Erhebliche Steuerschulden können Entzug der Gewerbeerlaubnis und Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Unzuverlässigkeit setzt weder Verschulden noch charakterlichen Mangel voraus.
Die Gewerbeerlaubnis für die Vermittlung von Versicherungsverträgen (§ 34d Gewerbeordnung – GewO) hat strenge Voraussetzungen: neben einer Berufshaftpflichtversicherung und einem Sachkundenachweis muss der Vermittler in „geordneten Vermögensverhältnissen“ leben und „zuverlässig“ sein. Ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig im Sinne des Gewerberechts, kann ihm daher sowohl die erteilte Gewerbeerlaubnis entzogen werden als die Gewerbetätigkeit ganz oder teilweise untersagt werden (§ 35 GewO).
Zuverlässig bedeutet im Gewerberecht, dass dem Gewerbetreibenden keine schweren Verstöße gegen elementare Rechtsvorschriften vorgeworfen werden können. Zur ordnungsgemäßen Gewerbeausübung und damit zur Zuverlässigkeit in diesem Sinne gehört daher auch die Erfüllung von Pflichten gegenüber dem Finanzamt.
Bei Steuerrückständen ist ein Gewerbetreibender aber erst dann unzuverlässig, wenn diese einen erheblichen Umfang haben. Außerdem ist relevant wie lange der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Unzuverlässigkeit liegt regelmäßig vor, wenn den Steuerbehörden nachhaltig erschwert wird, ihre Ansprüche durchzusetzen. Dies ist der Fall, wenn Forderungen laufend durch Zwangsvollstreckungen durchgesetzt oder die Abgaben erst unter dem Druck von Zwangsmaßnahmen geleistet werden. Ferner ist unzuverlässig, wer regelmäßig seiner Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen nicht nachkommt.
Erhebliche Steuerschulden können daher rechtfertigen, einem Vermittler die Gewerbeerlaubnis wieder zu entziehen und die weitere gewerbliche Tätigkeit zu untersagen. Dies hat jüngst u. a. das Verwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 11.10.2010, Aktenzeichen: 3 K 658/10.KO) entschieden. Dem Vermittler wurde eine Gewerbeerlaubnis für die Vermittlung von Darlehensverträgen und Investmentfondsanteilen nach § 34c GewO erteilt. In der Folgezeit häuften sich Steuerrückstände und nicht bezahlte Säumniszuschläge. Als die Schulden einen erheblichen Umfang erreichten, regte das Finanzamt schließlich ein Einschreiten der Gewerbeaufsicht an. Daraufhin widerrief diese die Gewerbeerlaubnis, verfügte die Schließung des Betriebs und die Einstellung der Gewerbetätigkeit, drohte ihm ein Zwangsgeld an und setzte eine Gebühr fest. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens. Selbst der zwischenzeitlich von dem Vermittler erlittene Schlaganfall begründe keine günstigere Beurteilung. Denn dieser habe sich bereits vor dem Schlaganfall steuerlich erheblich verschuldet. Ohne ein überzeugendes Sanierungskonzept hätte er eigenständig die Konsequenzen ziehen und das Gewerbe einstellen müssen.
Die Unzuverlässigkeit setzt weder ein Verschulden noch einen charakterlichen Mangel voraus. Es ist daher ohne Bedeutung, welche Ursachen zur Überschuldung oder wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit des Gewerbetreibenden geführt haben. Deshalb kann man auch bei einer unverschuldet eingetretenen Notlage als unzuverlässig gelten.
Wie aber erfährt das Gewerbeamt von der Verletzung steuerlicher Pflichten? Unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt Finanzämter den Gewerbebehörden Auskünfte machen dürfen, wurde unlängst in einem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF)genauer festgelegt (14. Dezember 2010, IV A 3 – S 0130/10/10019).
Die Finanzbehörden dürfen danach das Steuergeheimnis (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 Abgabenordnung) durchbrechen und steuerliche Umstände den Gewerbeämtern mitteilen, wenn sich daraus die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden ergeben kann. Denn nach der Rechtsprechung des BFH wird das Steuergeheimnis nicht verletzt, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung besteht. Und die Überwachung von Gewerbetreibenden ist ein zwingendes öffentliches Interesse. Eine Mitteilung an Gewerbebehörden über die Verletzung steuerlicher Pflichten, ist jedenfalls dann zulässig, wenn es sich um Steuern handelt, die durch die gewerbliche Tätigkeit entstehen (insbesondere Lohnsteuer, Umsatzsteuer). Bei Personensteuern (insbesondere Einkommensteuer, Kirchensteuer) gilt dies nur, wenn diese Steuern durch die gewerbliche Tätigkeit ausgelöst wurden. Finanzämter dür-fen die Gewerbeämter bereits über Rückstände von noch nicht bestandskräftig festgesetzten Steuer-forderungen unterrichten. Es dürfen sogar Steuerschulden mitgeteilt werden, die nur auf Schätzungen basieren (vgl. u. a. Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 26.04.2004, Aktenzeichen: 8 G 1361/04).
Jedoch ist eine Gewerbeuntersagung während des Laufs eines Insolvenzverfahrens nicht zulässig. Dies hat das Verwaltungsgericht Trier entschieden (Urteil vom 14.04.2010 – 5 K 11/10.TR). Über das Unternehmen des Gewerbetreibenden war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter machte aber von der in der Insolvenzordnung vorgesehenen Möglichkeit gebrauch und gestattete ihm sein Gewerbe fortzuführen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht zur Verwaltung der gesamten Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über. Die Gewerbeordnung bestimme deshalb, dass die Vorschriften über die Gewerbeuntersagung wegen finanzieller Gründe während eines laufenden Insolvenzverfahrens keine Anwendung finden (§ 12 GewO). Denn die Gewerbeuntersagungsmöglichkeit würde dem Gesetzeszweck unterlaufen, dem Schuldner einen Neustart zu ermöglichen, so das Gericht.
„Wer wegen der Verletzung steuerlicher Pflichten in Konflikt mit dem Finanzamt gerät, soll umgehend den Rat eines spezialisierten Anwaltes in Anspruch nehmen“, so Rechtsanwalt Oliver Korn von der GPC Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. „Denn es droht neben der Steuerlast dann auch noch die Gefahr der Existenz vernichtenden Gewerbeuntersagung. Eine Untersagung kann aber abgewendet werden, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden an einem sinnvollen und Erfolg versprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Zudem haben wir beobachtet, dass die Gewerbeämter bei der Gewerbeuntersagung Fehler unterlaufen, die man jedenfalls dazu nutzen kann, sich etwas Luft zu verschaffen“, so der Berliner Anwalt.
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