„Es geht um Märkte und nicht um Moral“

Unfaire Mittel im Kampf um Beibehaltung des Glücksspielmonopols

+++ von Ansgar Lange +++ Berlin, April 2011 – Kurz vor der Ministerpräsidenten-Konferenz zum Glücksspielstaatsvertrag, der nun ab 2012 sieben Konzessionen für private Sportwettenanbieter vorsieht, wurde mit harten Bandagen gekämpft. Interessierte Kreise scheuen sich dabei nicht, haltlose Vorwürfe über die Presse zu lancieren. Ein Nachrichtenmagazin, das bei der Veranstaltung, über die sie berichtete, gar nicht anwesend war, titelte reißerisch: „Spitzenpolitiker ließen sich in Luxushotel einladen“. Der Artikel hält dann allerdings nicht, was er verspricht, weil die Autoren neben dem Verbreiten von Vermutungen und Spekulationen lediglich aus dem Einladungstext zu einer Fachkonferenz auf Sylt zum Thema Glücksspiel zitieren. Die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU und FDP in Schleswig-Holstein, Dr. Christian von Boetticher und Wolfgang Kubicki, halten den „von der Opposition vorgenommene(n) Versuch der Skandalisierung des Termins“ denn auch für „grotesk“.

Es ist kein Geheimnis, dass es beim Thema Glücksspielstaatsvertrag unterschiedliche Ansichten gibt. Vornehmlich SPD-geführte Länder wollten lange Zeit alles so lassen wie es ist. Doch dies ist nicht möglich, weil der Europäische Gerichtshof den deutschen Glücksspielstaatsvertrag in seiner seit 2008 bestehenden Form verworfen hat. Bis spätestens Anfang nächsten Jahres müssen die Ministerpräsidenten nachbessern. Die christlich-liberale Koalition in Kiel hat die eigenen Karten längst offen auf den Tisch gelegt. Bereits am 17. Dezember 2010 hat sie ihren Entwurf für ein Glücksspielgesetz eingebracht. Bei der Fachkonferenz am vergangenen Wochenende nutzten CDU und FDP als Schirmherren der Veranstaltung die Chance, mit mehreren Dutzend Wissenschaftlern, Vertretern großer Medienhäuser und potentiellen Investoren offen und transparent über den vorgeschlagenen Weg für eine kontrollierte Liberalisierung des Marktes zu diskutieren. Auch andere Modelle wie das des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) http://www.dosb.de wurden auf Sylt vorgestellt und besprochen.

Am Rande der Veranstaltung wurde auch die Gelegenheit genutzt, mit anwesenden Unternehmensvertretern über mögliche Ansiedlungen zu sprechen. Ein völlig normaler Vorgang, denn Wirtschaftsförderung ist eine Kernaufgabe einer Landesregierung. „Die Gespräche stimmen uns optimistisch, dass zahlreiche Unternehmen, darunter auch börsennotierte, sich in Schleswig-Holstein ansiedeln werden“, sagte CDU-Fraktionschef von Boetticher. CDU und FDP im hohen Norden versprechen sich von einer Konzessionierung des Sportwettenmarktes bei einer Aufrechterhaltung des Veranstaltungsmonopols im Lotteriebereich vor allem neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Schleswig-Holstein.

Monopolisten wollen den Kuchen alleine teilen

Klar ist: Es geht in erster Linie um Märkte und nicht um Moral. Es ist nicht gut, dass die sachliche Debatte über die Zukunft des Glücksspielstaatsvertrags gestört wird, indem bestimmte Kreise Blendgranaten zünden und so tun, als stehe Deutschland vor einer dramatischen Schicksalswahl. Die Monopolisten gerieren sich gern als dem Gemeinwohl verpflichteter David, der gegen einen übermächtigen Goliath antritt, der reine Profitinteressen vertritt. Zuletzt machte der Deutsche Lotto- und Totoblock (DLTB) mit hochpreisigen Anzeigen in überregionalen Zeitungen mobil nach dem alarmistischen Motto: „Deutschland hat (noch) die Wahl!“. Dabei ist keineswegs nachgewiesen, dass bei einer Liberalisierung damit zu rechnen wäre, dass die Erträge aus Sportwetten privatisiert und die Folgekosten der Allgemeinheit aufgebürdet würden. Es stimmt auch nicht, dass sich private Anbieter aus dem Bereich der Sportwetten und des Online-Pokers weigerten, an der Finanzierung des Spitzen- und Breitensportes mitzuwirken. Die Monopolisten wollen nur nichts von ihrem immer kleiner werdenden Kuchen abgeben und verschweigen, dass aufgrund der bizarren Rechtslage in Deutschland sehr viel im rechts-grauen Raum geschieht und der Staat mögliche sprudelnde Steuerquellen nicht nutzen kann. Keiner Regierung können mögliche neue 30.000 Arbeitsplätze egal sein, die geschaffen werden könnten, wenn sich die Ministerpräsidenten auf das schleswig-holsteinische Modell einer kontrollierten Öffnung des Wettmarktes unter Einbeziehung von Online-Poker einigen. Fachleute rechnen nämlich damit, dass der steuerliche Rohertrag durch Poker sogar den von Sportwetten übertreffen würde. Realisten wie der sachsen-anhaltinische Staatskanzlei-Chef Rainer Robra (CDU) haben zudem registriert, „dass der Spieltrieb des Menschen nicht zu unterdrücken ist“ – auch nicht durch ein staatliches Zwangsystem und verkrustete monopolartige Strukturen.

