Wie aus einer Firmenerklärung hervorgeht, will Orexigen, die Pharmafirma, die hinter der neuen Kombipille gegen Übergewicht, Contrave, steht, ihr vielversprechendes Produkt weltweit vermarkten, verzichtet aber auf eine Marktzulassung in den USA.
Orexigen gab gleichzeitig bekannt, dass sie keinen weiteren Dialog mit der FDA suchen, weil die Anforderungen der Zulassungsbehörde schlicht „unnötig“ und die dazu benötigten Studien „undurchführbar“ seien.
Contrave, ein Kombipräparat aus Naltrexon und Bupropion, war die letzte vielversprechende Schlankheitspille, die von der FDA begutachtet wurde. Die FDA hatte bereits zuvor zwei ähnliche Medikamente abgelehnt und Abbott mehr oder weniger dazu genötigt, Reductil (Sibutramin) freiwillig vom Markt zu nehmen.
Im vergangenen Februar hatte die FDA Orexigen einen Brief geschickt, in dem sie der Firma mitgeteilt hatten, dass das Medikament unter den gegebenen Umständen nicht zugelassen werden könnte. Die FDA verlangte darin neue Daten zur Sicherheit bezüglich Herz-Kreislauf Risiko. In Fachkreisen hat dieser Entscheid mehrheitlich Unverständnis ausgelöst, war er doch gegen die Empfehlung der vorbehandelnden Behörde, die noch im Dezember des vergangenen Jahres mit 13 zu 7 Stimmen für eine Zulassung von Contrave plädiert hatte.
Die FDA war nicht wie die vorbehandelnde Behörde der Ansicht, dass der Nutzen des Medikament die möglichen Risiken für das Herz-Kreislauf System überwiegen würden.
Orexigen hatte für den Zulassungsantrag vier Placebo-kontrollierte Studien eingereicht, die alle über ein Jahr durchgeführt worden waren. Die Studien untersuchten insgesamt 3200 fettleibige (adipöse) Patienten mit zumindest einer zusätzlichen Erkrankung wie Diabetes oder Depression.
In allen vier Studien war die Kombipille erfolgreich in der Reduktion von Übergewicht. Mehr als 30% der Patienten verloren sogar mindestens 5% Körpergewicht; ein Standardkriterium der FDA zur Überprüfung des Nutzens einer Diätpille.
Die Patienten zeigten aber auch eine Erhöhung des Blutdrucks, was die FDA stark beunruhigte. Sibutramin, der Wirkstoff aus Reductil, hatte denselben Effekt, was schliesslich dazu führte, dass Abbott sich entschloss, das Produkt vom Markt zu nehmen.
Als Antwort auf das Schreiben der FDA unterbreitete Orexigen der Zulassungsbehörde einen Plan, wonach Contrave strikt nur an Personen ohne bekanntes Herz-Kreislauf Risiko verschrieben werden dürfe und wollte in einer zusätzlichen Studie an 12″000 bis 15″000 Patienten das Herz-Kreislauf Risiko der Kombipille evaluieren.
Die FDA lehnte das Angebot in einer kürzlich durchgeführten Sitzung als ungenügend ab und verlangte zusätzliche Auflagen, von denen Orexigen meinte, sie seien „beispielslos und würden vollkommen über das Ziel hinausschiessen“.
Die Pharmafirma hat daraufhin sämtliche klinischen Studien in den USA mit sofortiger Wirkung gestoppt bis die FDA klare Richtlinien zu ihren zukünftigen Zulassungsbedingungen bekannt geben würde. Gleichzeitig will Orexigen aber die Vertriebsmöglichkeiten ausserhalb der USA mit Hochdruck weiterverfolgen. Die Firma hat auch angekündigt gerichtlich gegen den Entscheid der FDA vorgehen zu wollen.
„Wir sind sehr enttäuscht von der Haltung der Zulassungsbehörde und dem Entscheid der letzten Sitzung,“ meinte Michael Narachi, CEO von Orexigen in einem Pressecommuniqué. „Wir haben ernsthafte Bedenken bezüglich der Konsequenzen, die die Haltung der FDA auf die Entwicklung neuer Produkte und Therapiemodalitäten gegen Übergewicht in den USA haben könnte.“
Die FDA gab bekannt, dass sie im nächsten Jahr eine Sitzung darüber abhalten möchte, welche Daten zu Herz-Kreislauf Risiken sie benötigt, um eine neue Diätpille abklären zu können.
Die Sorgen der FDA in Bezug auf das Herz-Kreislauf Risiko von Gewichtsreduktions-Medikamente sind wohl auf dem Hintergrund der grossen Population übergewichtiger Menschen in den USA zu sehen.
Im vergangenen Jahr hat die FDA ein neues Produkt der Firma Arena Pharmaceuticals, Lorcaserin, abgelehnt, weil ihr der Nutzen zu gering war (die Patienten verloren lediglich 5% der Körpergewichts) und ausserdem Daten aus Tierstudien befürchten liessen, Lorcaserin könnte ein gewisses Krebsrisiko bergen.
Die FDA hat letztes Jahr auch Qnexa (ein Kombipräparat aus Phentermin und Topiramat) die Vertriebsbewilligung verweigert. Das Medikament, das von der Firma Vivus hergestellt wird, hatte in klinischen Studien seinen Nutzen sehr wohl unter Beweis stellen können. Die Patienten nahmen im Durchschnitt zwischen 6% und 10% ihres Körpergewichts ab. Trotzdem erachtete die FDA Qnexa als zu gefährlich, weil sie Befürchtungen hatte bezüglich psychiatrischer und kardiovaskulärer Nebenwirkungen, die von den Studien aufgedeckt wurden.
Die FDA meinte zu ihrem Zulassungsprozedere, dass sie „immer klar kommuniziert hätte, dass sie den Nutzen einer Diätpille gegen die möglichen Risiken abwägen würde.“
Mit den neusten Entscheiden, die aber teilweise realitätsfremde Sicherheitsstudien verlangen, manövriert sich die FDA immer mehr ins Abseits. Es ist sehr wahrscheinlich, dass andere Firmen dem Beispiel von Orexigen folgen und ihre Bemühungen um Zulassung von Diätpillen in den USA auf Eis legen werden; eine Entwicklung, die schlussendlich niemandem dient, den Übergewichtigen am allerwenigsten.
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