Was Müll tatsächlich zum Mainstream macht
Plogging, Trash-Challenges und CleanUp-Days – alles Massenbewegungen gegen Müll. Abfall gibt es reichlich, doch im Mittelpunkt des Aufräumhypes steht meist der Kampf gegen Kunststoff, vor allem symbolisiert durch das Einsammeln alter Plastikflaschen. Deshalb auf Kunststoff verzichten? Eine Studie kommt zu einem anderen Ergebnis: Es bräuchte mehr Verpackungen, wenn solche aus Kunststoff durch Alternativen ersetzt würden. Und auch sonst trägt Plastik mehr zu einer sauberen Welt bei, als mancher vermutet.
Weniger Müll produzieren und die Welt vom angehäuften Abfall befreien, hat mittlerweile hohe Priorität bei Politik und Bevölkerung. Dabei spielt der Plastikmüll eine zentrale Rolle – allerdings nicht in negativer, sondern positiver Hinsicht.
Plastik schafft Bewusstsein und bringt die Kreislaufwirtschaft voran
Aus den Bildern von massenhaften Plastikabfällen folgt ein wichtiger Effekt: Müll ist in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Im Weiteren sollte sich daraus ein Bewusstsein für effektive Entsorgung und innovative Wiederverwertung entwickeln, keine Aversion gegen Plastik. Denn Plastik ist einer der flexibelsten Werkstoffe überhaupt. Ohne Plastik, keine moderne Welt. Und Müll wird zu Abfall, wenn man ihn eben abfällig, sprich achtlos behandelt. In diesem Zusammenhang ist die Tatsache interessant, dass bis zu 20 Prozent mehr Verpackungen und damit auch mehr Müll entstünden, wenn 10 Prozent der Kunststoffverpackungen mittels Alternativmaterialien ersetzt würden – belegt durch eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, kurz GVM.
Plastik ist aber nicht nur ein fortschrittliches Material, das durch günstige Herstellungskosten Produkte auch ärmeren Bevölkerungssichten zugänglich macht, sondern es erweist sich auch bei korrekter Entsorgung als zukunftsweisend: Die Rückgewinnung der Wertstoffe – erst durch Kunststoffmüll so richtig in Gang gekommen – bringt die Kreislaufwirtschaft voran, Fortschritte bei Materialeffizienz, Recycling- und Umwandlungstechnologien inklusive.
Stoffliche wie thermische Verwertungssysteme zählen zum ökologisch nachhaltigsten Umgang mit Plastikmüll überhaupt: Dabei entstehen aus alten Produkten neue oder der Abfall wird zu Energie umgewandelt, bekannt als Waste-to-Energy. So stellt das jüngst beschlossene Gebäudeenergiegesetz (GEG) hierzulande die Abwärme aus der ther-mischen Abfallbehandlung für den Betrieb von Heizungen sogar auf die Stufe erneuerbarer Energie, Wind und Sonne ebenbürtig. Und briti-schen Wissenschaftlern ist es gelungen, mit Hilfe von Darmbakterien (E. coli) aus PET-Plastik den Aromastoff Vanillin herzustellen, ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit von Plastik und ein Meilenstein für die Möglichkeiten der synthetischen Biologie, konstatieren die Forscher.
Massentrends, Aufräumtage und soziale Initiativen zeigen Wirkung
Zu den Fortschritten im stofflichen und thermischen Recycling engagieren sich immer mehr Verbraucher fürs Müllsammeln. Achtsamkeit ist das Stichwort, ein Life-Style-Trend, aus dem die vielen Entsorgungs-bewegungen hervorgehen. Beim „Plogging“ lesen Jogger Müll auf, Walker und Hiker machen das beim „Plalking“ und „Pliking“, also beim Spazierengehen und Wandern. Social Media User und Influencer prak-tizieren und organisieren Trash-Challenges. Internationale und regionale Aufräum-Events, wie der Cleanup Day, verzeichnen wachsende Teilnehmerzahlen – der nächste findet am 20. September 2024 statt.
Wichtig ist, dass beim Kampf gegen den Abfall die Aufmerksamkeit auch darauf gelenkt wird, was Müll verursacht – nicht das Material, sondern der Umgang damit. So zeigen beispielsweise Untersuchungen im Great Pacific Garbage Patch, dem größten Müllstrudel der Welt, dass 75 bis 86 Prozent des Kunststoffabfalls im Meer aus der Fischerei stammen. Darüber hinaus sind es gerade mal 10 Flüsse in Afrika und Asien, die den Hauptteil des weltweiten Plastikabfalls vom Land in die Ozeane spülen, hauptsächlich wegen fehlender Entsorgungssysteme.
Doch auch hier gibt es positive Entwicklungen: Dort, wo es an geregelten Strukturen zur Müllbeseitigung mangelt, entwickeln sich Initiativen, die Plastikmüll zur Tauschware und Einkommensquelle machen. Dazu gehört die Plasticbank und ihr Motto „Social Plastic“ sowie IMER: ein Engagement in Mexiko, bei dem unter Mitwirkung des österreichischen Verpackungsherstellers Alpla mit eigenen LKWs Plastikmüll gegen Entgelt von regionalen Sammlern entgegengenommen wird. Weiters entsteht beim „Ecobricking“ aus Plastikflaschen nachhaltiges Baumaterial für Häuser und Möbel.
Das deutsch-südafrikanische Gemeinschaftsprojekt „EcoBrick Exchange“ baut damit sogar Schulen und wurde hierfür mehrfach ausgezeichnet mit dem Climate Change Award Kapstadt, dem SEED Award der Vereinten Nationen sowie dem Architecture for Social Gains Award. Plastik ist also in jeder Phase seines Materialdaseins wertvoll.
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