Kiel/Altenholz, 14. April 2011 – Manchmal kommen sie sich wahrscheinlich dieser Tage vor wie die Bewohner eines berüchtigten gallischen Dorfes, das sich gegen das benachbarte und scheinbar übermächtige Imperium verteidigt: die Regierungsfraktionen von CDU und FDP in Schleswig-Holstein. Mit ihrem Nein zum Eckpunktepapier eines neuen Glücksspielstaatsvertrages und dem Festhalten an einem eigenen Modell sehen sie sich der Front der 15 übrigen Bundesländer gegenüber. Online-Sportwetten privater Anbieter sollen demnach auch künftig grundsätzlich verboten, Internetangebote von Casino-Spielen stark begrenzt bleiben. Allerdings wächst von Tag zu Tag die Unterstützung für das Kieler Modell, das im Gegensatz zum Entwurf der Ministerpräsidentenkonferenz auf eine kontrollierte Regulierung des gesamten Glücksspiel- und Sportwettenmarktes – inklusive Online-Poker und Online-Casino-Spiele – setzt. So unterstützt die Remote Gambling Association (RGA) http://www.rga.eu.com als Vereinigung von 30 international agierenden und bedeutenden Glücksspielanbietern die Initiative Schleswig-Holsteins, die eine hohe Qualität des Online-Glücksspiels sichere. Der von den Länderchefs verabschiedete Entwurf hingegen verfehle das Ziel, einen rechtmäßigen Wettbewerb bei gleichzeitig hochwertigen Dienstleistungen zu schaffen, die den Spielerschutz verbessern. Der derzeitige Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags sieht eine Beschränkung der privaten Online-Wettangebote auf sieben Konzessionen vor. „Es ist europarechtlich nicht haltbar, weshalb dem achten Anbieter der Zugang zum Markt zu verwehren ist. Die Klagen gegen die Diskriminierung wären ebenso absehbar wie das Scheitern des Vertrags vor dem Europäischen Gerichtshof“, warnt RGA-Vorstand Clive Hawkswood. Die RGA vertritt unter anderem Unternehmen wie betfair, 888.com, bet365, Unibet, Partygaming oder William Hill.
Entwurf der 15: De-facto-Fortführung des Monopols
In einer Pressekonferenz in Kiel legten Vertreter führender europäischer Glücksspielanbieter am Mittwoch ebenfalls ein klares Bekenntnis zum Modell Schleswig-Holsteins ab. Und nicht nur das: Wird der Glücksspielstaatsvertrag in seinem jetzigen Entwurf von 15 Bundesländern umgesetzt und realisiert das Land zwischen den Meeren gleichzeitig seinen bereits in der Gesetzgebung befindlichen Vorschlag, planen sie, hier Lizenzen zu beantragen und Arbeitsplätze zu schaffen. Während das Konzept der übrigen Bundesländer weder wirtschaftlich noch rechtlich durchdacht sei, sehen die Experten die Kieler Lösung, die der Europäischen Kommission bereits zur Notifizierung vorliegt, als richtungweisend.
