Poesie der Pflanze

Photographien von Karl Blossfeldt, Jim Dine und Roselyne Titaud in Köln

Poesie der Pflanze

links: Karl Blossfeldt: Nieswurz, Christrose. o.J.; rechts: Jim Dine: Entrada Drive, 2001-2003 (Bildquelle: © VG Bild-Kunst, Bonn 2019)

Laufzeit: 22. Februar bis 21. Juli 2019 in Raum 1

Pressepreview: Mittwoch, 20. Februar um 11 Uhr (Bitte akkreditieren Sie sich zum Presserundgang über folgenden Link: http://bit.ly/2FXSp1p)

Eröffnung: Donnerstag, 21. Februar um 19 Uhr

Die immer wieder neu zu entdeckende Natur, die Vegetation mit ihren vielzähligen Gewächsen und Formen, ihre räumliche Disposition, das sie umspielende Licht ebenso wie die übergreifende Wirkung all dessen bilden das Zentrum der Ausstellung. Es geht einerseits um das Sehen, das Beobachten und empfindsame Wahrnehmen von Pflanzen und Pflanzenwelten, dokumentiert via Kamera; andererseits um ein achtsames Anschauen photographischer Bilder, gefertigt aus der Hand zweier Künstler. Es geht um Realität und Interpretation.

Die Werke von Karl Blossfeldt (1865-1932) und Jim Dine (*1935) setzen in diesem Sinn starke Impulse. Auch wenn beide auf verschiedene künstlerische Richtungen und Generationen zurückgehen, so wird doch in ihren Arbeiten deutlich, dass das Geheimnis der Natur, ihr Zauber ebenso wie ihre Regelmäßigkeit und Ordnung eine für die schöpferische Arbeit nicht versiegende Quelle ist. Beide Künstler verbindet die Liebe zur Natur, die differenzierte Auseinandersetzung mit ihrem Bildgegenstand ebenso wie ihre Präzision in der Umsetzung ihrer photographischen Kompositionen.

Karl Blossfeldt

Karl Blossfeldt, von dem in der Ausstellung über 70 originale Photographien, umgesetzt als Gelatinesilberabzüge, gezeigt werden, erarbeitete seine Ansichten vor dem Hintergrund seiner Lehrtätigkeit an der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums, Berlin. Dort hatte der in Schielo (Harz, Sachsen-Anhalt) geborene Blossfeldt zwischen 1884/85 und 1888 studiert und in Folge als Modelleur in der Bronzewerkstatt gearbeitet.

Das Jahr 1898 gilt als der eigentliche Beginn seiner photographischen Tätigkeit, denn Blossfeldt nutzte die von ihm erarbeiteten Photographien im Kunstunterricht zur Erarbeitung kunsthandwerklicher Stücke und individueller Zeichenentwürfe. Mittels photographischem Abbild konnte er seinen Studenten das von ihm in der Umgebung Berlins gesammelte Pflanzenmaterial nicht nur in quasi frisch dokumentiertem Zustand vor Augen führen – natürliche Pflanzen welkten und veränderten sich oft zu schnell -, sondern er konnte die Pflanzenteile in vielfach vergrößerter Auflösung und gelegentlich in von ihm fokussierter und spezifisch präparierter Gestalt zeigen. Blossfeldts Intention richtete sich vor allem auf die Besonderheit der einzelnen, ihn faszinierenden Formen, die er in aller Präzision herausarbeitete. Typisch für die Photographien von Karl Blossfeldt ist, dass er die Gestalt der Pflanze vor einem flächig neutralen Hintergrund freistellte. Insofern griff er zu einer der puristischsten Möglichkeiten einer Bildkomposition, die dem quasi wissenschaftlichen Aufzeigen anvisierter Gegebenheiten dient.

