Darf die Vertretung von Apothekern nur im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses erfolgen?

Oder kann sie auch von Freien Mitarbeitern auf der Basis eines Honorarvertrages geleistet werden? Welche Nachteile sind im Falle einer Vertretung durch Freie Mitarbeiter denkbar?
Darf die Vertretung von Apothekern nur im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses erfolgen?
Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht

1. Ausgangslage

Gemäß § 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG) ist der Betrieb einer Apotheke erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis gilt nur für den Apotheker, dem sie erteilt ist und für die in der Erlaubnisurkunde bezeichneten Räume. Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über den Betrieb von Apotheken (ApoBetrO) hat der Apothekenleiter die Apotheke persönlich zu leiten. Er ist dafür verantwortlich, dass die Apotheke unter Beachtung der geltenden Vorschriften betrieben wird. Gemäß § 2 Abs. 5 ApoBetrO muss sich der Apothekenleiter, sofern er seine Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke vorübergehend nicht selbst wahrnimmt, durch einen Apotheker vertreten lassen. Die Vertretung darf insgesamt drei Monate im Jahr nicht überschreiten, sofern die zuständige Behörde die Vertretung über diese Zeit hinaus nicht ausdrücklich genehmigt hat. Der Vertreter darf im Laufe des Jahres für verschiedene Apotheker tätig werden, solange nicht bei den einzelnen Apothekern die jeweilige höchstzulässige Vertretungszeit überschritten wird.

2. Streitstand

Übereinstimmung herrscht zunächst insoweit, als eine solche Vertretung unproblematisch im Rahmen eines (befristeten) Arbeitsverhältnisses erfolgen kann.

Meinungsverschiedenheiten gibt es in Literatur und Rechtssprechung darüber, ob die Vertretung auch im Rahmen einer Beschäftigung als Freier Mitarbeiter mit Honorarvertrag erfolgen darf.

Dies wird teilweise abgelehnt (Mecking, AWA 15.10.2010, S. 8 ff.). Die ablehnende Auffassung wird im wesentlichen damit begründet, dass der Apotheker dem Erfordernis einer persönlichen Leitung aus § 2 Abs. 2 ApoBetrO genügen muss. Dieser Anforderung könne der Apothekenleiter nur dadurch entsprechen, dass im Falle einer Vertretung alle übertragenen Betriebsabläufe weisungsgebunden abgewickelt werden (Mecking, AWA 15.10.2010, S. 8 ff.). Dies wiederum könne nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschehen. Im Rahmen eines Honorarvertrages sei eine derartige Weisungsgebundenheit nicht herzustellen, da der Apotheker an den vorher bestimmten Arbeitsort, an die Arbeitzeiten sowie die festgelegten Aufgaben gebunden sei. Der Vertreter müsse seine Arbeitsleistung zudem persönlich erbringen und habe keinerlei wirtschaftliche Verantwortung für die Apotheke.

Gestützt wird diese Auffassung außerdem auf Beschlüsse des Landgerichts Verden vom 8.10.2009 und vom 25.11.2009, (Geschäftszeichen 2 S 154/09, www.iww.de, Abrufnummer: 101147), welche sich wiederum ohne nähere Auseinandersetzung auf Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit (BFH, 20.02.1979 – VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414; FG München, 23.07.2002 – 2 K 3177/01; EFG 2002, 1513) berufen.

Andere Auffassungen in der Literatur sehen jedenfalls die pauschale Forderung nach einer Vertretung nur im Anstellungsverhältnis als unzutreffend an und fordern eine Betrachtung des Einzelfalls (Ureta, Apothekerberater 5/2010, S.11 ff.).

3. Bewertung

Soweit eine Vertretung durch Honorarvertrag als generell unzulässig abgelehnt wird, tragen die hierfür aufgeführten Begründungen das Ergebnis nicht. Auch durch einen Honorarvertrag können alle zur Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen notwendigen Verpflichtungen auf den Auftragnehmer wirksam übertragen werden. Die Verpflichtung, die Vorschriften des Apothekengesetzes und der Verordnung über den Betrieb von Apotheken einzuhalten, dürfte sich bereits aus dem Wesen des Vertrages als solchem ergeben. Sicherheitshalber kann diese Verpflichtung durch einen pauschalen Zusatz (z.B.: Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Vorschriften des Apothekengesetzes und der Verordnung über den Betrieb von Apotheken einzuhalten und für deren Einhaltung durch Angestellte und sonstige Mitarbeiter zu sorgen, auch soweit diese Verpflichtungen den Apothekeninhaber treffen.) sichergestellt werden.

Die Apothekenbetriebsordnung sieht die vorübergehende Vertretung für Krankheits- oder Urlaubsfälle vor. Gerade in diesen Situationen ist der Inhaber aber nicht persönlich vor Ort. Regelmäßig wird der Auftraggeber für die Zeit der Vertretung hauptsächlich daran interessiert sein, dass das Geschäft während seiner Abwesenheit ohne große Einbußen und Schäden und vor allem ohne Gesetzesverstöße weitergeführt wird. Zu ständigen konkretisierenden Weisungen und entsprechender Kontrolle wird der Inhaber schon aufgrund seiner Abwesenheit nicht in der Lage sein. Daher spricht die gesetzlich ausdrücklich zugelassene Möglichkeit der Vertretung in diesen Fällen sogar eher gegen eine gesetzgeberische Festlegung auf eine ausschließlich arbeitsvertraglich gestaltete Vertretung.

