(ddp direct) Stuttgart. Zielflagge für den F-CELL World Drive: Die drei Mercedes-Benz B-Klassen mit Brennstoffzellen-Antrieb sind nach rund 30 000 Kilometern wohlbehalten wieder in Stuttgart. Unterwegs wurden sie mit Wasserstoff der Linde Group betankt. Wir haben uns die drei automobilen Hauptdarsteller etwas genauer angesehen.
Da stehen sie also, die wasserstoffbetriebene B-Klassen von Mercedes-Benz. Wenn man mal von der grellgrünen Lackierung absieht, gleichen sie von außen herkömmlichen Automobilen. Allein der unscheinbare F-CELL-Schriftzug verrät die Besonderheit dieser Fahrzeuge. Es ist immer wieder das Gleiche: Die erste Begegnung mit dem Hightech-Gefährt vollzieht sich überraschend unaufgeregt. Worauf die Entwickler außerordentlich stolz sind: Auch im Innenraum ist alles wie immer. Fünf Passagiere finden bequem Platz, und der Gepäckraum hinter der Rückbank fasst reichliche 416 Liter. Doch die B-Klasse F-CELL ist eben doch kein ganz gewöhnliches Gefährt, sie fährt nämlich rein elektrisch und das auch noch ziemlich weit, weiter als die meisten Elektroautos mit Batterien an Bord. Der Lithium-Ionen-Akku, der den Elektromotor über der Vorderachse mit Strom versorgt, wird von einer Brennstoffzelle gespeist. Die Brennstoffzelle, in deren Innerem Wasserstoff und Sauerstoff aufeinander treffen und so Strom produzieren, ist das Herzstück. In den drei eingebauten Drucktanks werden vier Kilogramm Wasserstoff mitgeführt, womit die B-Klasse F-CELL rund 400 Kilometer weit abgasfrei fahren kann.
Hightech im Sandwichboden
Die zukunftsträchtige Brennstoffzellen-Technik versteckt sich im Sandwichboden zwischen Vorder- und Hinterachse. Diese Zwischenboden-Lösung wurde erstmals vor zwölf Jahren beim Forschungsfahrzeug Necar 4 verwendet, das auf Basis der ersten Generation der A-Klasse mit komprimiertem Wasserstoff (H2) fuhr. Die B-Klasse F-CELL kommt heute doppelt so weit und ist mit 136 PS/100 kW auch mehr als 40 PS stärker. Dabei ist das Brennstoffzellen-System, genannt Stack, wesentlich kleiner geworden, und der Verbrauch ist um ein Drittel gesunken. Ein weiterer Fortschritt besteht in der deutlich verbesserten Kaltstartfähigkeit des Stacks: Selbst wenn das Thermometer minus 25 Grad Celsius zeigt, lässt sich die B-Klasse F-CELL noch starten.
Dank des für Elektromotoren typischen hohen Drehmoments von 290 Newtonmetern kann das Wasserstoff-Auto problemlos mit einem Zweiliter-Benziner mithalten. Bei den Verbrauchswerten unterbietet die B-Klasse F-CELL mit 0,97 Kilogramm Wasserstoff auf einhundert Kilometer sogar Fahrzeuge mit Dieselmotoren: Umgerechnet entspricht der Wasserstoffverbrauch einer Menge von 3,3 Liter Kraftstoff (Diesel-Äquivalent) je einhundert Kilometer.
Ein Auge für die Reichweitenanzeige
Die Reichweitenanzeige ist das wichtigste Instrument der B-Klasse F-CELL: Wie gebannt gucken die Menschen am Steuer immer wieder auf den unmittelbar im Blickfeld des Fahrers zwischen den beiden großen Rundinstrumenten angezeigten Wert. Auf dem kleinen Bildschirm ist zum einen der Wasserstoffvorrat an Bord ablesbar unmittelbar nach dem Tanken sind das rund 3,7 Kilogramm. Der vermindert sich vergleichsweise allmählich, während die ebenfalls angezeigte Reichweite je nach aktueller Geschwindigkeit große Sprünge macht. Manchmal stimmt sie in etwa mit der Wasserstoffmenge überein, sollen also drei Kilogramm noch für 300 Kilometer reichen. Wenig später sind es nur noch reichlich 200 Kilometer, dann nähert sich die Vorhersage wieder sprunghaft der 300er-Grenze an. Offensichtlich wollten die Ingenieure auf Nummer sicher gehen und haben daher die Messungen in kurze Phasen unterteilt.
Lokal emissionsfrei rund um den Globus
Die B-Klasse F-CELL auf ihrem Weg rund um die Welt hat gezeigt, welchen Beitrag Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle für die zukünftige Mobilität bereits heute leisten können: Lokal emissionsfreies Fahren ist nicht nur auf Kurzstrecken, sondern auch über längere Distanzen hinweg möglich, freut sich Dr. Thomas Weber, bei der Daimler AG für Forschung und Entwicklung verantwortlich, über den eben zu Ende gegangenen F-CELL World Drive. Die erfolgreich vollendete 30 000 Kilometer lange Weltumrundung mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen beweise die Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit der Technologie und mache zugleich auf die Notwendigkeit einer flächendeckenden Wasserstoff-Infrastruktur aufmerksam.
Dass auf der gesamten Strecke eine mobile Tankstelle und zeitweise sogar großvolumige Wasserstoff-Druckbehälter mitgeführt werden mussten, zeigt das derzeitige Manko: Nicht nur in Deutschland fehlt es bislang an öffentlich zugänglichen Wasserstoff-Tankstellen. Der F-CELL World Drive war nur deshalb möglich, weil eine gemeinsame entwickelte mobile Betankungseinheit, die in einem Mercedes-Benz Sprinter Platz hatte, an jedem Ort des Globus Wasserstoff-Nachschub für die drei B-Klassen lieferte.
Zapfpistole ohne Überraschungen
Der Tankvorgang an einer stationären Wasserstoff-Tankstelle wie jener am Stuttgarter Flughafen entspricht in etwa dem Anschluss eines Ventils zur Zufuhr von Auto- oder Erdgas und ist erfreulich unkompliziert. Auch die Abrechnung nach Gewicht kennt man von Automobilen mit Gastanks an Bord. Mit einer speziellen Zapfpistole wird der gasförmige Wasserstoff mit rund 700 bar in die Druckbehälter gepresst, der gesamte Vorgang dauert keine drei Minuten.
Ein Kilogramm kostet in Deutschland heute etwa neun Euro und ist im Prinzip nicht mehr als ein industrielles Nebenprodukt: Bei der Herstellung anderer Industriegase entsteht unweigerlich auch Wasserstoff. Nach Schätzung eines Daimler-Ingenieurs würde der für rund 750 000 Wasserstoff-Fahrzeuge weltweit ausreichen. Ab dem Jahr 2015 sollen in Serie gefertigte Brennstoffzellen-Autos für jedermann zu haben sein und nicht mehr kosten als ein vergleichbares Fahrzeug mit modernem Dieselmotor. Bis dahin werden zu den derzeit sieben öffentlich zugänglichen deutschen Wasserstoff-Tankstellen voraussichtlich einige neue hinzugekommen sein.
mse/pjn
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