Ärzte müssen sich und ihre Praxen auf neue Strafnormen vorbereiten
Bestechen und bestechen lassen – für niedergelassene Vertragsärzte ist das im Hinblick auf ihren Beruf nach geltendem Recht nicht strafbar. Doch das soll sich ändern. Aufgeschreckt von einem entsprechenden Freibrief, den der Bundesgerichtshof (BGH) der Ärzteschaft im Jahr 2012 erteilt hat, schreiben viele Köpfe an Gesetzesvorschlägen, wie das Geschacher um Empfehlungs-Prämien, Verschreibungs-Provisionen und andere Nettigkeiten – meist finanzieller Art – unterbunden werden kann. „Und es braucht niemand zu hoffen, dass sich die Situation nach der Bundestagswahl nicht ändert“, warnt Dr. Stefan Hiebl, Fachanwalt für Strafrecht der Anwaltssozietät Eimer Heuschmid Mehle in Bonn. „Die Parteien sind sich durch die Bank einig, dass es für Ärzte neue Strafvorschriften rund um Bestechung und Bestechlichkeit geben muss.“
Das Risiko: Vieles von dem, was unter Strafe gestellt werden soll, ist in etlichen Praxen seit Langem üblich. Hiebl: „Die Ärztin verschreibt immer wieder den gleichen Hersteller, die Helferin empfiehlt ein bestimmtes Sanitätshaus, der Arzt überreicht das Rezept mit dem Hinweis, die Apotheke im Erdgeschoss habe das Medikament auf jeden Fall vorrätig – das alles sind übliche Verhaltensmuster. Die können dann von heute auf morgen strafbar sein.“ Wer sich nicht rechtzeitig auf eine solche Situation vorbereitet, kann in eine äußerst unangenehme Falle tappen.
Losgetreten wurde die Welle vom Großen Senat des BGH. Der sprach zwar von korrumptivem Verhalten im Verhältnis von Ärzten und Pharmareferenten. Dieses sei nach dem geltenden Strafrecht jedoch nicht strafbar. Gleichwohl wiesen die Richter ausdrücklich darauf hin, dass sie es für berechtigt hielten, die Korruption im Gesundheitswesen mit den Mitteln des Strafrechts effektiv zu bekämpfen.
„Was jetzt politisch diskutiert wird, zeugt zwar von Einigkeit in der Sache“, betont Strafrechtler Hiebl, „im Detail gehen die Vorschläge jedoch sehr weit auseinander.“ Zum Beispiel bei der Frage, wen die Neuregelungen treffen sollen. Neben den Vertragsärzten könnten dies auch Heilpraktiker, Zahntechniker, Apotheker oder Hörgeräteakustiker sein. Und inhaltlich ist noch offen, ob es um monetäre Vorteile ab einer bestimmten Größenordnung geht, oder ob die Staatsanwälte künftig schon bei geschenkten Blumensträußen oder einer Packung Pralinen vor der Arztpraxis stehen. Auch ist nicht klar, ob die neuen Vorschriften im Strafgesetzbuch oder im Sozialgesetzbuch verankert werden sollen.
Selbst wenn die Einzelheiten noch nicht feststehen, ist für Strafrechtler Hiebl klar: „Die Betroffenen müssen sich frühzeitig informieren und Schlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen.“ Das schließe auch mit ein, Verhaltensmaßregeln für Mitarbeiter und Kollegen zu schaffen und zu verankern. „Wer drauf hofft, dass schon nichts passiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er frühmorgens statt eines Patienten einen Staatsanwalt vor der Türe stehen hat – mit einem Hausdurchsuchungsbefehl statt einer Überweisung.“
Dass nach der BGH-Entscheidung Schätzungen zufolge mehrere tausend Strafverfahren gegen Ärzte und Pharmamitarbeiter eingestellt worden sind, gibt einen kleinen Eindruck von der Dimension des Problems.
Ärzte werden sich daher wie jedes Unternehmen auf solche Situationen vorbereiten müssen, um sich nicht ins wirtschaftliche Aus zu manövrieren. „Der Arzt muss dafür sorgen, dass er, seine Kollegen und seine Mitarbeiter die Gesetze und Vorschriften befolgen“, stellt Hiebl klar. Das gilt in ganz besonderem Maße für das Strafrecht. Criminal Compliance nennt sich diese Verantwortung neudeutsch. Hiebl: „Wer ein Programm erstellt, das strafrechtliches Verhalten aus der Praxis heraus verhindert, und dieses im Alltag auch lebt, hat nichts zu befürchten und kann ruhig schlafen.“
Doch selbst das beste Programm wird nicht ganz ausschließen können, dass es in einer Arztpraxis zu Verhaltensweisen kommt, die ein Staatsanwalt näher untersuchen möchte. „Für diesen Fall ist ein präventives Notfallmanagement unverzichtbar“, weiß Hiebl aus der Praxis. Hierzu gehört die Entwicklung eines Notfallreaktionsplans, der sicherstellen soll, dass in einer für die Mitarbeiter nicht alltäglichen Situation die richtigen Entscheidungen getroffen werden, etwa beim Verdacht auf Straftaten oder bei überraschenden behördlichen Durchsuchungsaktionen. In einem solchen Plan sind unter anderem die Berichts- und Informationspflichten geregelt, das Kommunikationskonzept mit Mitarbeitern und der Öffentlichkeit sowie die Beauftragung von spezialisierten Rechtsanwälten. Hiebl: „Wer vorsorgt und dann auch noch rechtzeitig reagiert, kann oft das Schlimmste verhindern. Da unterscheidet sich das Strafrecht kein bisschen von der Medizin.“
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