Sortenwahl ohne amtliche Versuche?: Zur Zukunft der Landessortenversuche
(aid) – Für Ackerbauer Friedrich Bennemann steht der Ertrag von Mais und Weizen an erster Stelle. Aber bei Hafer stimmt das schon nicht mehr. Da stehen Forderungen der Schälmühle nach Eigenschaften wie ?geringer Spelzenanteil? oder ?hohes Tausendkorngewicht? ganz oben auf der Kriterienliste, wenn Bennemann eine neue Sorte für das nächste Jahr wählt. Doch auch bei Mais und Weizen gewinnen sogenannte agronomische Eigenschaften an Bedeutung, sagte Bennemann auf der DLG-Wintertagung in Münster. Er bewirtschaftet einen Hof in Schleswig-Holstein, auf dem Spätsaatverträglichkeit und Standfestigkeit eine große Rolle spielen. Damit Bennemann und seine Berufskollegen die richtige Sortenwahl treffen, führen die Bundesländer Landessortenversuche durch, deren Ergebnisse in Beratung und Fachpresse veröffentlicht werden. Landessortenversuche sind freiwillige Leistungen der Bundesländer, die wegen knapper Haushalte und Personalabbau in vielen Bundesländern auf dem Prüfstand stehen. In Brandenburg wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine Abwicklung der Landessortenprüfung abwägt. „Dieser Trend ist beunruhigend“, sagte Dr. Reinhard Krendlbacher, Vorsitzender des DLG-Ausschusses für Pflanzenzüchtung und Saatgut. Die aufwändigen Versuche „dokumentieren den Züchtungsfortschritt zum Nulltarif.“ Volker Michel ist bei der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern für das Sortenwesen zuständig. Er sieht in dem bisherigen Prüfsystem „fundamentale Vorzüge“. Es ist unabhängig, neutral, beurteilt die Gesamtheit der wertbestimmenden Eigenschaften, ist mehrjährig und wird an vielen Orten für eine bessere Vergleichbarkeit durchgeführt. Die Übertragung der Prüfungen auf private Anbieter wäre eine „Zäsur“ und berge Risiken. Nach Michel könnten letztjährige Ergebnisse überbetont werden, finde eine Ertragsorientierung statt und das Marketing könnte sich auf ausgewählte Eigenschaften beschränken. Bei kleineren Pflanzenarten wie Lein oder Futtererbsen verringere sich der Anbau und schwinde der Züchtungsfortschritt. Für Uta Schnock, Referatsleiterin Wertprüfung im Bundessortenamt, ist die amtliche Prüfung ein hohes Gut. Flächendeckend werden in Deutschland aber nur noch Mais, Weizen, Triticale, Roggen und Gerste geprüft. Soja werde in Bayern nur an drei Standorten geprüft und die Runkelrübe bundesweit schon länger nicht mehr. Mit Blick auf den Mais scheint es aber auch andere Lösungen zu geben. Im Jahr 2010 haben die deutschen Maisbauern 650 Sorten ausgesät, von denen rund die Hälfte aus dem EU-Ausland kam. Sie waren weder auf der beschreibenden Sortenliste verzeichnet noch haben sie in Deutschland ein Prüfungsverfahren durchlaufen. Einen kompletten Rückzug aus dem Prüfwesen wird es nach Schnock aber nicht geben. Die Datengrundlage der Landessortenversuche bildet eine einzigartige Datengrundlage für die Beratung. Dennoch müssten die knappen Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Als Vorbild könnte die CTPS in Frankreich dienen. Das „Comité Technique Permanent de la Sélection des plantes cultivées“ besteht aus Landwirten, Züchtern und Verbrauchern. Das CTPS schlägt Sorten für die Zulassung vor und ist gleichzeitig auch ein Gremium, das die staatlichen Ausgaben für die Sortenversuche gesellschaftlich begründet. Denn, so Uta Schnock, eine nachhaltige Landwirtschaft, Nährstoffeffizienz und Wachstum ohne chemischen Pflanzenschutz sind die künftigen Herausforderungen an neue Sorten. Und diese müssen getestet und bewertet werden.
Roland Krieg, www.aid.de
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