Lottomittel für die Bildung!

Das es bei der Frage über die Zukunft des Glücksspiels nicht um schwarz oder weiß, gut oder böse geht, machte vor einiger Zeit auch Jürgen Kaube mit dem Artikel „Die Lottofee ist sozial ungerecht“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) http://www.faz.net deutlich. Eine Studie hatte nämlich ergeben, dass die Lotterie „eine Form staatlicher Ausnutzung der Hoffnungen von Menschen mit geringer Bildung und durchschnittlichem Einkommen“ sei. Die Umverteilung von unten nach oben – so Kaube – erfolge beim Lottospiel nicht nur auf der Einnahmen-, sondern auch auf der Ausgabenseite. Nicht die Spieler, sondern die Nichtspieler seien es, die den größten Nutzen aus den so genannten Lottomitteln zögen. Konsequenterweise müssten die deutschen Lottounternehmen fordern, dass die Lottomittel weniger stark in Sport und Kunst und Denkmalpflege fließen, sondern stärker der nichtgymnasialen und vorschulischen Bildung zugute kommen. Denn dies ist oft genau die Klientel, die Lotto spielt. „Dann kämen, die besteuert werden, auch in den Genuss der staatlichen Leistungen, die mit dieser Steuer bezahlt werden“, schreibt Kaube.

Schon vor einigen Jahren kam die SPD wegen einer Großspende aus Luxemburg in Erklärungsnot, so der Journalist Guido Heinen. Damals waren 65.894 Euro für das Jugendprojekt „Alex“ der Berliner SPD überwiesen worden. „Dabei handelte es sich um zusammengefasste Provisionen aus einem außergewöhnlichen Geschäft einer SPD-Firma: Auf der Homepage der Partei vermarktet die SPD-eigene „Image“ seit November 2001 so genannte Systemlotto-Spiele. Eine noch unbekannte Zahl von SPD-Mitgliedern wurde als Kunden an eine in Luxemburg ansässige Firma vermittelt. Pro Lotto-Spiel flossen 50 Cent an das Jugendprojekt „Alex“ der Berliner SPD. Im Mai wurden diese gesammelten Provisionen aus der Kooperation von der Firma „EuroLottoClub“ gespendet.“ Dies bestätigten der Berliner Morgenpost damals sowohl der Sprecher des Berliner SPD-Landesverbandes als auch die Firma „EuroLottoClub“. Die Annahme einer Spende als Gegenleistung für einen wirtschaftlichen Vorteil ist nach Parteiengesetz verboten.

Die Firma „Image“ war Teil des millionenschweren Medienimperiums der SPD, das sie in der Holding „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“ (DDVG) zusammengefasst hat. „Auch die Firma „EuroLottoClub“ war während der Kooperation mit der SPD durch dubiose Werbemethoden aufgefallen. So warb sie bis vor kurzem mit einem falschen Konsul als Vorstandsmitglied. Bereits Anfang der neunziger Jahre hatte eine Notarkammer ihre Mitglieder im Zusammenhang mit Schneeballsystemen vor einer ähnlich klingenden Firma gewarnt, die von Madeira aus Lotto-Systeme vertrieb. Ihr Vertriebspartner in Deutschland war damals eben jenes Unternehmen, das in den letzten beiden Jahren das „SPD-Card-Lottosystem“ organisierte“, so Heinen in der Berliner Morgenpost.

Wie gesagt: Die Diskussion über die Zukunft des Glücksspielstaatsvertrags ist kein Ethikdiskurs. Keine der beteiligten Seiten – weder der Staat noch die Privaten – sollte eine höhere Moral für sich beanspruchen. Die Ministerpräsidenten entscheiden, welcher Weg den Zielen Spielerschutz, Gemeinwohlorientierung, Steuereinannahmen, Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen etc. am besten erreicht und dabei dem natürlich vorhandenen Spieltrieb der Menschen Rechnung trägt. Mit einer baldigen konsequenten Entscheidung ist wohl nicht zu rechnen, obwohl mit dem Gesetzentwurf aus Schleswig-Holstein nach Ansicht von Experten bereits ein ganzheitliches Konzept auf dem Tisch liegt, dass diese Anforderungen berücksichtigt.
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