Jetzt im Sommer erleben wir an verschiedenen Urlaubsstränden ein ähnliches Bild. Gegen Abend, die Straßenbeleuchtung geht langsam an, das Abendessen ist gerade vorbei und Gruppen von Menschen machen sich zielstrebig auf den Weg. Mit einer Leichtigkeit ausgestattet und vor Vorfreude sprühend geht man „auf die Piste“. Wir haben uns mit einem Festforscher über diese besondere Art des Flanierens unterhalten. Sacha Szabo, ein Soziologe aus Freiburg, hat sich genauer mit diesem Phänomen beschäftigt und eine kleine Typologie von Festbesuchern entwickelt.
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Wie kommen Sie zu Ihren Thesen Herr Szabo?
Sacha Szabo: Ich beschäftige mich in meiner Forschung seit Jahren mit Festen und den dortigen Ritualen. Da ich nun oft bei den unterschiedlichsten Festen war, fiel mir auf, dass es immer eine ähnliche Gruppenzusammensetzung gibt.
Wie sieht diese aus?
Sacha Szabo: Nun, stellen wir uns einmal folgendes Bild vor: Es ist eine laue Sommernacht und eine Gruppe junger Männer mit Bierflaschen, leicht angeheitert, macht sich auf den Weg zu einer Party. Wie kann solch eine Gruppe aussehen? Da sind vorne zwei Personen, die beständig Lärm machen und die Gruppe ankündigen. Einer der beiden ist eher ein Wortführer, wohingegen der andere ein Mitläufer ist und von der Aufmerksamkeit, die dem Wortführer entgegengebracht wird, profitieren will.
Das ist schon alles?
Sacha Szabo: Nein. Dann gibt es den Stillen in der Gruppe, der in der Mitte der Gruppe läuft und ihm beigestellt ist ein etwas kräftiger gebauter Gutmütiger, der oft wie ein Fremdkörper bei der Gruppe wirkt. Wird es jedoch später am Abend, dann gilt dieser als Anlaufstation.
Wie sieht denn solch ein Abend aus?
Sacha Szabo: In erster Linie wird ein räumliches Koordinatenkreuz entwickelt. Es gibt die Homebase, dort ist der Gutmütige, wohingegen sich der Wortführer stark exponiert. Der Mitläufer und der Stille bewegen sich nun zwischen diesen Punkten und versuchen so, Eindruck zu machen.
Das klingt sehr unlustig?
Sacha Szabo: Nur weil es sehr sachlich beschrieben ist. Wenn wir einmal diese Archetypen mit geläufigen Bezeichnungen versehen, dann merken wir, dass der Volksmund alle vier Typen sehr schätzt. Da ist der Gemütliche, der Bär und wenn die Feier es schafft, diesen zu integrieren, dann „tanzt der Bär“. Der Stille ist in anderer Lesart cool und erfüllt damit das Klischee des Partylöwen, der ruhig am Rand der Tanzfläche steht und still sein Glas hält. Der Wortführer ist in dieser Lesart ein Gockel. Ein Begriff der im Bayrischen als „rumgockeln“ bekannt ist. Und der Mitläufer erhält geradezu eine Aufwertung. Im Versuch seine Rolle zu finden, kaspert und albert er häufig rum. Er macht sich zum „Affen“.
Das wiederum klingt aber sehr abfällig.
Sacha Szabo: Auch das scheint nur so, gerade der Lustige in Kombination mit dem Gemütlichen schaffen es oft, das Eis zu brechen, so dass der Gockel und der Löwe sich dann dazugesellen. So eindeutig ist die Hierarchie nämlich gar nicht.
Gibt“s es noch mehr Auffälligkeiten.
Sacha Szabo: Diese Auffälligkeiten lassen sich auch an der Trinkkultur festmachen. Jeder dieser Gruppe demonstriert mit seinem Trinkverhalten etwas anderes. Großspurigkeit, Besonnenheit, Außeinseitertum und natürlich zeigt sich das auch im Tanzen. Das Stehen an der Tanzfläche hatten wir ja schon beschrieben, nun gibt es auch ein sehr aggressiven Antanzen, ein narzistisches sich-Zeigen und natürlich auch ein verlassenes Sitzen am Tisch.
Haben Sie noch mehr beobachtet?
Sacha Szabo: Das Spannende ist, wenn diese unterschiedlichen Strategien aufgehen und eine gelungene Sozialinstallation bilden, dann profitieren alle davon. Um im Reich der Tiermetaphern zu bleiben: Dann „geht die Sau ab“.
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