Die Kostüme deuten es bereits an: die Karnevalsjecken nehmen sich selbst nicht zu ernst. Über sich selbst lachen zu können, ist eine nicht zu unterschätzende Voraussetzung für entspannte Lebensfreude. Wenige intensive Tage lang tut man, wonach einem ist, lässt seiner Phantasie freien Lauf, tanzt und singt und isst nach Herzenslust Hochkalorisches wie das traditionelle Fettgebäck oder eine deftige Erbsensuppe. Eine gute Unterlage ist wichtig, denn Karneval ist nicht zuletzt anstrengend. Kilometerlange Umzüge bei kaltem Wetter wollen durchgestanden sein! Dabei sind sich die Karnevalisten der Endlichkeit des Feierns stets bewusst. Das wohl bekannteste Schunkellied lautet „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“. Der Blick auf die Vergänglichkeit motiviert zum bewussteren Erleben der unbeschwerten Zeit. Der Narr war im Mittelalter auch ein Symbol der Vergänglichkeit und des Lasters. Der tugendhaft Demütige sieht sein Leben als Geschenk und bemüht sich, es zur Vollendung zu führen. Der Karneval ist kein sinnloses Treiben, sondern mit existentiellen Fragen verknüpft.
Ausgelassenheit vor dem Beginn der Bußzeit
Religiöses Brauchtum hat sich oft heidnische Elemente einverleibt, so auch der Karneval. Denn die ausgelassenen letzten Tage vor der Fastenzeit (die „Fastnacht“, oder, wie die Kölner sagen, der Fastelovend) läuten auch das Ende des harten Winters ein: für die Menschen traditionell ein Grund zum Feiern. Die heute freiwillig auferlegte Buße des Fastens hatte früher den handfesten Grund, dass die Vorräte zur Neige gingen und man darauf angewiesen war, dass die Natur neu erwachte. Dabei ist Abstinenz auch für den Wohlstandsmenschen eine bereichernde Erfahrung: Verzicht lehrt Genuss, was man nicht hat, lernt man schätzen. Die Übersetzung von „Karneval“ mit „Lebe wohl, Fleisch“ (lateinisch „carne vale“) ist wohl eher eine scherzhafte Volksetymologie. Der Begriff stammt wahrscheinlich vom mittellateinischen „carne levare“, was so viel bedeutet wie „Fleisch wegnehmen“. Beides verweist auf die fleischlose, magere Fastenzeit.
Fastenzeit: Vorbereitung auf Ostern als Fest der Auferstehung
Am Aschermittwoch erhalten die Gläubigen als Memento mori das Aschenkreuz aus der Asche der geweihten Palmzweige des Vorjahres. Man gedenkt des eigenen Todes, wird sich des Werdens und Vergehens bewusst. So wie es in Psalm 90,12 heißt: Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
Doch der Frühling und Ostern führen auch vor Augen, dass aus dem Vergangenen neues Leben entsteht. Der 4. Fastensonntag, Laetare (lateinisch für: „Freue dich!“), verbindet die Vorgänge in der Natur mit dem christlichen Glauben: er steht in der Mitte der Fastenzeit („Mittfasten“) und wird auch Todsonntag oder Todaustragen genannt, abermals in Anlehnung an die heidnische Wintervertreibung. Zu Mittfasten darf das Fasten gebrochen werden und beginnt man, sich auf die Tröstung der Auferstehung zu besinnen – Ostern rückt näher: Die Tage werden an Ostern länger als die Nächte. Das Licht besiegt die Dunkelheit.
Das Leben siegt über den Tod
Der scheinbar endgültige Tod des Karfreitages wird durch die Auferstehung des Herrn und das sichtbar leere Grab am Ostersonntag überwunden. Das ewige Leben ist uns durch Christus verheißen, die Sünden durch sein Blut am Kreuz getilgt. „Wir sind nur Gast auf Erden.“ (Gotteslob Nr. 656) – genau das sagt der Aschermittwoch aus. Karneval ist also die Würdigung des fleischlichen Lebens im Hier und Jetzt. Das memento mori verweist jedoch auf die Vergänglichkeit des Fleisches und die ewige Heimat bei Gott.
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