BRÜDERLE – Gastbeitrag „Fuldaer Zeitung“ (19.07.2011)
BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab der “ Fuldaer Zeitung“ (heutige Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Die derzeitige Krise in Europa stellt die Europäische Union vor ihre bislang schwierigste Aufgabe. In meinen Augen hat der Euroraum alle Chancen, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Wir brauchen Europa. Wir brauchen einen starken Euro. Das ist für mich Staatsräson. Deutschland hat dem Euro viel zu verdanken. Unsere europäischen Nachbarn sind unsere besten Exportkunden. Die Wohlstandsfrage unseres Landes und unserer Bürger hängt auch am Erfolg des Euro. Nicht zuletzt garantiert die gemeinsame Währung auch politische Stabilität. Der europäischen Idee haben wir die längste Friedensperiode in Europa zu verdanken. Das Wichtigste ist es jetzt, für Ruhe zu sorgen und Vertrauen aufzubauen. Ohne Vertrauen in die Zukunft nützen die härtesten Konsolidierungsprogramme nichts. Die FDP-Bundestagsfraktion pocht dabei auf die bestmögliche Wahrung der Interessen der Steuerzahler in Deutschland.
Gefragt sind gut überlegte Maßnahmen, die Vertrauen schaffen und den Euro langfristig stabilisieren. Vor allem müssen wir wieder zurück zur Solidität. Wir brauchen eine neue Stabilitätskultur in Europa. Es müssen neue Leitplanken für die finanzpolitische Stabilität und eine stabile Währung eingezogen werden. Die Probleme, die der Verschuldungskrise zugrunde liegen, müssen gelöst und dürfen nicht auf die nächste Generation verschoben werden. Der bevorstehende Sondergipfel der Eurozonen-Länder sollte auch das Thema der Prävention, also die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa behandeln. Wir brauchen einen verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt und mehr Koordinierung innerhalb der Europäischen Union, ohne dass die Mitglieder deswegen ihre Kompetenzen für ihre Haushalts- und Wirtschaftspolitik an die EU abtreten. Diese neue Stabilitätskultur ist die Grundlage dafür, Verschuldungskrisen einzudämmen und künftig zu vermeiden. Nur so können wir Europa gemeinsam erfolgreich gestalten, die Europäische Integration fortsetzen und verfestigen.
Ich spreche mich aber auch für die Gründung einer unabhängigen und privat finanzierten EU-Ratingagentur aus. Damit könnte die derzeitige Vormachtstellung der drei großen nordamerikanischen Agenturen gebrochen werden. Denn das Vertrauen auf die Aussagen dieses Monopols war einer der Gründe, dass Risiken im Finanzmarkt viel zu spät erkannt wurden.
Grundvoraussetzungen für weitere Hilfen zur Stabilisierung der Eurozone sind vier wesentliche Punkte. Private Gläubiger müssen an einer Umschuldung beteiligt werden, damit nicht der Steuerzahler allein für alles aufkommen muss. Der Internationale Währungsfonds IWF muss beteiligt bleiben, da er eine unabhängige Expertise mit einbringt. Griechenland selbst muss seine Privatisierung voran bringen. Das könnte nach dem Vorbild der Treuhand in Deutschland erfolgen. Der vierte Punkt ist die Beteiligung des Bundestages bei Entscheidungen über Finanzhilfen. Die Rechte des deutschen Parlaments müssen gesichert, präzisiert und gestärkt werden.
Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wer Hilfe beansprucht, weil er seine Hausaufgaben in der Vergangenheit nicht gemacht hat, kann auf die Solidarität anderer Staaten nur hoffen, wenn er ein tragfähiges und zukunftsweisendes Sanierungsprogramm vorlegt und bei der Umsetzung Solidität zeigt.
Griechenland braucht eine faire Chance, um seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Das Land muss diese Veränderung jedoch auch umsetzen können, damit die Erholung nachhaltig wirkt. Sollte sich herausstellen, dass Griechenland seine Schulden nicht aus eigener Kraft zurückzahlen kann, ist aus meiner Sicht klar, dass es keine fortgesetzten Hilfen geben darf. Es darf nicht dazu kommen, dass ein insolventes Land dauerhaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterhalten wird. Daher kann eine geordnete Umschuldung Griechenlands zu einem Zeitpunkt X anstehen, um die Schuldentragfähigkeit zu erhöhen.
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