Die Zukunft ist elektromobil, Elektroräder sind der Renner: Kein anderes Mobilitätskonzept verzeichnet derzeit solch ein Wachstum. Der Gesetzgeber kann mit der Innovation kaum Schritt halten; so entstanden Grauzonen und vor allem Unsicherheit: Was muss man mit welchem Fahrzeug beachten? Der pressedienst-fahrrad (www.pd-f.de) definiert und unterscheidet die Gattungen.
[pd-f / hdk] Unter Elektrorädern kann sich jeder was vorstellen – schwieriger ist der noch recht neue Begriff „Pedelec“. Er setzt sich zusammen aus den Wörtern pedal, electric und cycle: Das Pedelec hat keinen Gasgriff; es unterstützt nur, wenn man in die Pedale tritt. Diese Gattung ist die mit Abstand meistverbreitete: über 500.000 Pedelecs fahren auf deutschen Straßen. „E-Bike“ indes wird missverständlich gebraucht: Einerseits fungiert der Terminus noch als Oberbegriff aller elektro-unterstützten Räder. „Die Branche hat sich jedoch darauf verständigt, den Begriff für solche Gefährte mit Gasgriff zu verwenden“, weiß Kurt Schär, Geschäftsführer des Schweizer Pedelec-Pioniers Flyer.
Verschiedene Gattungen kompakt
Folgende vier Elektrorad-Gattungen unterscheidet das deutsche Gesetz derzeit.
1. Pedelec bis 250 Watt und 25 km/h ohne Anfahrhilfe,
2. Pedelec bis 250 Watt und 25 km/h mit Anfahrhilfe bis 6 km/h,
3. Pedelec bis 500 Watt und 45 km/h mit Anfahrhilfe bis 20 km/h und
4. E-Bike bis 500 Watt, mit Gasgriff, ohne Geschwindigkeitsbeschränkung.
Während Kategorie 1 und 2 regulär als Fahrrad gelten, sind die 3. und 4. Art Kleinkrafträder – Hersteller müssen für die Typgenehmigung und die Betriebserlaubnis sorgen. „Für Händler und Endverbraucher gilt: Individuelle Umbauten, wie sie beim Fahrrad Usus sind, müssen den im Fahrzeugschein festgehaltenen Parametern entsprechen“, erklärt Gerhard Ziegler vom Hersteller Winora. Das betrifft Reflektoren, Antriebsübersetzung, Reifenprofile und -größen, Rückspiegel sowie äußere Abmessung des Fahrzeugs (die z. B. durch einen Lenkerwechsel verändert werden kann). Fahrer der Kategorien 2, 3 und 4 benötigen einen Mofaführerschein, wenn sie nach dem 1.4.1965 geboren sind (ist in der Auto-Fahrerlaubnis enthalten). Gattung 3 und 4 brauchen zudem ein Versicherungskennzeichen.
Radwege und Helm
Innerorts dürfen Räder der Gattung 3 und 4 den Radweg nicht nutzen, außerorts müssen sie es nicht. „Wichtig: Ohne Motorunterstützung sind alle Pedelecs und E-Bikes einfach Fahrräder und dürfen auch wie solche gehandhabt werden. Eine Helmpflicht existiert bisher für keine der E-Radklassen – doch empfehlen wir natürlich jedem, einen Helm zu tragen“, so Anke Namendorf vom niederländischen Anbieter Koga.
Beleuchtung
Für die ersten beiden Elektroradgattungen gilt laut §67 der StVZO wie für Fahrräder Dynamopflicht. „Dies ist das beste Beispiel, dass Technologie und Praxis das Gesetz längst überholt haben. Mit einer Anpassung des Paragraphen ist zu rechnen“, gibt Peter Horsch vom Hersteller riese und müller Auskunft. Bis dahin ist der Dynamo (oder ein als solcher funktionierender Motor) an Gattung 1 und 2 weiterhin Pflicht. „Unnötig ist das insofern, als dass Akkus üblicherweise über eine Stromreserve verfügen, welche die Lichtanlage auch noch zwei Stunden lang versorgt, wenn der Motor schon abgeschaltet werden muss“, verdeutlicht Sebastian Göttling vom Beleuchtungsspezialisten Busch & Müller.