Blossfeldts Ruhm begann mit der 1926 von Galerist Karl Nierendorf in Berlin ausgerichteten Ausstellung seiner Photographien gemeinsam mit Skulpturen aus Afrika und Neuguinea. 1928 veröffentlichte Blossfeldt seine bahnbrechende Publikation Urformen der Kunst, zu Beginn des Jahres 1932 folgte Wundergarten der Natur. Am 3. Dezember 1932 verstarb Karl Blossfeldt in Berlin. Heute gehört er zu den anerkanntesten Künstlern und Photographen des 20. Jahrhunderts. Ebenso wie die Arbeiten von August Sander und Albert Renger-Patzsch zählen die Pflanzenansichten Blossfeldts zu den entscheidenden Werken der Neuen Sachlichkeit in der Photographie.

Jim Dine

Die Ausstellung „Poesie der Pflanze“ stellt den Arbeiten Blossfeldts etwa 40 Heliogravüren des amerikanischen Künstlers Jim Dine gegenüber. Sie sind größeren Formats und nähern sich der poetischen Wirkung der Pflanzenwelt in formal anderer und doch verwandter Weise. Hier wie da treffen wir auf eine höchst intensive Auseinandersetzung mit dem Bildgegenstand und der davon im Einzelnen auszuführenden Photographie gleichwie deren Einbindung in eine aufschlussreich weiterführende Bildreihe.

Jim Dine, der in vielen verschiedenen künstlerischen Medien, sei es der Malerei, der Bildhauerei, der Druckgraphik, auch der Literatur und Lyrik Zuhause ist, wurde Ende der 1950er-Jahre im Kontext der Pop-Art-Szene in New York berühmt. Vor allem seine Werke, die Motive wie Bademäntel, Herzformen, Farbpaletten, Pinsel und Werkzeuge zeigen, sind heute einem großen Publikum bekannt. Aber auch das von der Natur Geschaffene erwarb sein unentwegtes Interesse, wie die Darstellungen und installativen Einbeziehungen von Bäumen, Ästen und Blumen verdeutlichen. Bereits 1969 entstand Dines Portfolio Vegetables, seine früheste Arbeit, die sich mit botanischen Formen und Farben auseinandersetzt.

Jim Dines Leidenschaft für die Natur und Pflanzenwelt zeigt sich auch in der aktuell vorgestellten Reihe Entrada Drive mit Heliogravüren, die zu Beginn der 2000er-Jahre entstanden. Dieses Konvolut wird nun zum ersten Mal in Europa präsentiert und wurde überhaupt erst einmal in dem New Yorker Universitätsmuseum „Neuberger Museum of Modern Art“ ausgestellt. Die Arbeiten gehen auf einen Arbeitsaufenthalt in Los Angeles im Winter 2001 zurück, als der Künstler gemeinsam mit seiner Frau Diana Michener auf dem Entrada Drive wohnte. Insbesondere das eigenwillige Licht blieb ihm nachhaltig in Erinnerung, er empfand es wie in einem „grauen Juli“. Entsprechend gehen die ausgestellten, teils dunkeltonigen Heliogravüren auf Photographien zurück, die in L.A. entstanden, doch auch Aufnahmen aus botanischen Gärten, die der Künstler in Berlin und New York besuchte, mischen sich unter. Im Gegensatz zu Blossfeldt richtet sich Jim Dines Aufmerksamkeit über die einzelne Gestalt der Pflanze hinaus, mehr noch auf den Raum, in dem er die Pflanzen, Büsche und Gesträuche antrifft und erlebt.

Die von Jim Dine vorgestellten Heliogravüren wirken durch ihre besonders austarierten Grauwerte auf feinzeichnender Papierqualität, als Ergebnis eines längeren Erarbeitungsprozesses. Es sind in Handarbeit gefertigte Werke, die auf Grundlage einer Photographie – im speziellen Fall gehen sie auf schwarzweiße Negative im Mittelformat zurück – als Diapositive in Originalgröße der geplanten Heliogravüren gewandelt und im Kontakt mit lichtempfindlichen, gelatinebeschichteten Kupferplatten belichtet wurden.

