Nutzung der Atomkraft ? Zeitalter der Verantwortungslosigkeit. Umwelt- und Naturschutzverbände fordern das sofortige Abschalten aller Atomkraftwerke
Berlin: Nach Tschernobyl 1986 zeichnet sich jetzt im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ein weiterer „Größter Anzunehmender Unfall“ (GAU) in der Geschichte der nuklearen Stromerzeugung ab. Die deutschen Umweltverbände sind voller Anteilnahme mit den Menschen eines Landes, das als einziges in Hiroshima, Nagasaki und jetzt Fukushima aus der militärischen und der zivilen Atomkraftnutzung von unendlichem Leid getroffen wurde.
„Die Atomkatastrophe von Fukushima ist Ausdruck menschlicher Überheblichkeit und des Glaubens, diese Risikotechnologie beherrschen zu können. Stattdessen ist die Atomnutzung Symbol menschlicher Dummheit und der grenzenlosen Gier nach Milliardenprofiten der AKW-Betreiber. Die Befürwortung der Atomenergie bedeutet die Inkaufnahme nicht rückholbarer Entscheidungen und die ungelöste Entsorgungsfrage des Atommülls zu Lasten zukünftiger Generationen. Das Gerede von Restrisiko und Brückentechnologie kann nach der japanischen Atomkatastrophe nur noch als zynisch gewertet werden“, sagte DNR-Präsident Hubert Weinzierl. „Wir brauchen keine Prüfung von drei Monaten, die Fakten sind alle bekannt, die Risiken stehen fest. Und es geht auch nicht nur um die ältesten sieben AKWs, es geht um alle Atommeiler. Wir haben die Möglichkeiten, zu einer schonenden, sicheren und für das Klima verträglichen Energieversorgung zu kommen, wenn wir Einsparen, Effizienzrevolution und den Ausbau erneuerbarer Energien miteinander verbinden. Das ist das, worum es uns seit den siebziger Jahren geht“, so Weinzierl.
„Der Beitrag der Atomenergie zur globalen Energieversorgung ist bis heute klein geblieben und wird schon durch die Begrenztheit von Uran gering bleiben. Und die Atomenergie ist auch nicht preiswert, sie hat sich vielmehr durch hohe Subventionen und zahlreiche Privilegien große Vorteile und Sonderrechte verschafft. Sie ist gleichsam eine Sonderwirtschaftszone, die mit einem fairen Wettbewerb nichts zu tun hat. Der entscheidende Hebel ist die Beendigung der heutigen Verbundwirtschaft hin zu dezentralen Energiedienstleistungen. Großkraftwerke haben eine innere Logik der Verschwendung und des hohen Energieverbrauchs. Das ist nicht vereinbar mit einer modernen Energiepolitik“, betonte Michael Müller, Vorsitzender der NaturFreunde und DNR-Präsidiumsmitglied. „Auch der Ausstiegskompromiss von 2001, den die Regierung Schröder und Fischer mit den Atomkraftwerksbetreibern geschlossen hatte, war aus Sicht der Umwelt- und Naturschutzbewegung bereits zu kurz gedacht. Letztere hatte immer einen deutlich schnelleren Ausstieg gefordert. Die Atomwirtschaft hat mit ihrer Macht und mit der Androhung milliardenschwerer Entschädigungsklagen weitergehende Maßnahmen verhindert. Und sie hat dann auf Zeit gesetzt, um unter anderen politischen Mehrheiten das Gesetz zum Atomausstieg zu revidieren. Das war bereits bei den Bundestagswahlen 2002 und 2005 ihr Ziel, wurde aber erst 2009 mit der schwarz-gelben Regierung möglich. Heute wird sogar behauptet, die Umwelt- und Naturschutzverbände würden den Umstieg in die erneuerbare Zukunft blockieren. Sie würden den Ausbau der Netze und moderner Energietechnik verhindern. Das wird ausgerechnet von denen gesagt, die in der Vergangenheit das Erneuerbare-Energien-Gesetz bekämpft haben. Tatsächlich ist dies nicht der Kern der Auseinandersetzung. Vielmehr sind die Umweltverbände der Auffassung, dass die zentralisierte Stromwirtschaft mit ihren zentralistischen Leitungssystemen und Netzen keine Zukunft hat. Wir treten für einen Umbau ein, auch bei den Netzen hin zu einer dezentralen Netzstruktur“, so Müller.
Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, forderte die sofortige Auflegung eines „Energiewende-Sofortprogramms“. „Ein vollständiger Atomausstieg ist bis 2015 möglich und machbar“, sagte Weiger. „Die Reaktorkatastrophe in Fukushima muss die Bundesregierung zwingend zu einer dramatischen Beschleunigung des Atomausstiegs motivieren. An einer sofortigen Energiewende führt kein Weg vorbei und alle Versuche der vier großen deutschen Stromkonzerne, sie zu verzögern oder gar zu verhindern, müssen entschieden zurückgewiesen werden. Die sieben älteren Atomkraftwerke plus Krümmel müssen sofort und endgültig stillgelegt werden, die übrigen mit einem Energiewende-Sofortprogramm. Allein daran werden wir und die deutsche Öffentlichkeit die Politik der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin messen.“
Bestandteile eines solchen „Energiewende-Sofortprogramms“ müssten die Beschleunigung des Ausbaus der Offshore-Windenergie, die verbindliche Ausweisung von ausreichenden Vorrangflächen für Windenergie durch die Bundesländer, ein Energie-Effizienzfonds und ein nationales „Top-Runner-Programm“ sein, das die sparsamsten Elektrogeräte zum Standard erhebt. Mit diesen Maßnahmen könne der Stromverbrauch in Deutschland bis 2020 um etwa 70 Terra-Wattstunden verringert werden. Allein die Effizienz- und Energiesparmaßnahmen machten den Weiterbetrieb von mindestens sechs Atomkraftwerken überflüssig. Mit einem Verbot des Neubaus von Kohlekraftwerken sollte der Anteil für Strom aus neuen Gaskraftwerken ausgeweitet werden. Außerdem müsse sich der Umbau des Stromnetzes in Zukunft ausschließlich an den Bedürfnissen der erneuerbaren Energien orientieren.
„Die Bundesregierung muss endlich ernst machen mit der Energiewende. Deutschland kann auf acht Atomkraftwerke sofort und auf sechs weitere durch die Reduktion des Stromverbrauchs verzichten. Eine Stromversorgung ohne Atomkraftwerke ist machbar“, sagte Weiger.
Einen BUND-Hintergrund zum „Energiewende-Sofortprogramm“ finden Sie im Internet unter: http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/atomkraft/20110317_atomkraft_energiewende_sofortprogramm.pdf
Eine BUND-Position „Zukunftsfähige Energiepolitik“ unter:
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/energie/20081100_energie_position.pdf
Pressekontakt: Dr. Helmut Röscheisen, DNR-Generalsekretär, Mobil: 0160-97209108; Michael Müller, Vorsitzender NaturFreunde Deutschlands, Mobil: 0172-2462125; Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressesprecher, Tel. 030-27586-425; E-Mail: presse@bund.net; www.bund.net
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