(Kinder-)Transport
„Junge Familien nutzen das Pedelec gerne; immer häufiger ersetzt das E-Rad den Zweitwagen“, weiß Marketingexpertin Katrin Pfeuffer von Hercules. Verständlich – denn als Zugmaschine für den Kinderanhänger lassen Eltern sich gern unterstützen. „Doch Vorsicht!“, warnt hier Sabine Richarz vom Kindertransporter-Hersteller Zwei plus zwei: „Nur Pedelecs bis 25 km/h dürfen wie Fahrräder den Transporter ziehen. Die offene Klasse ist nicht zur Personenbeförderung zugelassen.“ Das gilt natürlich auch für Kindersitze. Grundsätzlich rät Richarz zu angepasster Geschwindigkeit und Fahrweise.
Sonderfälle – Sonderregeln?
Räder mit Elektrounterstützung gibt es nicht nur im Bereich der Citybikes, beinahe jede Fahrradgattung ist mittlerweile elektrifiziert.
E-Mountainbikes z. B. werden immer beliebter, nehmen sie doch dem Bergab-Spaß die Bergauf-Mühen. „Für elektrounterstützte MTBs gelten die gleichen Regeln wie für unmotorisierte: Sie sind nicht für den Straßenverkehr zugelassen“, erklärt Sven Bernhardt von Haibike. Auch für mehrspurige Fahrzeuge wie etwa Liegedreiräder gelten keine Extravorschriften. „Wir bieten auch unsere Liegeräder auf Wunsch mit 250-Watt-Motor an, was besonders beim Anfahren oder Bergauf-Passagen für noch mehr Entspannung sorgt“, wie Paul Hollants von HP Velotechnik anfügt.
Tellerrand: Vorreiter Schweiz?
Während die eidgenössischen Regularien bisher in etwa denen anderer europäischer Länder entsprachen, wurden hier kürzlich auch gesetzlich zukunftsweisende Weichen gestellt. Eine kurze Zusammenfassung der Novelle: Als Fahrräder eingestufte „langsame“ Pedelecs dürfen erstens über eine Anfahrhilfe bis 20 km/h und zweitens auch über einen 500-Watt-Antrieb verfügen. Schnelle Pedelecs dürfen bis 1.000 Watt und 45 km/h schieben und haben Radhelmpflicht. Bei Modellen mit Gasgriff über 20 km/h ist ein Mofahelm vorgeschrieben. Ferner ist der Kindertransport nun auch mit der schnellen Klasse erlaubt.
Interessant ist, dass Pedelecs zwar über eine feste Beleuchtungsanlage verfügen müssen, die Energiequelle aber nicht spezifiziert ist (Dynamo oder Akku/Batterie). Auch gilt die Novelle ausschließlich für neue Gefährte, ein Nachrüsten älterer ist nicht obligatorisch.
Zukunftsausblick
Der wachsenden Bedeutung der Pedelecs folgend müssen nicht nur StVO und StVZO dringend angepasst werden, „der Gesetzgeber muss auch dem sich massiv ändernden Straßenbild Rechnung tragen“, ist Albert Herresthal vom Branchenverband VSF überzeugt. Hier setzt auch der Nationale Radverkehrsplan an, zu dessen zweiter Auflage NRVP 2020 dem Verkehrsministerium ein Vorschlag vorliegt. Darin wird gefordert, dass der NRVP dabei helfen solle, „die Potenziale elektrounterstützer Fahrräder durch Schaffung geeigneter Infrastrukturen zu nutzen“.
Auch die Expertenrunde des Deutschen Verkehrsgerichtstages 2012 fordert eine Vereinfachung der Bestimmungen. So solle z. B. die zweite Pedelec-Gattung unter der ersten subsumiert werden.
Der pressedienst-fahrrad hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem guten Fahrrad und dessen Anwendung mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Denn wir sind der Meinung, dass Radfahren nicht nur Spaß macht und fit hält, sondern noch mehr ist: Radfahren ist aktive, lustvolle Mobilität für Körper und Geist. Kurz: Radfahren ist Lebensqualität, Radfahren ist clever und Radfahren macht Lust auf mehr…
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