Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde bislang im Wesentlichen im Hinblick auf die Kindererziehung diskutiert. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung rückt jedoch zunehmend die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger in das Blickfeld des Gesetzgebers. Derzeit beziehen nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ca. 2,5 Mio. Menschen in Deutschland Leistungen aus der Pflegeversicherung. Mehr als zwei Drittel dieser Pflegebedürftigen werden zu Hause von ihren Angehörigen und durch ambulante Dienste betreut. Vor diesem Hintergrund wurde das Gesetz über die Familienpflegezeit (Familienpflegezeitgesetz – FPfZG) geschaffen, das mit Wirkung zum 01.01.2012 in Kraft getreten ist. Pflegende Angehörige sollen nun die Möglichkeit haben, in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren zur häuslichen Pflege von nahen Angehörigen mit reduzierter Stundenzahl im Beruf weiterzuarbeiten. Durch eine staatlich geförderte Aufstockung des Arbeitsentgelts wird die finanzielle Lebensgrundlage der Betroffenen während dieser Zeit gesichert. Letztlich muss der Aufstockungsbetrag allerdings von den Beschäftigten erarbeitet werden.
1. Kein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung zur Familienpflegezeit
Zunächst ist festzuhalten, dass entgegen ursprünglicher Planungen dem Beschäftigten kein Anspruch auf die Vereinbarung einer Familienpflegezeit zusteht. Vielmehr bedarf die Familienpflegezeit, wie z.B. die Altersteilzeit, einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und dem Beschäftigten. Auch Fristen, etwa zur Entscheidung des Arbeitgebers über einen Antrag des Beschäftigten auf Familienpflegezeit, sind nicht vorgesehen. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BAG in vergleichbaren Konstellationen ist allerdings davon auszugehen, dass der Arbeitgeber nach „billigem Ermessen“ über den Antrag auf Abschluss einer Familienpflegezeitvereinbarung entscheiden muss. Erforderlich ist also eine Abwägung der betrieblichen Interessen mit dem Interesse des Beschäftigten.
2. Reduzierung der Arbeitszeit und Aufstockung des Arbeitsentgelts
§ 2 Abs. 1 FPfZG sieht vor, dass Beschäftigte ihre wöchentliche Arbeitszeit längstens für die Dauer von zwei Jahren reduzieren können, um einen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen.
Dabei kann die Arbeitszeit bis zu einem Mindestumfang von 15 Stunden wöchentlich verringert werden. Während der Dauer der Familienpflegezeit ist das für die reduzierte Arbeitszeit zu zahlende Arbeitsentgelt um die Hälfte der Differenz zwischen
dem bisherigen und dem wegen der Teilzeitarbeit verringerten Entgelt aufzustocken. Aufzustocken ist das regelmäßige Arbeitsentgelt, ausschließlich der Sachbezüge und nicht laufend gezahlter Entgeltbestandteile, das im Durchschnitt der letzten 12 Monate vor Beginn der Familienpflegezeit erzielt wurde (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b bb) FPfZG). Die Aufstockung muss zudem den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfassen. Die Finanzierung der Aufstockung kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen. Eine Möglichkeit ist es, das zur Aufstockung notwendige Arbeitsentgelt aus einem bestehenden Wertguthaben des Beschäftigten zu entnehmen, das bereits in der „Vorpflegephase“ aufgebaut wurde. Besteht ein solches Guthaben nicht, oder nicht in ausreichender Höhe, kann der Arbeitgeber alternativ beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen. Steht kein Wertguthaben zur Verfügung, so resultiert aus der Familienpflegezeit zunächst ein sog. „negatives“ Wertguthaben, das wie folgt ausgeglichen wird:
In der sog. „Nachpflegephase“ erhöht sich die Arbeitszeit des Beschäftigten wieder auf den vor Antritt der Familienpflegezeit bestehenden Umfang. Das Arbeitsentgelt wird aber solange nur in reduziertem Umfang ausgezahlt, bis der Saldo ausgeglichen ist. Der Arbeitgeber behält also einen Teil des Entgelts ein und zahlt, sofern er ein Darlehen des Bundesamtes in Anspruch genommen hat, mit dem einbehaltenen Entgelt dieses Darlehen zurück (§ 6 FPfZG). Um das Rückzahlungsrisiko auf Grund von Berufsunfähigkeit oder Tod des Beschäftigten abzudecken, hat dieser mit Beginn der Familienpflegezeit eine Familienpflegezeitversicherung mit einem gem. § 11 FPfZG zertifizierten Versicherungsunternehmen abzuschließen. Es
reicht allerdings aus, wenn der Arbeitgeber einen Antrag auf Aufnahme des Beschäftigten in die vom Bundesamt abgeschlossene Gruppenversicherung stellt.
3. Finanzierung der Aufstockung durch Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
Der Staat fördert die Familienpflegezeit durch die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Arbeitgeber zur Finanzierung der Aufstockung. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Darlehens ergeben sich aus §§ 3 Abs. 1, 11 FPfZG:
-Vorlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem über Inanspruchnahme der Familienpflegezeit;
– Nachweis der Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch eine Bescheinigung der Pflegekasse, des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen oder des Gutachterdienstes Medicproof GmbH (bei privat Versicherten);
– Vorlage einer Bescheinigung des Beschäftigten über den Abschluss einer Familienpflegezeitversicherung oder Antrag auf Aufnahme in eine vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben abgeschlossene Gruppenversicherung.
4. Besonderer Kündigungsschutz
Während der Familienpflegezeit und der Nachpflegephase ist eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den Arbeitgeber grundsätzlich ausgeschlossen (§ 9 Abs. 3 FPfZG). Eine Ausnahme vom Kündigungsverbot hat der Gesetzgeber (wie auch während des Mutterschutzes und der Elternzeit) nur in Ausnahmefällen zugelassen.
5. Absicherung des Arbeitgebers durch Ausgleichsanspruch
Dagegen besteht für den Beschäftigten kein Verbot, sein Arbeitsverhältnis sowohl während der Familienpflegezeit als auch in der Nachpflegephase zu kündigen. Der Arbeitnehmer kann dann allerdings sein Negativguthaben nicht mehr durch Arbeitsleistung ausgleichen. In diesem Fall erhält der Arbeitgeber einen Ausgleichsanspruch in Geld (§ 9 Abs. 2 FPfZG), den er allerdings nur gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen kann, wenn er keine Leistungen aus der Familienpflegezeitversicherung erhalten kann. Zahlt der Beschäftigte nicht, kann der Arbeitgeber ihn mit einer Fristsetzung von zwei Wochen mahnen. Nach fruchtlosem Fristablauf hat der Arbeitgeber gegenüber dem Bundesamt einen Anspruch auf Erlass der Rückzahlungsforderung aus erhaltenem Darlehen. Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Beschäftigten geht in diesem Fall in entsprechendem Umfang kraft Gesetzes auf das Bundesamt über.
Frau Susanne Küster, Rechtsanwältin bei PNHR (Rechtsanwälte Köln) gibt abschließend noch folgenden Rechtstipp:
„Zwar besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss einer Vereinbarung von Familienpflegezeit, doch sollte sorgfältig abgewogen werden, ob die etwaigen entgegenstehenden betrieblichen Gründe einer Überprüfung durch das Arbeitsgericht standhalten. Bei dieser Abwägung sowie bei einer eventuellen praktischen Umsetzung einer Vereinbarung von Familienpflegezeit sind wir Ihnen gerne behilflich.“
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