richtig.

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