Gottesmutter Maria? Oder vielleicht doch Isis?
Wissenschaftlich, spannend und unterhaltsam, so das interessante Sachbuch von Harald Specht, das jüngst mit zahlreichen Farbabbildungen unter dem Titel „Von Isis zu Jesus – 5000 Jahre Mythos und Macht“ im Engelsdorfer Verlag Leipzig zur Neuauflage kam. Das wohl einzige deutschsprachige Sachbuch, das sich umfassend mit den verschiedenen Aspekten zur altägyptischen Göttin Isis bis hin zu ihrer Rolle als Vorbild für die christliche Jungfrau Maria auseinandersetzt.
Wie in seinem vielbeachteten Folgeband „Jesus? – Tatsachen und Erfindungen“ geht Specht auch in seiner „Isis“ auf hochbrisante Fragen der Kultur- und Religionsentwicklung von der Antike bis in unsere Zeit ein. Und so fragt der Autor unter anderem:
Begingen die frühen Christen ihre Gottesdienste auch in Tempeln am Nil?
Wie sahen die heiligen Handlungen der Priester während der „Orgia“ aus und was passierte wirklich hinter verschlossenen Tempeltüren?
Mord oder Suizid? Wie starb Kleopatra, die letzte Pharaonin und Priesterin der Isis?
Mysterienkulte und orgiastische Ausschweifungen – was ist dran an den „Zuständen im alten Rom?“
Gab es die berüchtigte Blutstaufe der Mithras-Jünger und ist Jesus Christus nur eine Kunstfigur?
Warum haben Göttessöhne gerade am 25. Dezember Geburtstag?
Wie war die Kindheit der Heiligen Maria und wer ist das Kind auf ihrem Schoß?
All diese Fragen haben mit der altägyptischen Göttin Isis, aber auch mit der Frauenrolle während unserer zivilisatorischen Entwicklung zu tun. Fragen, die einst im Matriarchat mit der Großen Muttergöttin begannen und bei der Gottesmutter enden.
Wie aus der Mutter-Göttin die Gottes-Mutter wurde, welche Rolle die antike Isis in den Mythen und Religionen spielte und bis heute im Christentum ihre Spuren hinterlassen hat, zeigt der Autor anhand seiner tiefgründigen Recherche, zu der er auch die wichtigsten Schauplätze in Ägypten, in Israel und in der Türkei besuchte.
Und es sind oft verblüffende Antworten, die uns helfen, hinter den berühmten „Schleier der Isis“ zu blicken!
Es sind nur drei Fragen, auf die jeder Mensch – mehr oder minder bewusst – seine Antworten zu finden hofft: Es ist die Frage nach seiner Herkunft, die Suche nach dem Sinn seines Daseins und Werdens und nach der Bewältigung seines unausweichlichen Todes.
Mag dem Einzelnen sein ganz persönlicher Glaube, sein Streben nach Harmonie und Anerkennung oder die Gewissheit, nicht umsonst gelebt zu haben hinreichende Antworten geben, so trachtete die Menschheit als Ganzes seit jeher nach fassbaren Kosmogonien, erklärenden Mythen, erfahrbaren Religionen und kultureller Identität.
Den Höhen und Tiefen der Geschichte des monotheistischen Abendlandes und der Zerrissenheit seiner spirituellen Werte steht dabei das alte Ägypten mit seiner mehrtausendjährigen Gelassenheit, monumentalen Ruhe und erneuernden Kraft seiner Götter gegenüber. Das kaum überschaubare Pantheon des Nilvolkes überragen seine bekanntesten Götter, die des Osiris-Mythos mit ihrem weiblichen Part der ISIS.
Es ist ISIS, die Muttergöttin und Beschützerin, die Göttin der Natur und Vernunft, die Frucht- und Kulturbringerin, die das Verlorene wiederfinden und zusammenfügen kann, die auf unsere eingangs gestellten Fragen nach Ursprung, Lebenssinn und Tod geantwortet hat und von sich selbst sagen lässt, sie sei das „was war, ist und sein wird“. Wie keine andere Gottheit hat sie mehr als 5000 Jahre wechselvoller Zeit überdauert, hat ihr Nimbus nicht an Glanz verloren, ist sie noch heute Idol und Geberin. Der über die Jahrtausende verehrten Göttin kommen dabei jene Attribute, Talente und Berufungen zu, deren segensreicher Nachvollzug auch für die Menschen von heute von Bedeutung sein kann, den auch der Mensch unserer Epoche bedarf.
Trägt man heute zu Beginn des 3. Jahrtausends die vier magischen Buchstaben „ISIS“ in eine der gängigen Suchmaschinen des Internets ein, wird man zweifach überrascht sein. In exakten 0.09 Sekunden unterbreitet das schnelle Medium unserer Zeit eine Informationsflut von mehr als 194.000 Anmerkungen, von profunden Fachartikeln führender Ägyptologen über ein „Herzliches Willkommen bei der Isis-GmbH“ bis hin zur Website des Frauengesundheitszentrums ISIS.
Eine weitere Überraschung birgt das tiefere Eindringen in das Geschriebene: War Papier schon geduldig, so steht der Bildschirm heute in keiner Weise nach.
Und so erfährt man vieles, meist Verwirrendes auf seinem Computer. Nicht nur „der Name der ISIS“ zeigt ungebrochene Anziehungskraft, auch moderne Heilslehrer und Wellness-Anbieter für Körper und Geist haben sich der Göttin bemächtigt. Theosophie und Anthroposophie kommen nicht ohne SIE aus. Hermetische Gesellschaften und okkulte Clubs jedweder Couleur schießen wie Pilze aus dem Boden und in mehr als 60 Ländern hat sich eine regelrechte Isis-Religion etabliert.
Das Bild, das sich die Menschen von ISIS machten, ist ein großes Mosaik. Sie war Dienerin und Göttin, Große Mutter und Erzieherin, Zivilisationsbringerin und Zauberin. Sie verkörpert alles in einem und ist als „eine“ nicht fassbar. Und so kann es nicht verwundern, dass das Schicksal der ISIS ambivalent erscheinen muss. Sie kann für sich in Anspruch nehmen, eine der ältesten, die Zeit überdauernde und bis heute „moderne Göttin“ zu sein, sie wurde immer gebraucht und auch immer wieder missbraucht, mag Sinnbild für die Rolle der Frau im Wandel der Gesellschaften sein und muss sich gefallen lassen, die „erste Hexe“ zu sein. Sie war die gütige Zauberin und gleichzeitig dunkles Symbol alles Okkulten. Sie hat viele Rollen und doch kein typisches, eigenes Bild.
Eine „Biographie der ISIS“ kann es naturgemäß nicht geben. Und doch scheint es interessant, ihr Werden in der Kulturgeschichte zu verfolgen, ihren nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung des Abendlandes zu untersuchen und ein Bild der ISIS aus dem Puzzle ihrer Hinterlassenschaft zusammenzusetzen.
Grund genug danach zu fragen, was es mit ISIS auf sich hat.
„Von Isis zu Jesus – 5000 Jahre Mythos und Macht“, Autor: Dr.rer.nat. et Dr.-Ing. habil. Harald Specht
Neuauflage: Engelsdorfer Verlag, 2011, ISBN 978-3-86268-169-3, 336 Seiten, ca. 60 farbige Abbildungen, 111 Ref., 19,90 Euro (D)
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