Ein Blick in die Sammlung und in die Zusammenarbeit mit ihren Kooperationspartnern

Die Zusammenführung und Gegenüberstellung der beiden künstlerischen Positionen von Karl Blossfeldt und Jim Dine ist aus der Betreuung der internen Archivbestände hervorgegangen. So basiert einerseits die Präsentation der Werke von Karl Blossfeldt auf der engen, inzwischen 20-jährigen Zusammenarbeit zwischen der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur und der Universität der Künste Berlin, zu deren Eigentum ein Blossfeldt-Konvolut von u. a. über 600 Originalabzügen zählt. Ein umfangreicher Teil dieser Arbeiten befindet sich als langfristige Leihgabe im Bestand der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, wird zuweilen mit Berliner Universitätsbeständen gewechselt oder ergänzt und in Ausstellungen oder Publikationen veröffentlicht. 2009 entstand zum Gesamtbestand des betreffenden Blossfeldt-Konvoluts ein wissenschaftlich kommentiertes Werkverzeichnis, das auf der Homepage der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur einsehbar ist ( https://www.photographie-sk-kultur.de/karl-blossfeldt/werke/).

Mit der Präsentation der Reihe Entrada Drive von Jim Dine bezieht sich die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur auf ein umfangreiches Konvolut, das der Künstler 2005 in die Obhut der Institution übertragen hat. Es ist die vierte Ausstellung, die die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur dem photographischen Schaffen des Künstlers widmet, das im hauseigenen Sammlungsbestand mit ca. 1500 Arbeiten vertreten ist.

zeitgleich in Raum 2 und 3:

Roselyne Titaud – „Geographies des limites humaines“. Photographien

In Raum 2 und 3 werden photographische Arbeiten von Roselyne Titaud (*1977) gezeigt. Ihre Motivwelt umfasst das Interieur verbunden mit vorgefundenen Stilllebenformationen sowie Naturbetrachtungen, entstanden etwa in Wäldern und Flusslandschaften in Deutschland und Frankreich. Roselyne Titaud hat an der ecole des Beaux-arts in Saint-etienne studiert und lebt seit einigen Jahren in Berlin.

Unter dem Titel „Geographies des limites humaines“ – eine Referenz an ein Gedicht von Paul Eluard verfasst 1936 – hat die Künstlerin eine Auswahl aus unterschiedlichen photographischen Serien getroffen (A bruit, Tiefe, 2012-2013; Interieurs, Arrangements, 2001-2007; Am Löwentor, 2009; Les vallees, 2015; La Loire, 2017-18) und mit weiteren Einzelmotiven aus ihrem Schaffen in einen assoziativen Zusammenklang gesetzt. Nicht ein chronologisch-retrospektiver Ansatz wird in der Ausstellung verfolgt, vielmehr geht es Roselyne Titaud um motivische, thematische und formale Querverbindungen, um das Ausloten von sich verändernden Bedeutungszusammenhängen, wie sie je nach Kontext in die eine oder andere Richtung verweisen. Auch mediale Fragestellungen und Präsentationsformen spielen eine Rolle.