Die in diesem Zusammenhang von den Vertretern der gegensätzlichen Auffassung zitierten Beschlüsse des Landgerichts Verden vom 8.10.2009 und vom 25.11.2009, (Geschäftszeichen 2 S 154/09, www.iww.de, Abrufnummer: 101147), berufen sich ohne nähere Auseinandersetzung mit der eigentlichen Thematik auf eine uralte Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH, 20.02.1979 – VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414). Der Bundesfinanzhof hatte damals eine konkrete Fallkonstellation zu entscheiden, in der sowohl der Apothekeninhaber, als auch der vertretende Apotheker ausdrücklich eine Vertretung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wollten, hierzu einen Arbeitsvertrag schlossen und Lohnsteuer abführten. Insoweit folgerichtig kommt der BFH (übrigens anders als Finanzamt und Finanzgericht) zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis (was auch sonst?) vorlag. Hier haben wir es aber genau mit dem umgekehrten Fall zu tun, dass die Vertragsparteien gerade kein Arbeitsverhältnis begründen wollen, keine Lohnsteuer abführen und keinen Arbeitsvertrag schließen. Sie schließen einen Honorarvertrag. Die Unzulässigkeit der Vertretung durch Honorarkräfte kann also jedenfalls nicht auf die zitierte BFH-Entscheidung gestützt werden. Da das Landgericht Verden seinerseits zur Begründung nur auf die BFH-Entscheidung verweist, helfen auch diese Entscheidungen nicht weiter. Aus Gesetzeswortlaut und Sinn und Zweck der Regelung lässt sich, wie oben ausgeführt, eine Pflicht zur Anstellung der Vertretungskräfte ebenfalls nicht herleiten.

4. Umgang mit Zweifelsfällen

Aufgrund der derzeitigen unterschiedlichen Auffassungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die eine oder andere Kammer die aus hiesiger Sicht unzutreffende Auffassung zu eigen macht und in der Vertretung mittels Honorarvertrag einen Verstoß gegen apothekenrechtliche Vorschriften sieht. Solche Verstöße können von der Kammer berufsrechtlich geahndet werden. Sicherheit bringt hier nur eine vorherige Anfrage bei der Kammer. Um hier nicht unnötigerweise auf Probleme aufmerksam zu machen, kann man einen Kollegen bitten, nachzufragen.

5. Vorsicht vor steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen

Soweit ein Vertreter im Rahmen des Honorarvertrages verpflichtet wird, die Vorschriften des Apothekengesetztes und der Apothekenbetriebsordnung einzuhalten, dürfte allein dieser Umstand und die sich daraus zwingend ergebenden Folgen keine Rückschlüsse auf den Status zulassen. Das Bundesarbeitsgericht urteilt in ständiger Rechtssprechung, dass Vorgaben die zur Erfüllung der übernommenen Aufgaben zwingend erforderlich sind, allein nicht den Status eines Arbeitnehmers begründen, wenn zwischen den Vertragsparteien ein freies Mitarbeiterverhältnis gewollt war (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 20.05.2009 zum AZ: 5 AZR 31/08 -juris-).

Entscheidend für die Bewertung des Vertragsverhältnisses ist also nicht die Tatsache, dass eine Apothekenvertretung erfolgt, sondern die Art, wie der Honorarvertrag im Einzelfall tatsächlich durchgeführt wird.

Hierbei besteht leider keine einheitliche Handhabung durch die Arbeits-, die Sozial-, und die Finanzgerichte.

Das Bundesarbeitsgericht stellt zunächst den von den Vertragsparteien geschlossenen Vertrag in den Vordergrund. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages führt immer zur Anwendung von Arbeitsrecht. Wurde ein Honorarvertrag geschlossen, kann trotzdem tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn tatsächlich eine starke Weisungsbindung hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung besteht und zudem eine gewisse Eingliederung in den Betrieb erfolgt.

Jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit konkret nach Weisung erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers festzustellen ist, sind deutliche Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung gegeben. Wie oben ausgeführt, reicht hierzu nicht allein die Verpflichtung, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Vielmehr spricht gerade die dargestellte typische Vertretungssituation und der Auftritt des Vertreters am Markt eher für ein echtes freies Mitarbeiterverhältnis.

Im Einzelfall kann sich dies aber auch ganz anders darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie in der Praxis leider immer wieder zu beobachten, im „Honorarvertrag“ umfangreich konkrete Weisungsrechte, Urlaubsansprüche o. ä. vereinbart werden.

Sicherheit bringt jeweils nur eine Statusanfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund. Allerdings scheint das insbesondere bei der Kürze der Vertretungsverhältnisses kaum praktikabel.

6. Fazit

Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich nicht herleiten, dass die Vertretung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgen muss. Leider scheint aber eine solche Auffassung aufgrund irriger Urteilsinterpretationen weit verbreitet. Absolute Sicherheit bringt derzeit nur eine Anfrage bei der jeweiligen Kammer.

Unbedingt bedacht werden sollte auch die Beurteilung des Vertragsverhältnisses aus arbeitsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Sicht. Diese muss nicht einheitlich ausfallen.

Wer ganz ruhig schlafen will, muss den Vertreter anstellen oder eine Statusanfrage durchführen. Sicher ist, dass die Vertragsparteien mit dieser Rechtslage nicht immer glücklich sein werden. Sie ist traurige Folge der derzeitigen allgemeinen Rechtsunsicherheiten im Bereich der Beschäftigung freier Mitarbeiter. Warum der Gesetzgeber bei der ansonsten herrschenden allgemeinen Regulierungswut gerade in diesem wichtigen Bereich untätig bleibt und deutschlandweit hunderttausende Beschäftigungsverhältnisse in zweifelhaftem Status belässt, bleibt unklar.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht

19.10.2011

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