Den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs, der den bestehenden Glücksspielstaatsvertrag als unionsrechtswidrig zurückgewiesen hat, wird demnach im neuen Vertragsentwurf der Ministerpräsidenten nicht Rechnung getragen. Zudem sei das Modell praktisch nicht umsetzbar, denn es beinhalte nichts anderes als eine De-facto-Fortführung des Sportwettenmonopols: Massive Werbebeschränkungen, ein weitgehendes Verbot von Live-Wetten, eine erdrosselnde Besteuerung, Limits sowie das Verbot von Poker- und Casino-Spielen machen ein vernünftiges Geschäft der privaten Unternehmen unmöglich. „Das Ausklammern von Poker- und Casino-Angeboten würde den Schwarzmarkt in diesem Bereich genauso wie bei der überregulierten Sportwette bestehen lassen. Damit würde das Ziel der Länder, den Spieltrieb zu kanalisieren, den Spielerschutz zu gewährleisten und Manipulation zu bekämpfen, glatt verfehlt“, kritisierte beispielsweise bwin-Direktor Jörg Wacker in Kiel. betfair-Zentraleuropa-Chef Dr. Peter Reinhardt sieht Schleswig-Holstein mit seinem Modell in einer Vordenkerrolle. Klammere man, wie die Ministerpräsidenten es derzeit beabsichtigen, bestimmte Angebote wie Online-Poker oder Casino-Spiele aus, gehe dies nur mit Netzsperren. Eine solche Zensur hält er allerdings für nicht durchsetzbar in einem demokratischen Staat. Der Chef der Staatskanzlei von Sachen-Anhalt, Rainer Robra, hatte zu Wochenbeginn erklärt, dass Netzsperren bis zu 90 Prozent des illegalen Glücksspiels verhindern könnten, was Fachleute für absurd halten. Man müsse sich der digitalen Realität stellen, so der Tenor in Kiel. Reinhardt forderte, dass sich ein legales Angebot in Deutschland am Verbraucher und dessen Bedürfnissen orientieren müsse. „Ansonsten laufen wir Gefahr, dass ein Markt in der Größenordnung von 5 bis 8 Milliarden Euro weiterhin völlig am Staat vorbeiläuft.“
PokerStars: Politik ignoriert vier Millionen Pokerspieler
Für Sven Stiel von PokerStars http://www-pokerstars.de ist es nach wie vor unverständlich, „warum in Deutschland vier Millionen Pokerspieler von der Gesetzgebung ignoriert werden.“ Immerhin handele es sich dabei um den zweitgrößten Pokermarkt nach den Vereinigten Staaten. Ob auf ProSieben oder SPORT1, in der BILD oder bei der DPA, Poker sei längst zu einem Massenphänomen geworden und in den deutschen Wohnzimmern angekommen. Ließen die Ministerpräsidenten diesen Markt unreguliert, würden diese Spieler weiterhin in den Schwarzmarkt gedrängt und kriminalisiert. Wie die übrigen Teilnehmer der Pressekonferenz kündigte er an, dass sein Unternehmen auf Schleswig-Holstein setzt, auch um den vier Millionen Pokerspielern der Republik so einen sicheren Hafen zu bieten: „PokerStars wird, wie die Beispiele Italien und Frankreich zeigen, unter den ersten sein, die eine Lizenz in Schleswig-Holstein beantragen und diese vollumfänglich umsetzen. Spielerschutz, Arbeitsplätze und Kanalisierung sind mit dem vorgestellten Modell sehr gut zu realisieren.“
„Ein Einmauern des deutschen Marktes“, befürchtet Mathias Dahms, Vorstandssprecher der Jaxx SE, mit einer Umsetzung des Eckpunktepapiers der Länder. Nur durch Netzsperren, Blockaden der Finanzströme und detaillierte Überwachung der Bürger könne ein solches Gesetz bewältigt werden. „Ob dies gesellschaftspolitisch durchzusetzen ist, bleibt, insbesondere auch nach der öffentlichen Diskussion der letzten Tage, fraglich.“ Der derzeitige Schwarzmarkt bleibe zudem bestehen und werde nicht in den regulierten Markt überführt. Die geplante horrende Besteuerung von 16,66 Prozent werfe zudem die Frage auf, ob man von Seiten der Bundesländer überhaupt wolle, dass private Anbieter Lizenzen beantragen – wohl wissend, dass vergleichbare Modelle in anderen Ländern nicht von Erfolg gekrönt wurden. Mit einer solchen Besteuerung unterlägen die privaten Anbieter einer Abgabe, wie sie auch für die viermal ertragreicheren Monopollotterien anfällt.
Auch Sven Meurer von Tipico, Norman Albers, Präsident des Deutschen Buchmacherverbandes und Neale Deeley, der für den britischen Sportwettenanbieter William Hill nach Kiel gekommen war, sowie André Jütting für den Deutschen Lottoverband http://www.deutscherlottoverband.de machten ihr Votum für das Modell Schleswig-Holsteins deutlich. Für den Lottoverband, der gewerbliche Lotterievermittler wie Faber und Tipp24 vertritt, ist es nach Aussage Jüttings unter anderem wichtig, dass der Kieler Entwurf „keine kartellrechtswidrige Zusammenlegung staatlicher Lotteriegesellschaften vorsieht, die das Aus für private Lotterievermittler im Internet bedeuten würde.“ (Andreas Schultheis)
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