Das Genre des Stilllebens ist für Roselyne Titaud ein zentrales Arbeitsfeld. Ihre Bildgegenstände findet sie in französischen und Berliner Wohnungen. Dargestellt sind private dekorative Arrangements, die von persönlichen Vorlieben und Geschmäckern erzählen, auf Erinnerungsmomente anspielen und denen so eine besondere zeitliche Komponente inne wohnt. Auf den Photographien von Titaud entdeckt man Porzellan und Glas in unterschiedlichen Formen und Farben, als Geschirr, Vasen oder auch figürlich; dekorative Stoffe mit Mustern und Fransen, aus Spitze oder gewebt, Kissen und Überwürfe auf dem Mobiliar, Sessel, Vitrinen, Kommoden und kleine Tische, auf denen die Gegenstände drapiert sind. Eine Motivgruppe, die besonders häufig auf den Bildern anzutreffen und die von einer großen Vielfalt ist, sind Blumen, Pflanzen und auch nachgebildete Tiere. Das Spektrum reicht vom Blumenstrauß in einer Vase, über Topfpflanzen, künstlich oder echt, bis hin zum floralen Muster auf Tapeten, Teppichen oder Decken. Tiere als Porzellanfiguren, auf Bildern gemalt oder auch in Form von Muscheln oder Korallen bevölkern die Photographien von Roselyne Titaud. Dieser der Natur entnommene Kosmos an Gegenständen erscheint uns befremdlich wie vertraut zugleich. Er führt weg von der Gegenwart in eine vergangene Zeit, als Einrichtungsmoden und -stile noch anderen ästhetischen und materiellen Parametern unterlagen. Und darüber hinaus spiegeln sich in den vorgefundenen Arrangements letztlich gesellschaftliche Strukturen, familiäre Lebensvorstellungen und Verbundenheit sowie wirtschaftliche Voraussetzungen.

„Die Hummer-Quadrille“. Photographien von Roselyne Titaud, Herbert Bayer, Jim Dine, Ruth Hallensleben, Willi Moegle und Anonyme

Eine Ausstellung im Rahmen von „Artist meets Archive“ und der Internationalen Photoszene Köln (4. Mai bis 21. Juli 2019 in Raum 3 und 4, Eröffnung: Sonntag, 5. Mai um 14 Uhr)

Ab dem 3. Mai wird ein zweiter, neu installierter Teil der Ausstellung von Roselyne Titaud in Raum 3 zu sehen sein. Im Rahmen von „Artist meets Archive“, ein Kooperationsprojekt der Internationalen Photoszene Köln, war die Künstlerin eingeladen, sich mit den Archivbeständen der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur zu beschäftigen. Und es sind insbesondere die „verborgenen Schätze“, die Seitenstränge der Sammlung, die Titaud als Impulsgeber entdeckt und mit eigenen Arbeiten in einen assoziativen Dialog gesetzt hat. Ausgewählt hat sie Photographien von Herbert Bayer, Jim Dine, Ruth Hallensleben, Willi Moegle und Anonyme. Jedes noch so unterschiedliche Werk wird Teil eines visuellen Alphabets, das in der Zusammenstellung der Künstlerin veränderte Blickwinkel und Interpretationen ermöglicht. „Die Hummer-Quadrille“ bezeichnet ein Kapitel aus Lewis Carrolls Roman Alice im Wunderland, in dem sich Meerestiere zum Tanz zusammenfinden und einen bunten Reigen in immer neuen Konstellationen bilden – ein offenes und dynamisches Bezugssystem, das sinnbildlich für das Ausstellungskonzept steht.

Die Pressebilder zu den Ausstellungen finden Sie im Pressebereich der SK Stiftung Kultur unter dem Direktlink: http://bit.ly/2F5lcCt

Presserückfragen unter Tel. +49 221 88895 105, E-Mail: pr@sk-kultur.de

Das 1992 von der SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn erworbene August Sander Archiv, das neben dem künstlerischen Nachlass auch die Bildrechte von August Sander umfasst, bildet den Grundstein der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Es ist das weltweit größte Konvolut mit originalen Werken des Photographen (1876-1964). Mit Blick auf Sanders sachliche und konzeptorientierte Photographie erweiterte sich die Sammlung um weitere seinem Ansatz verwandte Arbeiten anderer historisch wichtiger und zeitgenössischer Künstler. Schwerpunkte bilden so auch die Photographien von Bernd und Hilla Becher, von Karl Blossfeldt, von Jim Dine und vielen mehr. Die Ausstellungen orientieren sich programmatisch am Sammlungsbestand.

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