Automatisierung im Straßenverkehr: Der Mensch darf nicht zu kurz kommen
– Reiner Ersatz von Menschen durch Maschinen nicht zielführend
– Warnung vor zu schneller Umsetzung im Realverkehr und rein technikzentrierter Betrachtungsweise
– Sicherheitsgewinn abhängig von Berücksichtigung menschlicher Verhaltensweisen
Bad Windsheim (ARCD), 3. März 2014. Viel wird derzeit über Automatisierung im Straßenverkehr und das autonom fahrende Auto diskutiert. In der Regel geht es dabei um technische Machbarkeit und rechtliche Fragestellungen. Viel zu kurz kommt in dieser Diskussion der Mensch, kritisiert Dipl.-Psychologe Tobias Ruttke im Interview mit Auto
Reise, dem Clubmagazin des ARCD Auto- und Reiseclub Deutschland.
Es sind positive Zahlen, die das Statistische Bundesamt vor wenigen Tagen mitteilte: Nach vorläufigen Ergebnissen ging 2013 die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten um 7,2 Prozent gegenüber 2012 zurück und sank auf 3.340 Menschen. Auch die Zahl der Verletzten reduzierte sich um 2,7 Prozent auf rund 374.000 Personen.
Dennoch sind es immer noch viel zu viele Verkehrsopfer. Nach Auffassung von Experten werden zwischen 75 und 97 Prozent der Unfälle durch menschliche Fehler verursacht. Häufige Schlussfolgerung daraus: Diese durch eine Automatisierung des Straßenverkehrs verhindern zu wollen.
Wer allerdings Menschen einfach durch Maschinen ersetzen möchte, macht es sich zu leicht, findet Dipl.-Psychologe Tobias Ruttke von der Friedrich-Schiller-Universität Jena: „Grundsätzlich sollte die Frage nicht sein, was technisch machbar ist, sondern was aus Sicht des Menschen eine sinnvolle Ergänzung unseres Leistungsvermögens darstellt. Die einseitige Konzentration auf die technischen Aspekte birgt in einem so dynamischen Bereich wie dem Individualverkehr viele unkalkulierbare Risiken.“ Dieser umfangreiche Automatisierungsansatz für den äußerst vielschichtigen Individualverkehr ist bislang noch ohne Vorbild, und die Systeme sind laut dem Wissenschaftler von einer reibungs- und gefahrlosen Funktion in vielen Zusammenhängen noch weit entfernt.
Noch viele offene Fragen
Unbeantwortete Fragen findet Ruttke auch beim Umgang mit Systemfehlern und der so genannten Verantwortungsdiffusion zwischen Mensch und Maschine. „Die große Gefahr ist, dass Lernerfahrungen aus Gründen des Innovationsdrucks zu früh im Realverkehr und potenziell auf Kosten echter Menschenleben gemacht werden.“ Dies sei nicht akzeptabel!
„Notwendig ist aus meiner Sicht eine sehr viel umfassendere und transparentere Forschung zum gesamten Themenbereich“, kritisiert Ruttke die technikzentrierte und von Unternehmen getriebene Forschungsarbeit. Stattdessen fordert der Psychologe eine stärkere Analyse der menschlichen Verhaltenseffekte sowie eine intensive Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Dimensionen automatisierten Fahrens.
Als grundsätzliche Kritik an der technischen Entwicklung will der Wissenschaftler seine Aussagen jedoch nicht verstanden wissen: „Ich glaube, dass die Systeme durchaus einen Sicherheitsgewinn produzieren können. Damit dieser aber überhaupt entsteht und erhalten bleibt, muss der Mensch vom Rande der Betrachtung in das Zentrum rücken.“ Menschen sind nach Ruttkes Auffassung die zentrale Schnittstelle für die peripheren Unterstützungssysteme. „Nur unter diesem Betrachtungswinkel kann Automatisierung gelingen, denn wir nutzen diese Systeme nicht nur, sondern ihr Zweck muss es sein, uns zu nutzen.“
Das vollständige Interview mit Dipl.-Psychologe Tobias Ruttke finden Sie in Ausgabe 03/2014 des ARCD-Clubmagazins Auto
Reise. ARCD
Über den ARCD:
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Silvia Schöniger
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