Automobilzulieferer in der Klemme: „Markt ist in Aufruhr – Lage toxisch“

Stahllieferanten wollen Order für 2022 – OEMs schweigen – Mittelständler suchen Gespräch

HAGEN – Sept. 2021. Stahlpreise, Chipmangel und mangelnde Kommunikation der Autohersteller sorgen bei Zulieferern für eine neue Eskalationsstufe. Sie sitzen zwischen allen Stühlen: Ihre Vormateriallieferanten erwarten Mengenorder für 2022, nennen teilweise aber noch keine Preise. Ihre Kunden schweigen, ignorieren Gesprächswünsche und verschieben zudem kurzfristig Abrufe – aufgrund chipmangelbedingter Produktionsstopps. Das alles torpediert jede Planung. Mitgliedsunternehmen des Industrieverbands für Blechumformung (IBU), des Industrieverbandes Massivumformung (IMU) und des Deutschen Schraubenverbandes (DSV) bezeichnen die Lage bereits als „toxisch“. Die Verbände fordern dringend eine höhere Dialogbereitschaft der Automobilhersteller.

„OEMs verkennen, dass es um Zuliefererexistenzen und die gesamte Lieferkette geht“
„Der Markt ist in Aufruhr. Die aktuelle Situation hat für viele unserer Mitgliedsunternehmen hohes Dramapotenzial“, weiß IBU-Geschäftsführer Bernhard Jacobs. „Marktmächtige OEMs spielen ihre Position aus. Sie verkennen dabei, dass es um die Existenzen von mittelständischen Zulieferunternehmen geht – und damit auch um ihre eigene Lieferkette.“

Mittelständler brauchen jetzt Preis- und Mengenvereinbarungen für 2022
Zulieferer stecken in einer immer brenzligeren Situation zwischen Vormateriallieferanten und OEMs. Die Stahlpreise sind hoch, Produzenten verdienen prächtig. Die Regierung unterstützt zudem die EU-Marktabschottung, die den Import aus Drittländern einschränkt. Umso wichtiger sind für die Planungssicherheit der Mittelständler verlässliche Preis- und Mengenabsprachen mit den Einkäufern ihrer Automotive-Kunden. Aber die kommunizieren nicht, verzögern und verschieben obendrein kurzfristig Abnahmen mit dem Hinweis auf „höhere Gewalt“ in Form fehlender Halbleiter.

„Mehraufwand in keiner Kalkulation abgebildet“
Diese Begründung lassen die Verbände nicht gelten: „Das Beschaffungsrisiko für Stahl liegt nach Herstelleransicht beim Zulieferer. Entsprechend liegt das Beschaffungsrisiko für Chips beim Automobilproduzenten“, so Jacobs. Auch der Geschäftsführer des IMU, Tobias Hain, unterstreicht die Schwierigkeiten der Zulieferer: „Die Kunden spielen üblicherweise auf Zeit und gehen, wenn überhaupt, nur verspätet und anteilig auf die berechtigte Forderung nach Preiserhöhung ein.“ „Die Stornierung oder die Verschiebung von kurzfristig fälligen Einteilungen seitens der Kunden (OEMs, Tiers) führen für unsere Mitgliedsunternehmen zusätzlich zu einem erheblichen Mehraufwand, der in keiner Kalkulation abgebildet ist“, ergänzt auch Hans Führlbeck, Geschäftsführer des DSV.

Dialog statt Schwarzmalerei: Gesprächsbereite Kunden halten Lieferkette stabil
Der IBU-Geschäftsführer, Bernhard Jacobs, und seine Kollegen setzen dennoch auf Dialog statt auf Schwarzmalerei: „Unser industrieller Mittelstand ist wettbewerbserprobt. Mit gesprächsbereiten Kunden – und Vormateriallieferanten – wird der Mittelstand alles dafür tun, die Lieferkette stabil zu halten.“Text 2.971 Z. inkl. Leerz.

Der IBU in Hagen vertritt als Bundesverband circa 240 Mitgliedsunternehmen der blechumformenden Industrie und deren Zulieferer. Diese überwiegend aus mittelständischen Familienunternehmen bestehende Branche wird durch eine industrielle Fertigung für marktmächtige Kunden geprägt. Das Umsatzvolumen der Branche betrug im Jahr 2019 rund 20,49 Milliarden Euro. Die Verbandsmitglieder sind mehrheitlich Zulieferer der Automobil- und Elektronikindustrie, des Maschinen- und Anlagenbaus, der Möbel- und Bauindustrie sowie der Medizintechnik.

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