Aus aktuellem Anlass: Gerichte moegen den Corporate Governance Kodex nicht!?

Düsseldorf, 13.04.2011 – In dem Artikel „Vorstandsverträge nicht zu früh verlängern!“(http://www.germanboardroom.de/index.php/leser/items/vorstandsvertraegenichtzufruehverlaengern.html) vom 07.04.2011, wurde ein Urteil des OLG Zweibrücken besprochen, in welchem das OLG entschieden hat, dass Aufsichtsratsbeschlüsse, durch die im Ergebnis die Bestellungszeit eines Vorstandsmitgliedes vorzeitig verlängert wird, wegen Umgehung des § 84 Abs. 1 S. 3 AktG (http://www.gesetze-im-internet.de/aktg/__84.html) nichtig sind. Eine vorzeitige Bestellung eines Vorstands-mitgliedes sei auch nicht gem. Ziffer 5.1.2 (http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/5.html) des Deutschen Corporate Governance Kodex (nachfolgend „Kodex“) gerechtfertigt, da es sich hierbei nur um eine unverbindliche Empfehlung einer unabhängigen Expertengruppe handele, die weder unmittelbare noch mittelbare Gesetzeskraft habe. Grund genug, um einmal den aktuellen, in den letzten Jahren nicht mehr allzu kontrovers diskutierte Stand der Dinge bezüglich der Rechtsnatur des Deutschen Corporate Governance Kodex darzustellen.

Die von der Kodex-Kommission entwickelten Wohlverhaltensempfehlungen werden häufig als „soft law“ bezeichnet und stellen ein Novum des deutschen Rechts dar. Vorschriften des Kodex haben weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Gesetzeskraft. Zwar wird der Kodex vor seiner Veröffentlichung vom Bundesjustizministerium überprüft, jedoch verleiht eine solche bloße Überprüfung dem Kodex keine Ge-setzeskraft (Semle, MüKo Aktiengesetz, 2. Auflage, 2003, § 161, Rn. 29).

Gemäß seiner Präambel (http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/1.html) besteht der Kodex aus drei in ihrer rechtlichen Bedeutung unterschiedlichen Teilen.

– Empfehlungen: Die Empfehlungen sind im Text des Kodex durch Verwendung des Wortes „soll“ gekennzeichnet.
– Anregungen: Hierfür verwendet der Kodex Begriffe wie „sollte“ oder „kann“.
– Rechtsbeschreibender Teil: Sie sind von Vorstand und Aufsichtsrat stets zu befolgen, wobei darauf zu achten ist, dass die nicht wörtliche Wiedergabe von Gesetzen teilweise missverständlich ist (Semler, MüKo § 161, Rn. 25).

Der Empfehlungs- und Anregungsteil des Kodex enthält eine Zusammenstellung von Leitlinien für die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften. Diese Empfehlungen und erst recht die Anregungen bezeichnet der Kodex selbst als nicht verbindlich. Wollen die Gesellschaften davon abweichen, können sie dies ohne weiteres tun (Ringleb, Deutscher Corporate Governance Kodex Kommentar, 4. Auflage, 2010, Vorbem. Rn. 43). Der rechtsbeschreibende Teil des Kodex muss selbstverständlich befolgt werden, allerdings nicht aufgrund der Darstellung im Kodex, sondern wegen der Existenz als Gesetzesnormen.

Eine Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat zu erklären, ob der Kodex überhaupt angewandt wird bzw. auch Abweichungen von Kodexempfehlungen/-anregungen kundzutun, folgt aus § 161 AktG (http://www.gesetze-im-internet.de/aktg/__161.html). Diese Verpflichtung stellt für das einzelne Unternehmen zum einen eine Art Warnfunktion dar, um zu erkennen, von welchen Empfehlungen es abweicht, die von der Kodex-Kommission als national und international anerkannte „best practice“ der Unternehmensleitung und
-überwachung zusammengestellt worden sind. Zum anderen gewährleistet dieses System für Anleger eine Übersicht (Publizität) über die Einhaltung der Kodexregelungen (Semler, MüKo, § 161, Rn. 49).

Letztlich ist mit der Regulierungsform des Kodex zwischen Selbstregulierung, Kapitalmarkt und zwingendem Recht ein neues Instrument geschaffen worden. Zwar besteht einerseits kein rechtlicher Zwang, die Wohlverhaltensempfehlungen des Kodex zu befolgen. Andererseits wird über die Verpflichtung zur Abgabe einer Entsprechenserklärung zumindest ein wirtschaftlicher Zwang vermittelt, indem der Kapitalmarkt seinerseits einen gewissen Erwartungsdruck aufbauen soll. (Spindler, Schmidt/Lutter, AktG, 2. Auflage, 2010, § 161, Rn. 10).
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